Pilongo
Erst war Alles klasse, ich hab von meinen erfolgen erzählt, der Therapeut war ganz stolz. Dann hab ich über Papas Tod gesprochen.
Ich hab mir inzwischen viele Gedanken zu dem Thema gemacht, und hab begonnen, mir zu versuchen, seine Hirnblutung zu erklären.
Ich dachte mir das am Ende dann so: Er hat jeden Tag eine Schachtel Zig. geraucht, er trieb kaum Sport, arbeitete an 6 Tagen die Woche und schlief manchmal nur 4 Stunden am Tag. Kein Wunder, dass sich das früher oder später rächt. Es war halt nur blöd, dass es genau das Gehirn getroffen hat. Okay, soweit, sogut.
Der Therapeut hat mir diese Erklärungen dann zunichte gemacht, denn das alleine bewirke auch noch keine Hirnblutung, meinte er. Er hat mir dann ganz genau erklärt, wie Blutungen entstehen, was da mit den Gefäßen passiert, und hat mir von anderen Patienten berichtet, die teilweise gelähmt sind oder bloß so vor sich hin vegetieren und nichts mehr wahrnehmen nach der Hirnblutung.
Und seitdem ist die Angst wieder da wie ganz am Anfang.
Diese Barriere, dieser Schutz den ich hatte, zu denken, dass es mich nicht treffen kann, der ist jetzt weg. Jetzt denke ich wieder: Ich komme eh so sehr nach dem Papa, ich hab 20 Jahre lang passiv bei ihm mitgeraucht, hatte Chemo.. das muss mich doch krank machen!
Ich versuch dann dagegen zu steuern indem ich sage: Das ist doch lächerlich, kein Mensch stirbt, nur, weil seine Eltern sterben. Das ist Schwachsinn. Oder: Die Wahrscheinlichkeit, an einem Autounfall zu sterben, ist viel höher als das mit der Hirnblutung. Vorm Autofahren hast du doch auch keine Angst! Aber die Angst sitzt wieder ganz tief.
Sogar meine Wunderwaffe Sport hat gestern nichts gebracht, danach war ich dann zwar beruhigt und erholt, zufrieden eben, aber dadurch, dass ich davor wieder so innerlich aufgedreht war kam mir dieser Zustand so abnormal vor, dass ich begonnen hab, ständig meinen Puls zu kontrollieren und Sachen zu denken wie Gleich kippst du um, Hier und jetzt holt's dich jetzt usw.
Ich hatte sogar wieder das Bedürfnis, ins Krankenhaus zu fahren und mich sofort durchchecken zu lassen.
Heute Nacht kam die Panik richtig in Schüben, wie lange nicht mehr.
Heute morgen hab ich durch Meditation der Angst Einhalt bieten können, und konnte auch nochmal etwas schlafen. Aber jetzt, kurz nach dem Aufstehen, ist sie auch wieder da.
Mann, das nervt.
Ich will jetzt auch endlich mal den Labor-Bericht haben, ob mein Papa eine erblich bedingte Schwäche für sowas hatte. Das zerfrisst mich langsam auch innerlich, diese Ungewissheit. Hab direkt gestern unseren Hausarzt das Papier nochmal anfordern lassen, aber das haben die nun schon dreimal gemacht und es kommt einfach nichts zurück! Nichtmal eine Antwort. Und wenn wir anrufen, werden wir übers Ärztegeheimnis blablabla abgewimmelt. Bin kurz davor, selber hinzufahren und endlich Klarheit zu schaffen. Denn das ist eine enorme Ungewissheit, die mir gestern bei dem Gespräch auch nochmal richtig bewusst wurde.
Jetzt werde ich einfach meine Schiene weiter fahren und mich so gut als möglich ablenken. Erstmal gut frühstücken, schöne Musik hören, und dann raus, ab zum Baumarkt, Farbe kaufen fürs Zimmer-Renovieren.
Hab gestern schon angefangen mit Streichen und so ne einfache Arbeit, etwas Bewegung, und man sieht sofort, was man geleistet hat -das tut auch gut.
Später mach ich, trotz des Erlebnisses gestern, auch wieder meine 30 Minuten Radfahren. Ich werd bestimmt nicht in dieses Vermeidungsverhalten zurück fallen, dafür war ich schon zu weit.
Aber es ärgert mich, dass das Gespräch gestern die Ängste wieder hervor geholt hat. Ich weiß auch nicht, woran es liegt. Vielleicht an dem Labor-Befund, der immer noch unklar ist für mich, oder einfach daran, dass der Therapeut meinen Schutz so niedergerissen hat.
Vielleicht fang ich auch einfach jetzt erst an, den Tod richtig zu verarbeiten, wo die Angst wegen dem Abi weg ist und meine Gedanken wieder frei davon sind.
So, das musste jetzt mal von der Seele weg.
Danke fürs Durchlesen.
Grüße,
Pilongo
15.05.2009 06:34 • • 16.05.2009 #1