Hallo Joe,
ich finde Deine Frage sehr interessant und gleichzeitig sehr schwierig zu beantworten.
Der berufliche Hintergrund der Leute, die sich zum psychologischen Heilpraktiker ausbilden lassen, ist ja sehr unterschiedlich. Viele sind Quereinsteiger aus anderen Berufen, da kann man Glück haben oder Pech. Ich kenne z.B. diverse Lehrer und Krankenschwestern, die die Prüfung gemacht haben, und ich weiß sogar von Psychologen, die während des Studiums die Prüfung gemacht haben, einfach nur so, um schonmal einen Abschluss zu haben. Es gibt ja keine standartisierte Ausbildung, man kann sich auch komplett alleine das Wissen anlesen und sich dann einfach zur Prüfung anmelden. Ich habe mir aus Interesse mal die Unterlagen kommen lassen und die Prüfungsvorbereitungsliteratur gelesen, da kann ich nur sagen, das Wissen, das man da braucht, ist wirklich kaum der Rede wert, wer sich als interessierter Patient während der Therapie vom Therapeuten Literatur empfehlen lässt, hat schon einen Großteil des Wissens, das man da braucht.
Ich würde mir also den Lebenslauf des entsprechenden Heilpraktikers genau ansehen. Ich kenne zum Beispiel eine Co-Therapeutin, die jahrzehntelang in einer psychosomatischen Klinik die Patienten auf Station betreut hat, somit zigtausend Einzeilgespräche geführt und an ebensovielen Teambesprechungen teilgenommen hat, die ist von ihrem Erfahrungsschatz her besser ausgebildet als so mancher ärztlicher Psychotherapeut. Zu der würde ich sofort gehen.
Einschränkung: konkrete Traumatherapie würde ich immer nur mit psychologischen Psychotherapeuten mit entsprechender Zusatzausbildung machen, ohne Ausnahme. An mein Trauma (PTBS (komplex)) lasse ich niemanden sonst heran.
Es fragte ja jemand, was der Unterschied ist:
Ein Heilpraktiker hat quasi kaum Ausbildung, der hat nur diese Heilpraktikerprüfung abgelegt, wie er sich das Wissen angeeignet hat, ist ihm überlassen.
Psychotherapeuten gibt es zwei verschiedene Sorten, aber beide haben studiert, der eine Medizin, der andere Psychologie. Dann spezialisieren sich beide, der eine wird ärztlicher Psychotherapeut, der andere psychologischer Psychotherapeut (nicht jeder, der Psychologie studiert, wird auch Therapeut, nicht jeder Psychologe ist Therapeut). Der Unterschied dieser beiden Ausbildungen besteht in der Anzahl an Einzeltherapiestunden, die beide abzuleisten haben, bis sie fertig sind. Der ärztliche Psychotherapeut hat nur einen kleinen Bruchteil der Therapiestunden nachzuweisen, die ein psychologischer Psychotherapeut ableisten muss, darum sind in der Regel die psychologischen Psychotherapeuten die besseren Gesprächstherapeuten, da sie viiiiel, viel mehr Erfahrung haben, die ärztlichen Psychotherapeuten sind oftmals eher Ärzte als Gesprächstherapeuten. Auch da gibt es natürlich fähige Leute, die viel Empathie haben und gute Gespräche führen können, in der Regel ist klassische Gesprächstherapie (egal, ob Tiefen- oder Verhaltenstherapie) aber beim psychologischen Psychotherapeuten besser aufgehoben.
In Kliniken hat man oftmals gemischte Teams, die beide Sorten haben. Da betreuen die psychologischen Psychotherapeuten bis zu 90% der Patienten bezugstherapeutisch, die ärztlichen Psychotherpeuten betreuen die meisten Patienten eher medizinisch, zwar haben die auch mal einen Bezugspatienten, aber oftmals nur einen oder vielleicht zwei, während die psychologischen Psychotherapeuten oftmals 8-10 Patienten bezugstherapeutisch betreuen. So geht die Erfahrungs-Schere auch immer weiter auseinander.
Darum würde ich schwere Symptomatiken wie Traumafolgestörungen immer nur von psychologischen Psychotherapeuten behandeln lassen, da die hunderte und tausende von Stunden Erfahrung haben (aufbauend auf einem fundierten Studium). Auch die Weiterbildung zum qualifizierten psychologischen Trauma-Therapeuten setzt nochmal eine Zusatzausbildung mit vielen, vielen Stunden Einzeltherapie voraus.
So viel zur Ausbildung. ABER wir reden ja hier von Psychotherapie, einer komplexe Interaktion zwischen zwei Menschen, und da spielen soooo viele Faktoren eine Rolle. Die Ausbildung muss da nicht zwangsläufig ein Garant dafür sein, dass die Therapie funktioniert. Ich habe so viele unterschiedliche Therapeuten kennengelernt, und von der Chemie zwischen Therapeut und Klient mal abgesehen, die natürlich stimmen muss, gibt es auch einfach so etwas wie Talent, und das Talent hat nichts mit der Ausbildung zu tun, bestimmte Dinge kann man nicht lernen. Zwar durch Technik und Handwerkszeug kompensieren, aber nicht lernen. Daher gibt es ganz junge Therapeuten mit wenig Erfahrung, bei denen man sofort spürt, dass die es einfach drauf haben und die schon zu Beginn ihrer Ausbildung mega gut sind, und es gibt sehr erfahrene Therapeuten mit jahrzehntelanger Berufserfahrung, die trotzdem besser Automechaniker geworden wären, weil die es nie draufhaben werden, mit Menschen gut umzugehen.
Zurück zur Ausgangsfrage:
Ja, ich würde auch mit Heilpraktikern arbeiten, wenn es menschlich passt und deren beruflicher Lebenslauf mich hinreichend Vertrauen aufbauen lässt. Wer mal einen echten Zauber-Therapeuten kennengelernt hat, weiß, wovon ich spreche, bei denen ist es einem im Prinzip völlig egal, wo sie herkommen, man möchte nur mit ihnen arbeiten, weil die so eine krasse menschliche Intuition besitzen, dass sie ein solches Klima von Vertrauen aufbauen können, dass jedes Gespräch mit ihnen heilsam ist. Und diese Zauberer gibt es in allen Kategorien, genauso wie die Luschen.
Und wenn ich so einen Zauberer kennenlerne, und der ist psychologischer Heilpraktiker, dann zahle ich die Stunden auch gerne aus eigener Tasche.
Das war jetzt leider eine sehr lange Antwort , ich hoffe, es war trotzdem etwas Hilfreiches dabei.
LG Silver
17.08.2019 23:36 •
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