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Hallo liebes Forum,

Genau vor einem Jahr begann ich mit der Berufsmaturität für Erwachsene, nachdem ich meine kaufm. Lehre mit Erfolg abschloss. Die Schule begann soweit eigentlich recht gut und die neuen Themen bereiteten mir grossen Spass. Die Motivation und das Engagement waren auf höchster Ebene, da ich mir (und vielleicht auch der alten Lehrerschaft) beweisen wollte, dass einige Bewertungen aus der Lehrzeit (z.B. im Fach Englisch) nicht wie erwartet und aus meiner Sicht verdient erteilt wurden. So war ich überdurchschnittlich bestrebt, gute Noten zu erzielen, im Unterricht stets mitzumachen sowie mir auch wirklich keinen einzigen Fehler zu erlauben. Zeitweise schien meine Strategie Erfolg zu haben. Die Noten entsprachen meinen Wünschen und restlich konnte ich mich nicht beklagen. Mit dem Vergehen der Zeit allerdings baute sich Druck auf, denn ich musste ja dennoch jederzeit möglichst gut sein. Dies zeigte sich z.B. besonders beim Lernen und in der Schule.
Irgendwann fiel mir auf, dass ich gleichzeitig in der Schule mehr Fehler verursachte als zuvor (z.B. eine Erklärung des Lehrers über die Jahrtausendwende nicht verstehen, eine Teuerung oder Steuerrechnung falsch berechnen, v.a. aber Wörter schlecht oder Erklärungen teilweise unverständlich hören). Diese musste ich nur sehr mühsam zu Hause nochmals durchgehen und dabei versuchen, den Fehler sozusagen wiedergut zu machen (Reflektion über was der Lehrer gesagt hatte und sich zu sagen, ich habe es eigentlich schon verstanden oder Aufgabenstellung nochmals von neu lesen und Steuern erneut berechnen etc. - als wäre mir kein Fehler passiert). Pro Fach (7 insgesamt) waren es dann vielleicht 3-4 Fehler, später sogar 6-7. Die Zeit schien mir etwas davonzulaufen, immer weniger Schlaf stand mir zur Verfügung und ich musste immer mehr Aufwand für die Befriedigung meiner vielen Bedürfnisse betreiben. Die Schwierigkeit dabei war, dass ich deswegen weniger Freizeit hatte und es mir handkehrum an Energie fehlte. Pro Nacht schlief ich nur noch 3-4h, wenn nicht sogar noch weniger oder gar nicht. Genauso schwierig war es, die ganzen Fehler zu vergessen, denn mühsame Erlebnisse drängen sich oftmals auf, wenn man sie bewusst verarbeitet hat und sie anschliessend vergessen möchte. Dies führte zu einem Erststadion von Grübelzwängen. Also erschwerte sich die Sache noch zusätzlich. In therapeutischer Behandlung war ich dann bereits seit etwa 1-2 Monaten. Der Teufelskreis setzte mich in Schach und Matt. Wenig Schlaf, Fehler, Zwangsgedanken, schlechtes Gewissen, schlechtere Noten und nochmals von vorn. Als ich merkte, dass ich für eine Reflektion etwa 1h benötigte, um überhaupt einmal alle bestehenden Gedanken wegzustäubern, besorgte ich mich. Gegen Ende des Jahres war ich extrem erschöpft und voller Grübelwänge (keine Kontrolle mehr, es waren zu viele). Die Angst vor dem Versagen war sogar noch grösser als zuvor. Es war hiermit an der Zeit, eine nachhaltige Lösung zu finden. Die Idee eines Auszeitsjahres war die sinnvollste.
Heute nehme ich mir diese Auszeit, um mich zu erholen und zu genesen.
Mir ist bewusst, dass ich weit ausgeholt und sehr ausführlich formuliert habe bei dieser Geschichte, einige sind vielleicht schon in der Mitte stehengeblieben. Wer es aber bis hierhin geschafft hat, den würde ich gerne um Rat bitten. Wie kann man sich am besten von Grübelzwängen befreien? Wie erhält man weniger Angst vor dem Versagen? Ist es normal, viele Fehler (4-5 pro Fach oder mehr) zu machen, wobei den anderen viel weniger passieren? Wie geht man am besten mit Fehlern um?
Im Voraus danke ich Euch für Eure Beiträge und Eure herzhafte Hilfe!

Beste Grüsse

22.09.2015 03:51 • 01.10.2015 #1


10 Antworten ↓


Hallo Lsi,

eine schöne Beschreibung von Dir, wie Du in Deine Situation rein gekommen bist.
Zitat:
So war ich überdurchschnittlich bestrebt, gute Noten zu erzielen, im Unterricht stets mitzumachen
sowie mir auch wirklich keinen einzigen Fehler zu erlauben.


Wenn Du Dir keinen Fehler erlauben willst, setzt Du Dich damit unter heftigen Druck.

Zitat:
Die Zeit schien mir etwas davonzulaufen, immer weniger Schlaf stand mir zur Verfügung und ich
musste immer mehr Aufwand für die Befriedigung meiner vielen Bedürfnisse betreiben.


Sehr wenig Schlaf über einen längeren Zeitraum verstärkt sehr oft Ängste, da der
Kopf nicht mehr ausreichend Zeit hat sich zu entspannen und zu regenerieren.

Zitat:
Der Teufelskreis setzte mich in Schach und Matt. Wenig Schlaf, Fehler, Zwangsgedanken,
schlechtes Gewissen, schlechtere Noten und nochmals von vorn.


Wenn ich hier lese, was Du geschrieben hast, hast Du dir doch die Antwort eigentlich schon selbst gegeben.
Was willst Du erreichen? Möchtest Du das Grübeln beseitigen und dann wieder dort weiter machen,
wo Du aufgehört hattest? Das würde dann wieder schief gehen.

Zitat:
Ist es normal, viele Fehler (4-5 pro Fach oder mehr) zu machen, wobei den anderen viel weniger
passieren? Wie geht man am besten mit Fehlern um?


Auf jeden Fall ist es normal, wenn man auf neuen und umfangreichen Wissensgebieten einige Fehler macht.
Aus Fehlern kann man oft auch einiges lernen. Am besten geht Du mit Fehlern ganz locker um. Erkennen
und wenn möglich beseitigen. Dann zum nächsten Thema weitergehen. Mit anderen solltest Du Dich
möglichst nicht so stark vergleichen.
Zitat:
Wie kann man sich am besten von Grübelzwängen befreien? Wie erhält man weniger Angst vor dem Versagen?


So einfach in 15 Sätzen kann man das nicht sagen. Du kannst aber bestimmt erreichen, das das Grübeln
deutlich schwächer wird. Deine Therapie ist da ein ganz wichtiger Punkt.

Als erstes solltest du alles daran setzen, wieder ausreichend zu schlafen und innerlich ruhiger zu werden.
Dann befreie Dich von den Zielen die Dir auf Dauer zu hoch zu sein scheinen. Versuche erst mal kleinere
Ziele anzupeilen oder machbare Zwischenschritte zu machen.

Wichtig ist, das Du (am besten mit dem Psychologen) mal überlegst, was Du an
Bildungsschritten unbedingt benötigst um vorwärts zu kommen. Was Du nicht
unbedingt als nötig ansiehst, solltest du erst mal hinten an stellen oder ganz
gedanklich zu den Akten legen.
Und dann schaue mal, ob mit der Zeit Dein innerer Stress nachlässt.
Lösen kannst Du das nur langsam, nach und nach.

Viele Grüße

Hotin

A


Grübelzwänge, Angst vor dem Fehlermachen bzw Versagen

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Hallo,

Hotin hat mal wieder alles soweit gesagt.

mich interessiert noch, weiß du vielleicht, woher diese Versagensängste kommen?

Hallo zusammen,

Bitte entschuldigt meine verspätete Rückmeldung.

Diese Versagensängste sind aufgrund mehrerer Ereignissen entstanden. Zum einen erreichte ich zwei Mal an einer Abschlussprüfung nicht jenes Resultat, das ich mir erhofft und meiner Meinung nach verdient hatte. Zum anderen wurde mir die *beep* Tatsache bewusst, dass ich viele Fehler mache. Diese wollte ich irgendwann mal einfach bekämpfen und auf eine Art nie mehr wieder begehen. Doch als ich dann trotzdem Fehler beging, tauchten solche Versagensängste auf.

Mir ist bewusst, dass ich mich fest unter Druck setze damit. Doch irgendwie muss ich versuchen, möglichst wenig Fehler zu machen.
Zurzeit bin ich dran, viel mehr Stunden zu schlafen sowie innerlich zur Ruhe zu kommen.
Mein Ziel ist es, mit solchen Grübelzwängen zurecht zu kommen und mein Leben wieder zurückzuhaben, dass ich einmal hatte.
Man lernt zwar aus Fehlern, doch nicht aus allen. Oftmals ergeht es mir schlecht, wenn ich Fehler begehe. Bei mir ist es also kontraproduktiv, denn ich leide darunter. Mit anderen vergleiche ich mich leider deshalb, weil sie weniger Fehler begehen als ich. Nicht selten versuche ich damit aufzuhören, doch leider geht das einfach (noch) nicht..
Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich in all meinsn Therapien noch keine wirklichen Fortschritte gemacht in Bezug zu meinen Grübelzwängen. Kennst du vielleicht irgendwelche hilfreichen Techniken?

Lieber LSi,

Was ist so schlimm am Fehlermachen, dass dich das so runterzieht. Wurdest du deswegen bestraft?

Und je mehr du keine Fehler machen DARFST, desto mehr werden sie.

Aber wo kommt diese Einstellung her?

Lieber Icefalki

Nein, deswegen wurde ich nie bestraft. Es macht mir persönlich einfach Angst, Fehler zu machen. Denn ich habe immer das Gefühl, dass andere solche Fehler nicht machen würden. Dann stelle ich mir vor, dass ich nicht so gut bin wie andere und sie sozusagen den Rahmen darstellen, in welchem sich ein normaler/ guter Schüler befinden soll, um die Schule zu bestehen. Selbst wenn meine Noten höher sind, habe ich trotzdem Angst, Fehler zu begehen. Das ist für mich wirklich nicht mehr so gesund.
Zu Beginn der Ausbild begann ich noch Fehler, die ich mir eingestand. Nachher wurden es immer mehr und plötzlich konnte ich damit immer schlechter umgehen. Ebenfalls sehe ich ein, dass ich im Privatleben ja nicht immer überall glänzen muss. Aber selbst dort habe ich die Pflicht, meine Fehler zu reflektieren. Ebenso weiss ich, dass ein Fehler nicht die Note ausmacht, die man haben wird an der Prüfung. Nur ist es mir dabei trotzdem unwohl..

Die Einstellung kam, weil ich 2 mal nicht fair bewertet wurde an einer LAP und mir bewusst wurde, dass ich viele Fehler begehe.. Irgendwann wolte ich das ändern. Doch ab einem Zeitpunkt wurde es sehr schwierig und kostete ein Unvermögen an Energie..

Ja, dem musst du mal auf den Grund gehen. Du definierst dich sehr leistungsbezogen.

Warum? Bedeuten schlechte Noten eine Abwertung deines ichs? Und Fehler ziehen dir den Boden unter den Füßen weg?

Weil dann, was passiert?

Absolut richtig erkannt. Momentan sehe ich nur noch Fehler vor mir. Gut bin ich praktisch sehr selten.

Sagen wirs so, ich weiss, dass schlechte Noten vorkommen können. Meinetwegen. Doch das sollte nur eine Ausnahme sein. Grundsätzlich muss ich meine Notenziele erreichen. Wenn das nicht so ist, bin ich enttäuscht und habe Angst vor dem Versagen. Denn fast immer gebe ich alles an einer Prüfung. Ist mal eine Note schlecht, bedeutet das wie als würde ich schlecht sein. Die guten Noten sind also wie eine Pflicht.

Bei den Fehlern ist es anders. Wenn ich mehrere Fehler begehe, tauchen wirklich automatisch Versagensängste auf. Sind es zu viele, habe ich wie du erkannt hast, keinen Boden mehr.

Es passiert nichts Physisches, aber es macht mich unsicher. Dabei habe ich Angst, den Level nicht zu erreichen, den es für das Bestehen der Prüfung bräuchte. Doch vor allem entsteht ein Unsicherheits-, Leere-, Angst- sowie Schuldgefühl. Es macht mich wirklich platt. Sich zu sagen, es sei egal, ist wenn man unter Druck steht unfassbar schwierig! Sofort beginne ich zu relektieren, bis ich eine passende Lösung finde. Aus Angst, zu versagen!

Verstehe ich alles. Aber du weißt, dass Angst ein schlechter Lehrmeister ist.

Ich selbst bin ja auch sehr leistungsbezogen gewesen, und habe Leistung und Anerkennung mit Liebe verwechselt..nur wenn ich gut bin, werde ich geliebt. Kam aus der Erziehung heraus. Und Versagen konnte ich mir nicht gestatten.

Ich war jetzt nicht auf Noten getrimmt, aber im Job und im Alltag musste ich überm Level
sein. Darum waren Ungerechtigkeiten, zumindest hab ich sie so empfunden, eine Verletzung meines gesamten Ichs, und weil das ja nicht akzeptabel war, brachte ich noch mehr Leistung um wieder geliebt zu werden.

Aber das ging eigentlich gegen meine Natur, und ich habe ewig dafür gebraucht, diesen Missklang zu erkennen. Die Angst hat das schnell begriffen, ich aber nicht.

Was ich damit sagen will, erkennst du den Grund, warum du das tust, kannst du daran arbeiten, ein normales Maß zu finden.

Das hat mit der inneren Einstellung zu allem zu tun. Und Leistung kann dann aus reelleren Gründen gebracht werden, die nicht krank macht.

Es freut mich sehr, dass du mich und meine Situation verstehst. Versagen ist auch für mich ein Fremdwort! Meinst du, wenn du statt geleistet und gut gewesen wärst, geliebt hättest, wäre das anders gewesen? Es kann natürlich genauso im Job so sein, dass man sich keinen Fehler erlauben möchte. Vielleicht war es bei dir etwa so, dass du sehr allergisch gegen Ungerechtigkeiten warst, die dir persönlich hätten schaden können. Bei ist es genau gleich - sobald es mir gegenüb. unfair ist, kämpfe ich bis zum Tod!

Meine Gründe kenne ich eigentlich schon ein wenig. Nur kann ich sie einfach nicht akzeptieren! Innerlich ist diese Einstellung vereist, es kann nicht einfach so gebrochen werden. Mein Ziel ist halt, diese Grüblerei etwas zu reduzieren und gewissermassen kontrollieren zu können. Hattest du bei der Umschaltung deines Modus viele Schwierigkeiten gehabt?

Dazu muss dir eins klarwerden. Irgendwoher hast du Leistung als das Allheilmittel oder alleinige Sicherheit definiert.

Leistungsbereitschaft ist ok. Aber du und ich machen da Zuviel daraus. Es ist Zuviel Grundbedürfnis, Zuviel nur das allein und damit liegen wir falsch.

Es geht um die Gefühle dabei und um mehr nicht. Wird die Leistung schlechter, sind wir schlechter. Und das Streben wird noch anstrengender bis zur Erkrankung.

Zu verstehen und zum Loslassen sind Welten. Aber das Grundprinzip musst du erkennen.

Und dann wird mit leichterer Hand das gleiche, sogar noch mehr erreicht.

Ich kann es so schlecht erklären, aber um wirklich gut zu sein, musst du deine Fehler akzeptieren, sie quasi lieben. Du wirst dann echt.

Solange du deine Person nur perfekt sehen willst, kommst du da nicht raus. Gerade unsere kleinen Fehler, unsere negativen Seiten sind wir auch. Daraus entsteht das Gleichgewicht.

Das sehe ich unter Schwächen annehmen, sie akzeptieren, wirklich akzeptieren. Dann kann dir niemand was.

Wenn ich heute z.B. Merke, dass ich wieder ins Hamsterrad laufe, atme ich tief durch, grinse und denke, Moment, was tu ich gerade. Jetzt mal langsam. Will ich das, kann ich das, warum mach ich das. Und dann entscheide ich, ok, akzeptiert, oder, nein, geht gar nicht.

Meine Arbeit werde ich immer sehr gut machen. Aber weil ich es will und ich nicht anderen gefallen will. Weil man sich logischerweise anstrengen darf, der Chef hat ein Recht auf gute Arbeit, aber alles mit Vernunft und nicht, weil,ich gefallen will. Und beim geringsten Fehler wieder in meine Grundfeste erschüttert werde.

Ich mache Fehler und die darf ich machen. Ich kann auch Nein sagen, vernünftig begründet, versteht das jeder.

Definiere dich nicht durch andere. Du bist einzigartig..anstrengen ist erlaubt aber nur für dich. Und mit der Gelassenheit, ein Mensch zu sein.

Willst du außergewöhnlich sein, dann bitte, aber ohne dich mit anderen krankhaft zu vergleichen.

Denn du bist selbst. Mit allem was dazugehört.

Im Prinzip musst du genauso wie ich Schwäche zugeben lernen, und das ist verflixt schwer.

Weil es deinen Panzer sprengen wird. Und diese Härte ist es ja, die dich schützen muss.

Bloß ist das blöde, dass es dir dabei schlecht geht. Komisch oder?

A


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