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Hallo zusammen,

nun bin auch ich offiziell ein Psycho

Vor fast 20 Jahren bin ich das erste Mal zusammengeklappt. Saß heulend an meinem Küchentisch und meine damalige Freundin konnte mich nur ratlos anstarren. Ich konnte nicht schlafen, bekam keine Luft mehr, hatte Panik.
Wochenlang Atemprobleme und Beklemmungen. Das muss doch was körperliches sein! Hab mal eben mit dem Rauchen aufgehört und mir selbst (und anderen) eingeredet, das wäre reine Willensstärke gewesen. Es war aber leider nur Angst .
Unzählige Untersuchungen, kopfschüttelnde Ärzte, viel googeln, .. keine Lösung.
Wer suchet, der findet. Diagnose: Schilddrüsenüberfunktion. Heute weiß ich, dass das nichts mit meiner Angst zu tun hatte. Damals war ich froh dass jemand was gefunden hat. Bei der Operation hat man mich dann fast umgebracht (beidseitige Stimmbandlähmung), so dass ich zwei Tage lang nur röchelnd zwischen Sedierung und Panikattacken im Bett lag. Sogar mein 80-jähriger Zimmernachbar hatte Mitleid mit mir . und der hatte Leberkrebs! Nerven haben sich dann aber erholt. Am dritten Tage auferstanden .

Danach war mein Vertrauen in die Ärzte vorerst zerstört. Es wechselten sich lange Phasen ohne Probleme mit Zeiten intensiver Krankheitsängste ab. Meist hatte ich Krebs. Alle möglichen Arten von Krebs. Überall. Zwischendurch auch mal ALS . mann . da hab ich mir fast Krebs gewünscht! Höhepunkt bisher: Herausoperierter Lymphknoten am Hals weil . Verdacht halt. Im Krankenhaus wird gern geschnippelt. War aber eben einfach nur Angst und ein geschwollener Lymphknoten.

Warum Krebs? Mein Vater starb vor 14 Jahren an Krebs. Einem fiesen, kaum heilbaren Krebs den man erst erkennt, wenns schon zu spät ist. Nun hat vor ein paar Monaten meine Schwester den gleichen Krebs bekommen. Angst! Panik! Ist das was erbliches? Kurze Antwort: Ja! Genetisch nachgewiesen. Die Chance dass ich das auch habe: 50% . und tatsächlich: Ich hab diesen schei. auch. Und meine Kinder vielleicht auch . sch.!

Klar, keiner weiß ob ich diesen Krebs auch bekomme . oder wann. Und wenn, ober er früh genug entdeckt wird. Bekomme jetzt wenigstens unter Studienbedingungen(!) jährliche Vorsorgeuntersuchungen. Das erhöht meine Chancen. Trotzdem sind die Aussichten mies. Nach diversen Untersuchungen erstmal Entwarnung. HEUTE hab ich noch nix. Könnte aber jederzeit kommen . oder nie.

Nach der Nachricht über meinen positiven Gentest bin ich zusammengeklappt. Nur noch Angst, Gedankenkreisen, googlen. An Arbeit nicht zu denken. Was mache ich? Sterbe ich bald? Testament geschrieben. Bei Sterbehilfeverein angemeldet. Kliniken rausgesucht. Was sind die neuesten Daten zum Langzeitüberleben. Studie gefunden die mich etwas beruhigt hat . andere Studie gefunden die mich wieder reingerissen hat. Mist, morgen arbeiten. Und die Kids? Ich . kann . nicht . mehr!

Heute, ein paar Tage später, habe ich Lorazepam in der Schublade (erst einmal genommen), Zopiclon auf dem Nachttisch (seit der Nachricht täglich . aber nur 3,7gmg) und eine Einweisung in die Psychosomatische Klinik auf dem Tisch.

Ich konnte mich wieder etwas sammeln, bin aber sehr labil und es genügt ein anhaltender Streit zwischen meinen Kids um meinen Puls wieder hochzutreiben. Ich habe viel über mich und meine langjährige Angststörung nachgedacht. Habe ja schon drei Therapien gemacht . aber alle irgendwie am Thema vorbei. Nur der Schematherapie-Teil der letzten Therapie hat mir wirklich was gebracht. Aktuell bin ich beim ACT-Ansatz und kann mir da viel rausholen. Aber das genügt halt jetzt grade nicht mehr .

Ich musste mir eingestehen, dass ich schnell, intensive Hilfe brauche. Also, ab in die Klinik. Ich wollte das so. Aber meine Ärztin und mein aktueller Therapeut haben mir auch dazu geraten. In ein paar Tagen gehts los. Mein Kopf ist gleichzeitig voll und leer.

Habe meine Familie, ein paar Freunde und meinen Arbeitgeber informiert. Letzterer war natürlich alles Andere als begeistert. Darüber darf ich mir eigentlich keine Gedanken machen. Tue ich natürlich trotzdem. Aber darauf darf ich jetzt einfach keine Rücksicht nehmen.

Wie gehts weiter? Keine Ahnung. Wollte einfach mal meine Story loswerden. Ein paar nette Worte wären toll .
Danke fürs Lesen.

24.02.2024 18:28 • 27.02.2024 x 9 #1


11 Antworten ↓


Ach je, das du in deinem Fall Ängste entwickelt hast ist absolut verständlich. Diese Ungewissheit ob man erkrankt oder nicht ist nicht schön. Gut das du dir Hilfe gesucht hast und es mit der Klinik probierst. Alles Gute für dich, du packst das.

A


Mein Leben mit Hypochondrie & Angstzuständen

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„Psycho“! Wenn du es englisch aussprichst, hört es sich doch ganz cool an.
Ach, und wer ist das nicht, ob nun offiziell oder inoffiziell. Du packst es jetzt an. Das ist stark. Alles Gute.

Immerhin, Du versuchst etwas zu tun und das Ruder in die Hand zu nahmen, statt in ohnmächtige Starre zu fallen. Das ist gut, denn Du brauchst einen Plan und das ist der erste Schritt dahin.

Wünsche dir alles Gute und berichte wie es dir ergeht (wenn Du magst).

Es ist sehr gut das Du Dich dafür entschieden hast, es geht jetzt erst einmal nur um Dich...

Sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht, finde ich ganz wichtig, das erfordert auch Mut

Du gehst jetzt den richtigen Schritt, in dem Du jetzt erst einmal für Dich selbst und für Deine Gesundheit sorgst.

Der wichtigste Mensch, bist jetzt erst einmal Du, musste ich auch erst lernen

LG Schnitzelchen

Richtige Entscheidung! Es wäre schön wenn du hier ab und zu schreiben könntest, was in der Klinik gemacht wird und was dir gut hilft.

@Figurehead deine Schilddrüse wurde operiert bei einer Überfunktion? Da nimmt man doch nur Tabletten? Und den lymphknoten vorsichtshalber raus schneiden finde ich auch krass. Es gab ja keine Indikation oder?

@Britta35 Natürlich nicht wegen der Überfunktion. Die wurde nur ausgelöst von einem (nicht bösartigen) Knoten. In meiner Familie hat kaum noch jemand eine nicht operierte Schilddrüse

@Figurehead warum wurdest du dann operiert wegen einem nicht bösartigen Knoten?

@Britta35 Es ist wohl so, dass Knoten die „aktiv“ sind auch entarten können. Es gab auch noch die Option, den Knoten durch Strahlenbehandlung zu inaktivieren. Ich hab mich halt für die OP entschieden. Dachte es wäre harmlos (5% Risiko für eine einseitige(!) Stimmbandnerv-Reizung). Hab ich mich offensichtlich geirrt

Hi zusammen,
Morgen ist es nun soweit. Jetzt hab ich doch etwas Angst. Werde ich das schaffen? Das ist ein großer Schritt. Ich habe die letzen Wochen und Monate … eigentlich schon seit Jahren keinen Halt und keine Struktur in meinem Leben. Nun wird mein Leben die nächsten 6 Wochen strukturiert und durchgeplant sein. Ich werde lauter tun die ich seit Jahren tun wollte, aber nie getan habe. Und ich werde mich ganz real Dingen stellen, denen ich immer nur in Gedanken begegnet bin. Ich habe Angst, dass wenn ich das jetzt nicht schaffe, ich nie mehr die Kurve kriege.
Ich weiß natürlich, dass das nur ein (guter) Anfang sein kann und dass noch ein langer Weg vor mir liegt.
Ich werde mein Bestes geben.
Drückt mir die Daumen …

Zitat von Figurehead:
Ich habe die letzen Wochen und Monate … eigentlich schon seit Jahren keinen Halt und keine Struktur in meinem Leben.

Dann wird dir das Strukturierte vielleicht grade richtig gut tun. Du brauchst keine Angst zu haben, im Gegenteil.
Sieh' es wie einen Neuanfang bei dem Du dich deinen ganzen Problemen und Dämonen stellst und die Dinge die Du die ganze Zeit vor dir hergeschoben hast endlich in Angriff nimmst.

Meine Geschichte ist natürlich eine andere, aber ich weiss dass ich es als unheimlich erleichternd empfunden habe, als ich - auch mit großen Bedenken - zuerst in die Klinik und später in die Tagesklinik gekommen bin. Weil ich mich endlich mal für kurze Zeit fallen lassen, alle Verantwortung loslassen und mich endlich mal nur um mich und meine Ängste kümmern konnte.

Viel Erfolg und sei zuversichtlich - das wird sich alles finden!

A


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Mira Weyer
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