Hallo, ich bin Martin,
Ich schreibe, weil ich den Austausch suche und ein wenig Hoffnung habe, dass jemand möglicherweise ähnliche Erfahrungen gemacht hat.
Ich befinde mich seit einer Woche das erste Mal in meinem Leben stationär in einer Klinik für Psychiatrie zur sog. Krisenintervention.
In meiner Kindheit/Jugend kämpfte ich mit Panikattacken, deren Ursprung mir bis heute nicht bekannt ist.
Im Alter von 14-18 hatte ich in unregelmäßigen Abständen meist in fremder Umgebung Zustände der extremen Übelkeit (kurz vor dem Erbrechen, was aber nie passiert ist) Magenkrämpfe und Zittern. Heute denke ich, dass mich damals sprichwörtlich etwas mir Unbekanntes angekotzt hat. Ich kann es retrospektiv nicht verstehen, aber ich habe diese Zustände damals akzeptiert nachdem meine Eltern mit mir bei verschiedenen Ärzten waren und nie eine pathologische Ursache diagnostiziert werden konnte. Es gehörte zu mir. Mein dunkler Begleiter, der mich immer wieder daran erinnert, dass ich nicht ganz bin.
Angsterkrankung oder Depression waren zu dieser Zeit weder bei mir, meinen Eltern oder den Ärzten im Bewusstsein, also lernte ich auszuhalten.
Erst mit 18, als depressive Symptome, wie Antriebsverminderung dazu kamen, bin ich mehr oder weniger durch Zufall durch den Vater eines Freundes, der Institutsdirektor einer Kinder- und Jugendpsychiatrie war, das erste Mal in diesem Fachgebiet untersucht worden. Diagnose: Depression.
Seit 2004 nahm ich von nun an Sertralin (zwischen 50-200mg). 16 Jahre lang.
Eine psychotherapeutische Behandlung habe ich immer abgelehnt.
Ich dachte: Wenn mein Geist es schafft es mir so unglaublich schlecht gehen zu lassen und ich nicht einmal eine Idee davon habe, warum das so ist, dann will er aus gutem Grund etwas vergraben. Ich dachte, ich schütze mich vor der Ausgrabung eines sehr tief in mir befindlichen Traumas.
Jetzt bin ich 36, stehe mitten im Leben. Meine Lebensumstände sind gut. Job, Frau, Kind, Familie. Ich kann mich glücklich schätzen.
Im letzten Jahr habe ich dann nach all den Jahren im Mai plötzlich nach einem Telefonat, diese unheimlich starke Unruhe und Angst verspürt. Damit verbunden Schlafstörungen, Schwitzen und Agitation.
Ich habe das Sertralin in Absprache mit meiner Psychiaterin von 50 mg wieder auf 150 mg erhöht. Gespräche mit Familie und Freunden halfen mir auf dem Weg hinaus und so habe ich es nach etwa 3 Wochen Krankschreibung geschafft. Mir ging es wieder gut.
Anschließend habe ich das Medikament wegen plötzlich stärker ausgeprägter sexueller Dysfunktion von Sertralin (100 mg) über Bupropion (150 mg) auf schließlich Escitalopram (10 mg) gewechselt. Das Absetzen von Sertralin nach 17 Jahren war die Hölle. Ich habe über 6 Wochen ausgeschlichen, aber heftige Absetzsymptome mit Empfindungsstörungen, Brain Zaps etc. erlebt.
Die Dysfunktion blieb also unter Escitalopram, weil sich unter Bupropion die stimmungsbezogene depressive Symptomatik wieder verstärkte (aber ohne Unruhe, Angst bzw. Panik). Mit Escitalopram wurde es wieder besser.
Im August letzten Jahres habe ich die Liebe meines Lebens kennen gelernt. Die eine Frau.
Im Liebestaumel und weil es mir so gut, wie noch nie ging, habe ich naiv den Gedanken gefasst, ich brauche die Psychopharmaka nicht mehr. Also die 10 mg von einem auf den anderen Tag abgesetzt.
Alles ging gut.
Bis zum 2. Weihnachtsfeiertag.
Seitdem kämpfte ich den größten Kampf meines Lebens mit mir selbst. Diese Unruhe, Angst und Panik. Jeden Tag.
Ich schlafe zwischenzeitlich wieder ein, aber nach 5-6 Stunden wache ich auf, als hätte mir jemand eine Adrenalinspritze ins Herz gerammt. Angst, extreme Unruhe, ABER: keine Gedanken! Ich habe keine konkrete übersteigerte Angst oder Sorge in Bezug auf ein Thema, Umfeld oder einer auslösenden Situation. Ich habe keine Albträume. Ich denke nur: Warum? Was ist los mit mir? Wie lange wird es dauern?
Das geht unverändert, trotz dass ich direkt am 28. Dezember wieder Escitalopram auf 20 mg erhöht genommen habe, bis jetzt so.
Gegen Abend wird es meistens etwas besser, aber es bleibt immer unterschwellig da und bricht jede Nacht und teilweise über Tag wieder mit voller Wucht durch. Ein elendes Gefühl.
Bezüglich der Depression habe ich keine Antriebsminderung, eher im Gegenteil. Ich bin den ganzen Tag unter Strom (im grundnegativem Sinne), gleichzeitig aber auch ausgelaugt. Verzweiflung stellt sich immer wieder ein.
Ich tue alles, was mir helfen könnte. Täglich Yoga, Meditation, Entspannungsübungen Gespräche, aber bisher wird es nicht besser. Es stagniert.
In der Klinik habe ich nun 1x die Woche ein Gespräch mit der Psychologin, was mir gut tut, aber auch aufzeigt, dass es noch ein sehr langer Weg ist. Ansonsten nutze ich alle Therapieangebote.
Ich bekomme Venlafaxin (75 mg) einschleichend seit 4 Tagen und Quetiapin (25 mg) unretardiert zum Schlafen.
Warum? Warum bin ich so?
Ich danke jedem, der bis hierher gelesen hat und würde mich wahnsinnig über jeden Kommentar freuen.
Ich wünsche euch allen nur das Beste. Passt auf euch auf.
Martin
Ich schreibe, weil ich den Austausch suche und ein wenig Hoffnung habe, dass jemand möglicherweise ähnliche Erfahrungen gemacht hat.
Ich befinde mich seit einer Woche das erste Mal in meinem Leben stationär in einer Klinik für Psychiatrie zur sog. Krisenintervention.
In meiner Kindheit/Jugend kämpfte ich mit Panikattacken, deren Ursprung mir bis heute nicht bekannt ist.
Im Alter von 14-18 hatte ich in unregelmäßigen Abständen meist in fremder Umgebung Zustände der extremen Übelkeit (kurz vor dem Erbrechen, was aber nie passiert ist) Magenkrämpfe und Zittern. Heute denke ich, dass mich damals sprichwörtlich etwas mir Unbekanntes angekotzt hat. Ich kann es retrospektiv nicht verstehen, aber ich habe diese Zustände damals akzeptiert nachdem meine Eltern mit mir bei verschiedenen Ärzten waren und nie eine pathologische Ursache diagnostiziert werden konnte. Es gehörte zu mir. Mein dunkler Begleiter, der mich immer wieder daran erinnert, dass ich nicht ganz bin.
Angsterkrankung oder Depression waren zu dieser Zeit weder bei mir, meinen Eltern oder den Ärzten im Bewusstsein, also lernte ich auszuhalten.
Erst mit 18, als depressive Symptome, wie Antriebsverminderung dazu kamen, bin ich mehr oder weniger durch Zufall durch den Vater eines Freundes, der Institutsdirektor einer Kinder- und Jugendpsychiatrie war, das erste Mal in diesem Fachgebiet untersucht worden. Diagnose: Depression.
Seit 2004 nahm ich von nun an Sertralin (zwischen 50-200mg). 16 Jahre lang.
Eine psychotherapeutische Behandlung habe ich immer abgelehnt.
Ich dachte: Wenn mein Geist es schafft es mir so unglaublich schlecht gehen zu lassen und ich nicht einmal eine Idee davon habe, warum das so ist, dann will er aus gutem Grund etwas vergraben. Ich dachte, ich schütze mich vor der Ausgrabung eines sehr tief in mir befindlichen Traumas.
Jetzt bin ich 36, stehe mitten im Leben. Meine Lebensumstände sind gut. Job, Frau, Kind, Familie. Ich kann mich glücklich schätzen.
Im letzten Jahr habe ich dann nach all den Jahren im Mai plötzlich nach einem Telefonat, diese unheimlich starke Unruhe und Angst verspürt. Damit verbunden Schlafstörungen, Schwitzen und Agitation.
Ich habe das Sertralin in Absprache mit meiner Psychiaterin von 50 mg wieder auf 150 mg erhöht. Gespräche mit Familie und Freunden halfen mir auf dem Weg hinaus und so habe ich es nach etwa 3 Wochen Krankschreibung geschafft. Mir ging es wieder gut.
Anschließend habe ich das Medikament wegen plötzlich stärker ausgeprägter sexueller Dysfunktion von Sertralin (100 mg) über Bupropion (150 mg) auf schließlich Escitalopram (10 mg) gewechselt. Das Absetzen von Sertralin nach 17 Jahren war die Hölle. Ich habe über 6 Wochen ausgeschlichen, aber heftige Absetzsymptome mit Empfindungsstörungen, Brain Zaps etc. erlebt.
Die Dysfunktion blieb also unter Escitalopram, weil sich unter Bupropion die stimmungsbezogene depressive Symptomatik wieder verstärkte (aber ohne Unruhe, Angst bzw. Panik). Mit Escitalopram wurde es wieder besser.
Im August letzten Jahres habe ich die Liebe meines Lebens kennen gelernt. Die eine Frau.
Im Liebestaumel und weil es mir so gut, wie noch nie ging, habe ich naiv den Gedanken gefasst, ich brauche die Psychopharmaka nicht mehr. Also die 10 mg von einem auf den anderen Tag abgesetzt.
Alles ging gut.
Bis zum 2. Weihnachtsfeiertag.
Seitdem kämpfte ich den größten Kampf meines Lebens mit mir selbst. Diese Unruhe, Angst und Panik. Jeden Tag.
Ich schlafe zwischenzeitlich wieder ein, aber nach 5-6 Stunden wache ich auf, als hätte mir jemand eine Adrenalinspritze ins Herz gerammt. Angst, extreme Unruhe, ABER: keine Gedanken! Ich habe keine konkrete übersteigerte Angst oder Sorge in Bezug auf ein Thema, Umfeld oder einer auslösenden Situation. Ich habe keine Albträume. Ich denke nur: Warum? Was ist los mit mir? Wie lange wird es dauern?
Das geht unverändert, trotz dass ich direkt am 28. Dezember wieder Escitalopram auf 20 mg erhöht genommen habe, bis jetzt so.
Gegen Abend wird es meistens etwas besser, aber es bleibt immer unterschwellig da und bricht jede Nacht und teilweise über Tag wieder mit voller Wucht durch. Ein elendes Gefühl.
Bezüglich der Depression habe ich keine Antriebsminderung, eher im Gegenteil. Ich bin den ganzen Tag unter Strom (im grundnegativem Sinne), gleichzeitig aber auch ausgelaugt. Verzweiflung stellt sich immer wieder ein.
Ich tue alles, was mir helfen könnte. Täglich Yoga, Meditation, Entspannungsübungen Gespräche, aber bisher wird es nicht besser. Es stagniert.
In der Klinik habe ich nun 1x die Woche ein Gespräch mit der Psychologin, was mir gut tut, aber auch aufzeigt, dass es noch ein sehr langer Weg ist. Ansonsten nutze ich alle Therapieangebote.
Ich bekomme Venlafaxin (75 mg) einschleichend seit 4 Tagen und Quetiapin (25 mg) unretardiert zum Schlafen.
Warum? Warum bin ich so?
Ich danke jedem, der bis hierher gelesen hat und würde mich wahnsinnig über jeden Kommentar freuen.
Ich wünsche euch allen nur das Beste. Passt auf euch auf.
Martin
21.02.2022 16:36 • • 04.03.2022 x 3 #1
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