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Seit mindestens 27 Jahren habe ich eine Angsterkrankung.

Diese Angst in eine Schublade einzusortieren fällt mir schwer. Es ist eine Mischung aus generalisierter Angst, zwanghaften Gedanken und immerwährenden Grübelns. Manche Aspekte meiner Angst betreffen die Gesundheit, aber es ist keine Hypochondrie.

Ich habe mehrere ambulante Therapien gemacht und dabei die kognitive Verhaltenstherapie und die Schematherapie kennengelernt.

Es war ein Auf und Ab. Dadurch, dass ich begleitend Fluoxetin genommen habe, wird sich vermutlich nicht sagen lassen, was geholfen hat und was nicht oder ob zu einer bestimmten Zeit auch der Mix von Medikation und Therapie gut oder schlecht für mein Wohlbefinden war.

Leider ist gerade wohl einmal eine schlechtere Zeit für mich. Mir sitzt die Angst im Nacken und ich finde keinen Ausweg und kann die Situation auch nicht akzeptieren.

Und so fühle ich mich verzweifelt und in meinen Gedanken gefangen. Und ich fühle auch eine Trauer, weil ich den Eindruck habe, alles zu verlieren. Die Lebensfreude, meine Pläne.

Ich habe die Perspektive, in 2 oder 3 Monaten wieder eine Kurzzeittherapie bei (m)einem Psychotherapeuten machen zu können. Obwohl es bestimmt gut ist, über meine Gefühle mit einem Fachmann sprechen zu können muss ich mich wohl von der schönen Vorstellung verabschieden, dass diese Krankheit irgendwann überwunden ist. Ich denke, ich bin chronisch krank. Das ist aber insofern okay als dass die Zeiten, in denen es mir vergleichsweise gut ging, auch schön waren.

Vielleicht findet sich hier jemand in meinen Worten wieder. Vielleicht geht es jemandem ähnlich und ihr seid schon einen Schritt weiter als ich. Vielleicht wollen wir hier unsere Erfahrungen austauschen.

Viele Grüße,
der Wissenschaftler

21.05.2021 10:57 • 22.05.2021 #1


4 Antworten ↓


Hallo Wissenschaftler,

generalisierte Angst ist leider auch mein Begleiter...es gibt gute und schlechte Zeiten. Wie bei allen Krankheiten. Ich denke das zu akzeptieren ist das Wichtigste. Leider verläßt es mich auch nicht...bei Belastung und Stress ist es dann nochmal heftiger.
Die Kurzzeitherapie die, dir angeboten wird..würde ich annehmen. Es kann dir helfen, wieder mit deinen Empfindungen, Trauer und anderen Gefühlen besser umzugehen. Und vll auch wieder positives zu entdecken.
Sicherlich (kann nur für mich sprechen) ist der Auslöster dieser Krankheit...maßgeblich, ob es jemals wieder verschwindet. Ich denke bei mir nicht...aber es gibt auch viele Menschen , die sich von der Angsterkrankung verabschieden konnten. Man sollte nie die Hoffnung aufgeben. Immer wieder an sich arbeiten und den Mut nicht verlieren. ( ich weiß, daß ist schwer)

L.G. Waage

A


Seit 27 Jahren Angst Wie kann es weitergehen? Was hilft?

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Servus jener, der Wissen schafft!

Mir gefällt Dein Pragmatismus aber ist es vielleicht genau der, der alles so annimmt, wie es (vermeintlich) wohl unabwendbar sein muss?

Warst Du schon immer so nüchtern, wie Du (mir) rüberkommst?

Wo ist der Mut und die Freude auf den nächsten Augenblick? Du hast sie schon mal erlebt, sagst Du.

Ich habe eine ganze Weile gebraucht um zu realisieren, dass die alten Zeiten und Pläne vorbei und unwiederbringlich sind. Sie sind längst verblasst.

Was danach kam (und heute ist) war schlicht anders: anstrengend, hart, schmerzhaft, erschreckend...aber: heilsam!

Das vermeintlich schöne Leben trug zur Depression und Angststörung bei. Das Loslassen der alten Ziele und Werte setzte eine geistige Heimat frei, die mir vorher fremd schien. Unwesentliches fiel ab, das Wesentliche kam (endlich) zum Vorschein.
Lass die Weisheit über das schlichte Leben unter dem Wissen über die Komplexität des getriebenen Alltags hervorschauen und schenke IHR Deine ganze Kraft und Dein volles Vertrauen.
Du bist immer noch da, hast 27 Jahre überlebt...lass es nicht umsonst gewesen sein.

Hallo zusammen,

zunächst danke für eure Antworten. Ich habe gestern viel darüber nachgedacht, was ihr geschrieben habt und möchte natürlich gern darauf eingehen.

@waage: Die Kurzzeittherapie nehme ich auf jeden Fall gern an, auch wenn ich natürlich nicht direkt davon ausgehe, dass sie meine Angst vollständig verschwinden lässt. Eine Besserung ist aber natürlich auch schon sehr viel wert! Ja, vermutlich sind die Ursachen meiner Störung sehr tief in mir verankert. Mir fehlt es an Urvertrauen (in Andere und dass es gut ausgeht), würde ich sagen. Möglicherweise habe ich zu wenig Halt bekommen, als ich ihn gebraucht hätte. Und andererseits fehlt mir das Vertrauen in mich selbst, weil ich zumindest als Kind häufig das Gefühl hatte, dass ich (von meinem Vater) dominiert wurde. Das zu wissen ist das Eine. Kann man das auch reparieren? Ich weiß es nicht.

@moo: ich habe schon häufiger gehört, dass ich verkopft und nüchtern wirke. Du sprichst einen Punkt an, der für meine Störung wichtig ist: ich denke viel in der Vergangenheit. Das ganze Gefühl von Schuld ist ja vergangenheitsbasiert und das ist bei mir stark ausgeprägt. Hätte ich dies nicht getan.. und Hätte ich nur anders entschieden..., das kenne ich sehr gut. Das sind sehr negative Gedanken, die wirklich keinerlei Nutzen haben (außer sie evtl. als gelernt für die Zukunft zu nutzen), wenn man ihnen zu lange nachhängt.

Und gleichzeitig ist Angst natürlich immer in die Zukunft gerichtet und ich versuche durch Kontrollieren, die Gefahr in der Zukunft klein zu halten (und damit auch die negativen Gefühle von Verlust, Trauer).

Deswegen ist dein Punkt so wichtig: Der Mut und die Freude für den nächsten Augenblick fehlen momentan. Und im Loslassen bin ich leider bisher sehr schlecht. Das muss ich üben, denke ich. Wie ist es dir gelungen, die alten Ziele und Werte loszulassen?

Viele Grüße,
der Wissenschaftler

Guten Morgen Wissenschaftler,

Zitat von Wissenschaftler:
ch habe gestern viel darüber nachgedacht, was ihr geschrieben habt


Respekt, das kommt hier im Forum nicht allzu häufig vor

Zitat von Wissenschaftler:
Wie ist es dir gelungen, die alten Ziele und Werte loszulassen?


Das hat quasi der Burnout für mich erledigt. Ich stand dermaßen mit dem Rücken zur Wand, dass ich die Gelegenheit für einen Neuanfang nutzte, der eigentlich meinem Naturell entspricht.

Du hast schon auch Recht: Manchmal sind wir unheilsam abgebogen, haben auf die (vermeintlich?) falsche Stimme gehört etc. Von daher finde ich eine gewisse Rückwärtsgewandtheit schon auch notwendig. Wenn es allerdings nur bei der berühmten Grübelei bleibt, chronifiziert diese mitunter in Ängste u./o. Zwänge.

Einer meiner besten Freunde hat seit mindestens 35 Jahren große Probleme mit seinem fehlenden Urvertrauen und ist seit über 13 Jahren in (m. E. falscher) Therapie. In seinem Fall entwickelte sich daraus eine Suchtproblematik die von seinem TP lange nicht erkannt wurde. Erst als der Verlauf der Dinge sein Kompensationsverhalten vollständig aufdeckte, suchte er sich anderweitig professionelle Hilfe. Und erst jetzt geht's wirklich aufwärts bei ihm!

Es ist also nie zu spät und jede Bemühung wert. Aus Deinen wenigen Zeilen entnehme ich eine gewisse Distanz die auf Andere u. U. als Abgeklärtheit oder Kühle rüberkommt. Es könnte (!) sein, dass es sich hierbei um Deine Kompensationsstrategie handelt.

Wenn Du magst, können wir weiter darüber kommunizieren - gerne auch per PN.





Mira Weyer
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