Ich leide seit meinem 11. Lebensjahr an Ängsten (Versagensängste, Zukunftsängste, Angst nicht geliebt zu werden, Angst vorm Erbrechen) und Panikattacken, wobei Letztere eigentlich seit einigen Jahren fast nicht mehr existent waren.
Ich habe mich mit Hilfe von Therapie und Antidepressiva durch mein bisheriges Leben gewurstelt und bin mal mehr und mal weniger gut klar gekommen. Nun bin ich 30 Jahre alt und habe vor einem Jahr nochmal neu angefangen und ein Studium (Grafik/Design) begonnen, da mein bisheriger Job (kaufmännischer Bereich) für mich nicht mehr erträglich war. Das erste Semester lief auch echt gut und ich war zufrieden, aber im zweiten Semester kam es leider zu drei Vorfällen bei denen ich unter extremer Panik litt:
Der Erste war eine Gruppendiskussion, die ich leiten musste und die auf Kamera aufgezeichnet wurde. Das hat mich extrem unter Druck gesetzt und zudem musste ich zu Beginn eine kleine Präsentation halten und ich HASSE es vor Menschen Vorträge zu halten. Mir ging es den ganzen Tag schlecht und es kam sogar dazu, dass ich in der Uni in Tränen ausgebrochen bin. Meine Teamkollegen waren zum Glück verständnisvoll und haben mich aufgemuntert. Allerdings verschlechterte es sich während der Diskussion wieder so extrem, dass ich das Gefühl hatte gleich umzukippen (Schwindel, Übelkeit, Kälte, Zittern, etc.). In der Pause nach der ersten Stunde, musste ich dann abbrechen und eine Teamkollegin übernahm. Das war mir total unangenehm und peinlich. Es dauerte noch zwei Stunden bis ich mich danach wieder so weit beruhigt hatte, dass ich heimfahren konnte.
Die zweite Situation war eine weitere Präsentation, genauer gesagt eine Präsentationsprüfung am Ende des Semesters. Ich war so nervös, dass ich morgens extremen Durchfall hatte. Ich habe das leider immer wieder, gepaart mit starken Krämpfen und Übelkeit, bis hin zum Kreislaufkollaps. Ich kippe zwar nie um, sehe aber immer Sternchen und mir wird eiskalt (tippe mal auf Reizdarm?). Ich muss mir dann kaltes Wasser über die Handgelenke laufen lassen (zum Glück ist ein Waschbecken in Reichweite) um den Kreislauf wieder zu stabilisieren. Dieses Szenario wirft mich dann nervlich leider immer so extrem aus der Bahn, dass ich meist in Tränen ausbreche und zu Hause bleibe. So war es leider auch in diesem Fall. Zum Glück habe ich den Kurs dennoch bestanden, da es sich um ein Gruppenprojekt mit einer Gruppennote handelte, aber dennoch kann das natürlich nicht so weiter gehen, da ich noch einige Prüfungen dieser Art vor mir haben werde.
Der dritte Vorfall ereignete sich dann bei einer mündlichen Prüfung ein paar Wochen später. Ich schlief ohne Probleme ein und wachte dann mitten in der Nacht mit Panik und Herzrasen auf. Einfach so. Ich schaffte es kaum mich zu beruhigen und musste zudem stündlich auf die Toilette (wieder der Darm). Am morgen war ich total übermüdet, hatte Kopfschmerzen und konnte mich kaum konzentrieren. An der Uni wurde die Angst wieder schlimmer und ich hatte erneut das Gefühl ohnmächtig zu werden. Da ich weiß, dass Davonrennen keine Lösung ist und ich zudem die Prüfung nicht dieses Semester wiederholen wollte, zwang ich mich es durchzuziehen. Es lief auch gut, auch wenn ich ständig das Gefühl hatte, mich übergeben zu müssen. Als es vorbei war bestand ich quasi nur noch aus Freude und Glückshormonen, weil ich so erleichtert war.
Nun, seit diesen Situationen sind meine Ängste wieder enorm getriggert. Ich hatte das letzte Mal vor über 10 Jahren so schlimme Panikattacken und habe keine Ahnung, wo das plötzlich wieder herkommt und es macht mich echt fertig. Ich habe jetzt ständig Angst, dass es wieder passieren könnte - selbst in Situationen, in denen ich nicht mal in einer Prüfung bin!
Heute wäre die erste Vorlesung, aber ich bin nervlich schon wieder so am Ende, dass ich Angst habe, man könnte es mir ansehen. Kennt ihr dieses Gefühl? Ich habe in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht, wenn ich Leuten von meiner Erkrankung (Depression/Ängste) erzählt habe, wurde deswegen sogar ein Mal gekündigt. Deswegen versuche ich es meist geheim zu halten. Ich schäme mich nicht dafür, aber die Gesellschaft und insbesondere die Arbeitswelt, ist offensichtlich nicht in der Lage damit fair umzugehen.
Wenn es mir aber so schlecht geht, wie momentan, ist es natürlich extrem anstrengend die Fassade aufrecht zu erhalten und die heutige Veranstaltung ginge über 8h (+1h Mittagspause und je 1h Hin- und Rückfahrt). Das macht mir Angst. 8h zusammenreißen und nichts anmerken lassen. Wenn ich so angespannt bin, reicht manchmal nur der traurige Blick einen Menschen und die Frage Ist alles ok? um mich in Tränen ausbrechen zu lassen. Und das wäre für mich der persönliche Supergau, einfach weil ich Angst vor den Fragen und Blicken der Anderen habe.
Gibt es hier vielleicht irgendjemanden, dem es ähnlich geht und der mir Tipps geben kann, wie ich es schaffe mein Angstlevel wieder runterzufahren? Vor allem auch, wie ich es schaffe dennoch halbwegs vernünftig zu schlafen?
Durch die jahrelange Therapie weiß ich theoretisch alles über Angst und was ich tun muss um sie zu besiegen, aber ich schaffe es einfach nicht in der entsprechenden Situation das praktisch umzusetzen. Ich bin da so gefangen in meinen Gedanken und meiner Routine, die ich leider seit Jahren trainiert habe, dass es mir fast unmöglich scheint daraus auszubrechen. Vielleicht hat ja irgendwer einen Hinweis abseits des üblichen Autogenen Trainings, Musik hören, Sport, etc.? Ich weiß gerade echt nimmer weiter und ich muss einen Weg finden, wie ich das wieder in den Griff bekomme...
Danke und Grüße!
white_cat
04.10.2016 08:02 • • 20.02.2022 #1