Vor einem 3/4 Jahr kam sie angekrochen - die Angst. Hinterhältig, wie ich finde, denn ich fühlte mich bis dahin ziemlich widerstandsfähig mit dem, was einem das Leben so auferlegt. Meine Familie ist bereits verstorben, von meinem Mann lebe ich seit 16 Jahren getrennt und das Berufsleben habe ich mit 58 Jahren glücklich beendet. Alles tacko - könnte man meinen Was aber übrig geblieben ist, ist die Einsamkeit. Ich habe nur ein paar oberflächliche weibliche Bekanntschaften, einen Mann wollte ich nicht mehr, weil ich nicht ein weiteres Mal jemanden verlieren wollte. (Aus dem gleichen Grund habe ich mir auch kein Haustier angeschafft. ) Die Arbeitskollegen waren aber nun als Letztes auch noch weggefallen und eine sinnvolle Aufgabe ebenfalls. Ich hatte alles verloren. Da war der Weg frei für Millionen von Gedanken. Ich machte mir Gedanken, wer mir wohl meine Wäsche bringen könnte, müsste ich einmal plötzlich ins Krankenhaus. Wer überhaupt würde mich in meiner Wohnung finden, sollte mir etwas zustoßen? Wer würde meine Wohnung räumen, wenn ich gestorben wäre? Und wohin mit dem ganzen Kram? Wenn ich mit dem Auto auf der Autobahn fuhr, hatte ich Sorge, dass plötzlich ein Auto von der Gegenfahrbahn auf mich stürzt. Alle paar Tage sprach ich mit mir selbst, um zu prüfen, ob meine Stimme noch war, denn ich sprach ja mit niemandem sonst. Wenn ich in den Spiegel sah, sah ich eine ältere Frau. Ich fühlte mich fremd in der faltigen Hülle aus Haut, weil ich mich doch noch so gut an frischere Zeiten erinnern konnte. Manchmal guckte ich sehnsüchtig aus dem Fenster und sah, wie die Leute ihrer Wege gehen: zur Arbeit, zum Joggen. Ich sah die Weihnachtsdeko in den Fenstern und mir stiegen die Tränen in die Augen, weil es ein Fest der Familie ist, die ich nicht mehr habe.
Ich glaube, dass mir mein jetziges Leben, was eigentlich augenscheinlich so schön sein könnte, Angst macht. Es geht an mir vorbei, vor lauter Angst. Mein Herz klopft bis zum Hals, mein Puls rast und ich spüre ein inneres Vibrieren, so wie damals als Kind, als ich soviel Angst hatte, wenn meine Eltern sich heftig stritten. Schon damals hatte ich niemanden, der mich beschützt und mir hätte helfen können. Jetzt ist es wieder so. Ich fühle mich schutzlos und sehr allein. Aber ich möchte auch wieder stark werden und die Angst, die mich gerade so sehr besetzt, wieder loswerden. Noch habe ich keine Ausweg gefunden - aber ich suche.
Ich habe schon viel hier mitgelesen und mir ein paar Ratschläge zu Herzen genommen, hoffe aber auch noch auf die zündende Idee für mich, wie ich aus dem Karussell meiner Gedanken aussteigen kann.
17.04.2020 13:23 • • 23.04.2020 x 5 #1