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Es gibt häufig Dinge bei denen andere nicht verstehen können, was sie in mir auslösen.
Ich habe an meinem Rennrad rumgeschraubt und bekomme das Problem nicht gelöst. Das ganze macht mich regelrecht panisch, weil ich Angst habe etwas falsch zu machen oder das ich es kaputt repariert habe. Das ganze führt bei mir gerade zu zu Unruhezuständen. Ich fühle mich wie der letzte Versager und wie ein Idiot. Da ist keine Zuversicht, nur Angst wegen einem dummen materiellen Ding. Ich fühle mich meiner Angst so ausgeliefert.

21.09.2022 11:05 • 25.10.2022 x 2 #1


6 Antworten ↓


Hallo Kerzenschein,

hast du Angst, dass Außenstehende dich für unfähig halten, das Rad zu reparieren? Und wenn dein Rad kaputtgehen würde, wäre das ein großer Schaden für dich? Hast du jemanden, den du fragen kannst oder möchtest du solche Dinge lieber selbst schaffen?

A


Angstzustände ausgelöst durch kleine Probleme

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Zitat von Kerzenschein:
Angst habe etwas falsch


Gut, dann kann man an dieser Angst doch arbeiten. Man kann sich fragen, was so schlimm ist, Fehler zu machen, kann weiterdenken, und reale Konsequenzen bei Fehlern suchen. Kann Abwägen, ob man sich Fehler leisten kann, oder nicht, kann das Bike zum Kundendienst bringen, kann im Inet nach Lösungen suchen, kann nen Freund fragen, kann sich ein neues Rad kaufen......

Und kann erkennen, dass Stress Angst auslöst. Und manchmal ist man auch blöd, auch das kann man akzeptieren. Sprich, man kommt zum Schluss, dass alles gelöst werden kann, wenn man in aller Ruhe drüber nachdenkt.

Ich glaube mein Problem liegt wirklich darin, dass ich Angst habe Fehler zu machen. Wie kann ich da nur lockerer werden? Ein Bekannter hat sich das Rad angeschaut und mir geholfen. Es ist alles gut. Finanziell ist es für mich auch kein Problem. Ich habe Angst vor Fehlern, Verantwortung und das ich alles kaputt gemacht habe. Besonders im beruflichen Bereich bleibe ich deshalb unter meinen Möglichkeiten. Mir fehlt das Vertrauen in mich und das alles gut wird.

Zitat von Kerzenschein:
Mir fehlt das Vertrauen in mich und dass alles gut wird.

Das könnte als Diagnose durchgehen...

Solange wir gut und schlecht nicht hinterfragen, laufen wir immer einem Ideal hinterher oder vor einem worst case davon.

Zuerst bleibt festzuhalten, dass mittelbar wir selbst es sind, die diese Kategorien aufstellen. Somit könnte man meinen, dass wir unser Bewertungs- und damit unser Orientierungszepter eigentlich in der Hand hätten, aber leider fühlt sich das oft überhaupt nicht so an. Warum ist das so?

Unsere (vermeintliche) Beurteilungsautonomie unterliegt ständig wechselnden Einflüssen. Nahezu alle Sinneseindrücke bedingen sie, aber vor allem

- Dinge, die wir sehen und
- Geräusche (Worte), die wir hören.

Wir lernen also täglich, was gut und schlecht ist, aber weitaus wichtiger ist, dass wir in diesem Zuge auch lernen, dass es gut und schlecht überhaupt gibt! Als Kind erfuhren wir, was richtig und falsch ist, im Religionsunterricht hörten wir von Sünde und Heiligkeit. Und in den Nachrichten wird zunehmend auch weniger über Inhalte berichtet, sondern Bewertungskategorien vermittelt. Das alles führt(e) dazu, dass wir zunehmend stets in Ist- und Soll-Zuständen denken.

Ein defektes Rad ist schlecht und soll wieder gut werden (funktionieren).
Jemand der Radfahrer ist, soll sein Rad auch selber reparieren können, sonst ist er von anderen abhängig, was grundsätzlich wieder schlecht ist usw.

Auch wenn sich das überspitzt und zu detailiert liest, schildert es doch unsere alltägliche Wahrnehmungs- und Denkweise. Das führt dazu, dass immer etwas nicht passt, es muss immer etwas verändert werden um... oder es muss wieder der alte Zustand hergestellt werden, weil...usw. Das ganze greift nicht nur in die Umwelt ein, sondern auch (und vor allem!) in unser Selbstbild: eine ganze Heerschaft von Anforderungen müssen täglich erfüllt werden, um uns vor uns selber gut und daseinsfähig zu fühlen. Im Laufe des Lebens wird das zur Gewohnheit, zur Sucht. Ohne Bestätigung haben wir das Gefühl, wir würden nicht genügen, wären Versager...

Wie schön und befreiend ist es, hin und wieder das Werkzeug hinzulegen und aufzugeben, anzuhalten, den Kampf zu beenden - und zu erleben: alles ist gut, so wie es ist.

Zitat von Kerzenschein:
Ich glaube mein Problem liegt wirklich darin, dass ich Angst habe Fehler zu machen.

Das habe ich auch, aber nur, wenn die Fehler andere Leute betreffen bzw. wenn andere es merken. Wenn ich das Rad von jemand anderem reparieren würde und einen Fehler machen würde, wäre mir das furchtbar peinlich. Aber wenn es sich um meine eigenen Angelegenheiten handelt und niemand da ist, dem der Fehler auffallen würde, ist mir das egal.

Hallo,
ich hatte früher auch als Anteil meiner generalisierten Angststörung die Sorge vor Fehlern (Perfektionismus). Obwohl mir diesen Perfektionismus weitestgehend abgewöhnt habe, ist meine Angststörung geblieben. Ich sehe heute viel deutlicher, das hinter meinen Störungen, die in stressigen Phasen ausgelöst werden, oftmals sehr tief liegende Verlustängste, Versagensängste, und Isolationsängste, also Angst vor Einsamkeit, wirken. Es geht oft weniger um die Anspannung, mit der wir einer Fahrradreparatur entgegen sehen, sondern um Gefühle, die diese Anspannung erzeugen. Und dass wir noch nicht in der Lage sind, diese Gefühle anzunehmen und ihnen eine Heimat zu geben. Dann wirken sie eben oftmals unbewusst und eigenwillig, oft auch gegen den eigenen Willen. Ich hätte mir vor zwanzig Jahren auch nicht vorgestellt, dass das so tief gehen kann. Aber heute finde ich das faszinierend und in gewisse Sinne eine Lebensaufgabe, der ich mich zu stellen versuche.





Mira Weyer
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