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Guten Abend zusammen,
kurz zu mir - ich habe seit ein paar Jahren Depressionen und eine Sozialphobie . Seit einem Jahr mache ich eine Verhaltenstherapie. Meine Therapeutin finde ich eigentlich super, sie versteht mich, wir können uns auf einer Augenhöhe unterhalten und ich denke grundsätzlich schon, dass sie sich gut auf mich einstellen und mir helfen kann oder will.

Allerdings kamen wir letztens darauf zu sprechen, dass ja der Therapiebeginn schon ein Jahr her ist und wir mal schauen müssen, welche Fortschritte wir bisher gemacht haben und wie wir weiter machen usw. und da ist mir aufgefallen, dass sich eigentlich nichts an meiner Problematik geändert hat. Also die Sozialphobie ist in keiner Hinsicht besser geworden, bzw. habe ich daran schon selbstständig gearbeitet bevor die Depression zu schlimm wurde (also ich nicht mehr rausgehen und Sachen unternehmen konnte). Und was die Depression angeht hatte ich unbehandelt auch mal gute und mal schlechte Phasen, aber das ist jetzt auch unverändert, also was ich in der Therapie lerne hat praktisch keinen Einfluss auf meinen Alltag.

Ich nehme auch Antidepressiva seit ein paar Monaten, die haben am Anfang super gut geholfen (also da war ich selbstbewusst und voller Energie und nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen), aber das ist auch schon wieder vorbei. Probiere gerade mit meinem Arzt, ob die Dosis zu erhöhen was bringt, aber wahrscheinlich muss ich wieder das Medikament wechseln.

Tja, und damit bin ich ziemlich verzweifelt, meine Therapeutin wollte auch nicht, dass ich mir zu große Hoffnungen mache mit alldem, aber ich bin ja noch ziemlich jung und weiß gar nicht, wie ich diese Gefühlslage noch die nächsten 40 Jahre aushalten soll.

Wie geht ihr mit so einer aussichtlosen Lage um bzw. was könnt ihr mir raten?

14.10.2021 19:18 • 15.10.2021 x 1 #1


5 Antworten ↓


Es gibt gute Phasen und auch schlechte Phasen. Ganz wichtig ist das du selber was gegen deine Angst tun musst, dich deinen Ängsten stellen und èrst verlassen wenn die Angst weniger wird. Die Verhaltenstherapie und die Antidepressia sind NUR eine Unterstützung.
Ich zum Beispiel bin nur noch abends einkaufen gegangen, jetzt gehe ich zu Stosszeiten einkaufen um mich zu konfrontieren. DU musste an Dir arbeiten damit es klappt, da unterstützt Dich die Therapie und Antidepressia nur.

A


Therapie hilft mir nicht - wie geht es weiter?

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Hallo dylania,

Zitat von dylania:
Wie geht ihr mit so einer aussichtlosen Lage um bzw. was könnt ihr mir raten?

Deine Lage ist nicht aussichtslos. Du kannst viel erreichen, viele Deiner Symptome können besser werden. Es braucht nur alles seine Zeit. Und es braucht Akzeptanz gegenüber der eigenen Erkrankung und viel Geduld mit sich selber. Leider haben viele psychische Erkrankungen die unangenehme Eigenart, ziemlich hartnäckig zu sein, und es braucht einfach seine Zeit, bis sich wahrnehmbare Verbesserungen einstellen. Ein Jahr ist bei psychischen Erkrankungen keine lange Zeit, und oftmals dauert es, bis sich die gewünschten Veränderungen Stück für Stück einstellen.

Geh' Deinen Weg einfach weiter, Du machst imho schon vieles richtig. Du machst Therapie, Du bist in medikamentöser Behandlung, das machst Du alles gut. Ich glaube, Du wünscht Dir (was auch total verständlich ist) zu viel auf einmal. Gib' Dir die Zeit, die es braucht.
Probleme, die über 26 Jahre hinweg entstanden sind, können sich nicht (oder eher selten) in nur einem Jahr auflösen. Verbesserungen im Bereich psychischer Erkrankungen sind oftmals sehr kleinschnittig und sehr subtil.

Zitat von dylania:
habe ich daran schon selbstständig gearbeitet

Das ist genau der Weg, Therapie ist immer nur Hilfe zur Selbsthilfe. Therapie kann einen immer nur für eine gewisse Zeit begleiten, man bekommt Anregungen und Hilfestellungen, die eigene Selbstfürsorge und die eigene Selbsthilfe zu verbessern. Die eigentliche Veränderung entsteht immer nur durch selbstständige Arbeit an Dir selber. Die Therapeutin kann Dir Gedankenanstöße angeben, kann Dir Tipps geben, wie Du Deine Selbsthilfe verbessern kannst. Sie kann Dir den Weg zeigen, den Weg gehen musst Du selber. Und wenn Du schreibst, dass Du das bereits tust und Dir bereits selbstständig Dinge erarbeiten kannst, ist das doch schonmal eine tolle Sache! Und wenn das bereits funktioniert, ist ja auch das Therapieende, das irgendwann kommt, nicht mehr so bedrohlich oder erschreckend. Ich habe schon sehr oft gehört, dass Menschen mir erzählt haben, dass sie das Gefühl haben, ihr/e Therapeut/in würde ihr/ihm ja gar nicht helfen und er/sie müsse ja irgendwie alles alleine machen, aber nur so funktioniert Therapie im Endeffekt. Hilfe zur Selbsthilfe. Und darum kann es auch (abhängig vom Krankheitsbild) durchaus sinnvoll sein, nach einer gewissen Zeit die Therapieform und den Therapeuten zu wechseln, um nochmal anderen Input zu bekommen. Das Ende der Verhaltenstherapie bei Deiner aktuellen Therapeutin muss ja nicht das Ende Deines therapeutischen Weges sein.

Zitat von dylania:
also was ich in der Therapie lerne hat praktisch keinen Einfluss auf meinen Alltag.

Natürlich kann das (theoretisch) sein, und das täte mir sehr leid für Dich, aber vielleicht ist es auch so, dass Du bestimmte Veränderungen nur noch nicht bemerkt hast oder nicht mit der Therapie in Verbindung gebracht hast. Man unterhält sich in der Therapie ja mit einem Menschen vom Fach, der einem ständig gedankliche Impulse gibt. Diese können über die Zeit Deine Gedanken und Handlungsmuster verändern, aber das ist ein sehr subtiler Vorgang, der kaum merklich abläuft und der einem oftmals nicht wirklich bewusst ist.

Therapie kann einen Einfluss darauf haben, wie Du mit bestimmten Symptomen Deiner Erkrankung umgehst, nur wird sie sehr wahrscheinlich die Erkrankung in vielen Fällen nicht zum Verschwinden bringen. Bei bestimmten Erkrankungen werden gewisse Symptome bleiben, man kann nur mit der Zeit lernen, anders mit diesen umzugehen:
Zitat von dylania:
Und was die Depression angeht hatte ich unbehandelt auch mal gute und mal schlechte Phasen, aber das ist jetzt auch unverändert,

Das wird vermutlich auch so bleiben. Die Therapie kann Dir nur die Werkzeuge an die Hand geben, mit den schlechten Phasen anders/besser umzugehen, Dich davon nicht so runterziehen zu lassen, ein ruhigeres Verhältnis zu diesen Phasen zu bekommen, also diese besser akzeptieren zu können und nicht noch zusätzlich darüber zu verzweifeln, dass sie da sind. Und wenn es gut läuft, gehen die schlechten Phasen vielleicht schneller vorbei oder kommen seltener, nur dass sie ganz ausbleiben, ist bei Depressionen zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich.

Zitat von dylania:
aber das ist auch schon wieder vorbei. Probiere gerade mit meinem Arzt, ob die Dosis zu erhöhen was bringt, aber wahrscheinlich muss ich wieder das Medikament wechseln.

Auch das ist bei psychischen Erkrankungen nicht ungewöhnlich. Bei vielen psychischen Erkrankungen gehört eine beständige Anpassung der Dosierung und auch mehrere Medikamentenwechsel mit dazu, der Körper passt sich halt leider an viele Medikamente an, die dann nicht mehr so gut wirken, auch das ist leider Alltag bei vielen psychischen Erkrankungen. Auch hier hilft im Endeffekt nur Akzeptanz.

Was ich sagen möchte: Verliere nicht den Mut, geh' Deinen Weg weiter, Du machst schon sehr viel richtig. Verliere nicht den Glauben daran, dass Deine Symptome sich bessern können, denn das können sie, es braucht nur vielleicht einfach länger, als Du ursprünglich mal gedacht hast. Über die Zeit wird es besser werden, aber bei psychischen Erkrankungen kann diese Zeit halt einfach etwas länger sein, als man ursprünglich vielleicht mal dachte.

Alles Gute!

LG Silver

Willkommen @dylania ,

ein Jahr Verhaltenstherapie ohne Fortschritt finde ich persönlich bedenklich. Das hat aber höchstwahrscheinlich nicht allzu viel mit Dir zu tun sondern eher mit der Therapieform. Obschon VT bei Phobien gerne angewandt werden, sehe ich deren Erfolgsaussicht bei Depressionen eher niedrig. Zumindest würde mir das so gehen. Ich sehe da tiefenpsychologische Therapien als deutlich wirksamer an. Da ich Depression als pathologisch schwerwiegender einstufe als eine Sozialphobie, würde ich diese auch therapeutisch an die erste Stelle setzen. Sie alleine mit Psychopharmaka parallel zur VT mit zu behandeln, reicht aus meiner Erfahrung idR nicht.

Diesbezüglich wäre es interessant, ob die Sozialphobie vor der Depression entstand oder nachher?

Zitat von moo:
Da ich Depression als pathologisch schwerwiegender einstufe als eine Sozialphobie, würde ich diese auch therapeutisch an die erste Stelle setzen. Sie alleine mit Psychopharmaka parallel zur VT mit zu behandeln, reicht aus meiner Erfahrung idR nicht.

Das sehe ich auch so. Es ist so ein bisschen wie die Frage nach der Henne und dem Ei, inwieweit sich die beiden Erkrankungen evtl. gegenseitig bedingen und verstärken.
Und das meinte ich auch damit, dass Dein therapeutischer Weg ja nicht bei dieser Therapeutin und dieser Therapieform enden muss, Du hast ja weiterhin viele Möglichkeiten offen, auch andere Therapieformen und Therapeuten auszuprobieren. Nach Beendigung der VT kannst Du mit einem anderen Therapeuten eine tiefenpsychologische Therapie bei einem anderen Therapeuten beantragen, vielleicht hilft Dir das eher weiter und diese Therapieform sagt Dir eher zu.

Auf jeden Fall ist Deine Lage nicht hoffnungslos. Dir stehen noch viele Möglichkeiten offen, die Du noch nicht probiert hast. Es dauert vielleicht alles etwas länger, als Du Dir ursprünglich mal erhofft hast, aber Therapie ist, gerade bei schwereren Erkrankungen, eher ein Marathon als ein Sprint. Man braucht viel Durchhaltevermögen und Geduld.

LG Silver

Zitat von silverleaf:
Therapie ist immer nur Hilfe zur Selbsthilfe. Therapie kann einen immer nur für eine gewisse Zeit begleiten, man bekommt Anregungen und Hilfestellungen, die eigene Selbstfürsorge und die eigene Selbsthilfe zu verbessern. Die eigentliche Veränderung entsteht immer nur durch selbstständige Arbeit an Dir selber. Die Therapeutin kann Dir Gedankenanstöße angeben, kann Dir Tipps geben, wie Du Deine Selbsthilfe verbessern kannst. Sie kann Dir den Weg zeigen, den Weg gehen musst Du selber.

sehr gut geschrieben





Prof. Dr. med. Thomas Hillemacher
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