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Unterschied zwischen Schüchternheit und sozialer Phobie
Eine soziale Phobie ist nicht mit Schüchternheit zu vergleichen. Das ist bereits an der Ursache zu erkennen. In vielen Fällen ist eine schüchterne Art angeboren, die Angst vor Mitmenschen aber nicht.
Dass gewisse Menschen schüchtern sind, kann man sogar als eine Form des natürlichen Schutzmechanismus ansehen. Bereits im Kleinkindalter (zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat) ist das so genannte Fremdeln eine verhaltenstypische Reaktion. Im Erwachsenenalter neigen schüchterne Menschen im Gespräch den Kopf nach unten, bekommen feuchte Hände und vermeiden Augenkontakt.
Häufig sind schüchterne Personen gleichzeitig sehr introvertiert, wobei es durchaus extrovertierte und zugleich schüchterne Menschen gibt. Sie haben allerdings gelernt, sich in der Gesellschaft zu bewegen, fühlen sich aber häufig isoliert und einsam.
Schüchtern zu sein ist nicht grundsätzlich mit einer psychischen Störung zu verbinden. Wer sich in manchen Situationen zurückhaltend und schüchtern benimmt, zeigt ein völlig natürliches Verhalten. Bei manchen Menschen tritt es weniger, bei anderen häufiger auf. Für viele aber ist Schüchternheit eine unangenehme Eigenschaft, die jedoch sehr gut mit Selbsttherapien – beispielsweise mit autogenem Training – kontrolliert und in positiv empfundene Wesenszüge umgewandelt werden kann. Ziel ist es, das eigene Selbstwertgefühl zu stärken um Selbstvertrauen aufzubauen.
Wenn aber die Angst vor Menschen und Ablehnung unüberwindbar wird und man soziale Kontakte immer mehr scheut, kann sich aus Schüchternheit eine Angststörung entwickeln. Dann ist es Zeit zum Handeln, bevor sich der Kreislauf aus Angst immer mehr ausweitet und es aus eigener Kraft kein Entkommen mehr gibt. Inzwischen gibt es einige erfolgreiche Therapiemöglichkeiten, auch wenn die Ursache einer sozialen Phobie noch immer nicht vollständig geklärt ist.
Lerntheoretische Erklärungsansätze
In der Ursachenforschung wird auch der lerntheoretische Ansatz herangezogen. Dieser besagt, dass Betroffene in einer bestimmten Situation Angst erlebt haben, die als so unangenehm empfunden wurde, dass sie diese Situation ein weiteres Mal unbedingt vermeiden. Einfach, um das unangenehme Gefühl nicht noch einmal erleben zu müssen. Eigentlich ein sehr instinktives Verhalten von Menschen. Beispielsweise vermeiden Menschen den Kontakt mit Feuer – hat man sich einmal am offenen Feuer verbrannt, entsteht Schmerz, den man nicht noch einmal fühlen möchte.
Als typische Reaktion um den Schmerz zu vermeiden, sucht man daraufhin eine Lösung, um sich nicht ein weiteres Mal zu verbrennen. Allerdings meidet man den Kontakt mit dem Feuer im Normalfall nicht komplett. Betroffene hingegen würden der Situation, die unangenehme oder beängstigende Reize ausgelöst hat, vollkommen ausweichen. Den lerntheoretischen Ansatz gibt es aber auch im umgekehrten Fall. Wird ein Mensch für etwas gelobt, was er besonders gut gemacht hat, löst das ebenso einen Reiz aus – jedoch einen positiven, sodass er bestrebt ist, die Sache weiterhin gut zu meistern.
Ebenfalls könnten die körperlichen Symptome, die bei sozialen Phobien auftreten, eine Erklärung für die Ursache der Erkrankung sein. Denn grundsätzlich vermeiden Menschen Unangenehmes, können es aber in vielen Lebenssituationen überwinden. Von Angstzuständen betroffene Personen sehen in den Symptomen allerdings eine Gefahr, die das Angstgefühl weiter verstärken. So entsteht ein Kreislauf aus denen Leidtragende nicht von selbst herauskommen. Also vermeiden sie die Situation, die die Kontaktangst verursacht.
Psychodynamische Theorie
Jeder Mensch versucht bei einem inneren Konflikt den optimalen Weg zu finden, um den Konflikt zu besänftigen. Gelingt das nicht, tritt Angst auf. Zusätzlich geht man bei der psychodynamischen Theorie davon aus, dass Betroffene nie gelernt haben, mit der Angst umzugehen und es deshalb zu einer Überforderung kommt, die wiederum die Angst verstärkt.
Neurologische Ursachen für die soziale Angst
Die Angst vor Mitmenschen kann aber durchaus auch neurologische Ursachen haben. Bislang sind die Ergebnisse der Studien noch sehr unzureichend, aber sie zeigen, dass bei Angststörungen durchaus auch Vererbung eine Rolle spielen kann. Auch wenn viele Menschen die gleiche Erfahrung im Leben machen, heißt das nicht, dass automatisch eine soziale Phobie auftreten kann. Aber Studien zeigen, dass bei zwischen 40 und 60 Prozent der Erkrankten die Vererbung eine Rolle spielt.
Eine biologische Veranlagung schließen Experten ebenfalls nicht grundsätzlich aus. Man vermutet, dass Strukturen und Botenstoffe im Gehirn Auslöser für Angststörungen sind. Gerade im Bereich des limbischen Systems, das für instinktive Handlungen und Reaktionen verantwortlich ist, wurde eine erhöhte Aktivität bei einer Angststörung verzeichnet. Jedoch ist eine biologische Veranlagung nur ein Mitgrund für eine soziale Phobie, aber nicht zwangsläufig eine Ursache.
Eine weitere Studie hat herausgefunden, dass ebenso die Genetik eine Rolle spielt. So hat eine Untersuchung gezeigt, wenn ein Zwilling an einer Angststörung erkrankt, in etwa 30 bis 50 Prozent auch der andere Zwilling an einer Angsterkrankung leidet.
Kindheit als Auslöser einer sozialen Phobie
Ausgelöst werden kann eine soziale Phobie durch traumatische Erlebnisse im Kindesalter. Dabei spielt der Erziehungsstil eine wesentliche Rolle. Haben bereits die Eltern kaum soziale Kontakte gepflegt und es auch ihren Kindern untersagt, kann das im späteren Leben eine Angststörung hervorrufen. Auch sexueller Missbrauch in der Kindheit oder eine gegenüber dem Kind ablehnende Erziehung sehen Experten als Auslöser. Doch noch ist nicht eindeutig geklärt, weshalb die Angst vor Mitmenschen auftritt. Fakt ist aber, dass sie ein sozial gebundenes Leben oftmals unmöglich macht. Aber eine soziale Phobie ist durchaus behandelbar.