Zitat von Kerzenschein: Mir fehlt das Vertrauen in mich und dass alles gut wird.
Das könnte als Diagnose durchgehen...
Solange wir gut und schlecht nicht hinterfragen, laufen wir immer einem
Ideal hinterher oder vor einem
worst case davon.
Zuerst bleibt festzuhalten, dass mittelbar
wir selbst es sind, die diese Kategorien aufstellen. Somit könnte man meinen, dass wir unser Bewertungs- und damit unser Orientierungszepter eigentlich in der Hand hätten, aber leider fühlt sich das oft überhaupt nicht so an. Warum ist das so?
Unsere (vermeintliche) Beurteilungsautonomie unterliegt ständig wechselnden Einflüssen. Nahezu alle Sinneseindrücke bedingen sie, aber vor allem
- Dinge, die wir sehen und
- Geräusche (Worte), die wir hören.
Wir lernen also täglich, was gut und schlecht ist, aber weitaus wichtiger ist, dass wir in diesem Zuge auch lernen,
dass es gut und schlecht überhaupt
gibt! Als Kind erfuhren wir, was richtig und falsch ist, im Religionsunterricht hörten wir von Sünde und Heiligkeit. Und in den Nachrichten wird zunehmend auch weniger über Inhalte berichtet, sondern Bewertungskategorien vermittelt. Das alles führt(e) dazu, dass wir zunehmend stets in Ist- und Soll-Zuständen denken.
Ein defektes Rad
ist schlecht und
soll wieder gut werden (funktionieren).
Jemand der Radfahrer
ist,
soll sein Rad auch selber reparieren können, sonst ist er von anderen abhängig, was grundsätzlich wieder schlecht ist usw.
Auch wenn sich das überspitzt und zu detailiert liest, schildert es doch unsere alltägliche Wahrnehmungs- und Denkweise. Das führt dazu, dass
immer etwas nicht passt, es muss immer etwas verändert werden
um... oder es muss wieder der alte Zustand hergestellt werden,
weil...usw. Das ganze greift nicht nur in die Umwelt ein, sondern auch (und vor allem!) in unser Selbstbild: eine ganze Heerschaft von Anforderungen müssen täglich erfüllt werden, um uns vor uns selber gut und daseinsfähig zu fühlen. Im Laufe des Lebens wird das zur Gewohnheit, zur Sucht.
Ohne Bestätigung haben wir das Gefühl, wir würden nicht genügen, wären Versager...
Wie schön und befreiend ist es, hin und wieder das Werkzeug hinzulegen und aufzugeben, anzuhalten, den Kampf zu beenden - und zu erleben: alles ist gut, so wie es ist.