Vielleicht ist es so etwas ähnliches wie in diesem Falle?
Sie machte mir klar,
warum so vieles, was ich in den letzten 20 Jahren gegen die soziale
Phobie versucht hatte, nicht funktionierte. Warum sich die soziale
Angsterkrankung als so fürchterlich renitent erwies. Es ist
folgendermaßen:
Tief im Inneren liegen die Grundannahmen eines Menschen. Meine
lauteten unter anderem: „Wenn ich Angst empfinde, wenn die Angst
nach außen tritt, dann ist dieses gepaart mit einer fürchterlichen Scham,
einer absoluten Panik, eine tiefgehende Kränkung des eigenen Ichs.
Wenn ich die Angstsymptome erlebe, diese tatsächlich auftreten, dann
werte ich mich massiv ab. Ich kompletter Vollidiot! Ich bin nicht in
Ordnung, ich bin tiefgehend falsch!“ Dieses Gefühl ist der Supergau, der
„Bämm“ der Seele, kaum auszuhalten, ein Totalcrash! Ich bin falsch,
ich werde abgelehnt, das ist nicht zu ertragen, ich = ein Nichts.
Direkt daneben liegen, auf einer anderen Ebene, die Stärken. Ich weiß,
was ich kann. Ich bin kreativ, intelligent, treu, ehrlich etc.. Souveränität
vs. Unsicherheit. Um den „Bämm“ nicht zu erleben, den „Bämm“, den
ich kaum aushalten kann, wende ich ein Sicherheitsverhalten an. Ich
trage eine Maske im Gesicht. Ich möchte nicht, dass die Angst, der
Zusammenbruch, meine Panik, ein Blackout, der Gesichtsverlust nach
außen treten. Ich glaube, den „Bämm“ nicht ertragen zu können, ICH
WILL AUF KEINEN FALL AUF DIE BÄMM-EBENE! Gehe ich also
in eine Situation und „halte diese aus“ (Anspannung, Angst) und lasse
„die Maske im Gesicht“ so bin ich nicht real. Das eigene Ich verliert sich
hinter der Maske. Ich versuche meine Gesichtszüge, mein Verhalten
radikal zu steuern. Es ist zwar ansonsten jegliches Sicherheitsverhalten
abgelegt, aber die Maske reicht schon, um große Erfolge zu unterbinden.
Trägt man eine Maske, so kann sich die Angst nicht auflösen, man
unterdrückt diese ja. Trägt man eine Maske, so kann es dazu führen, dass
Gefühle nicht mehr gespürt werden, dass man dissoziiert, wegtritt, völlig
erschöpft ist etc.. Die Maske führte in meinem Falle zu einem Denken
„Ich bin nicht echt. Ich bin unwirklich, anders als Andere. Mit mir
stimmt etwas nicht.“ Die „Es-darf-nichts-schlimmes-passieren-Maske“
bedeutet eine unglaubliche Anstrengung. Die „Ich-zeige-keine-unangenehmen-
Gefühle-Fassade“ frisst sämtliche Reserven auf. Natürlich bin
ich nach solch einem Schauspiel völlig k.o. und ausgelaugt. Das ständige
Tragen der „Anti-Bämm“-Maske führt dazu, dass ich ein emotionales
Wrack werde. Der Weg führt in die Sackgasse, in ein Ende, welches ich
nicht erleben möchte.
Es gibt nur eine einzige Lösung: Den Gesichtsverlust, die Panik, die
Scham, die Verletzung, die Kleinheit des eigenen Ichs zu erleben. Ja, ich
weiß, es ist fürchterlich. Wenn man nicht so ist, wie man gerne sein
möchte, brutal. Es ist für mich ein Graus, wenn andere Menschen meine
Angst und Panik erleben. Ich finde es schrecklich. Es kann zu
Irritationen bei anderen Menschen führen. Es kann dazu führen, dass
Andere mit dieser Situation nicht umgehen können und mich aufgrund
der spür- und sichtbaren Angst ablehnen. Aber es gibt nur diesen Weg.
Ich muss Risiken eingehen. Ablehnung kann passieren. Ich muss mich
dem stellen. Nur wenn ich den „Bämm“ spüre und erlebe, kann ich
lernen, mit diesem Gefühl umzugehen. Lerne, Dich mit Deinem eigenen
Teufel, Deiner massivsten Schwäche zu konfrontieren. Hinterfrage es, ist
es wirklich so schlimm, wenn Du abgelehnt wirst? Ist das so schrecklich?
Ist das so ein Albtraum, wenn vielleicht einige Menschen Dich wegen
starker Angst und Panik ablehnen. Eigentlich nicht, oder?
Die Lösung ist: Erlebe wieder und wieder die Angst und Anspannung.
Provoziere eine Panikattacke. Provoziere die Angst, die Gesichtsentgleisung,
die brutale Scham. Erlebe es immer wieder, nur dann
verliert es seinen Schrecken. Willst Du ewig eine Maske tragen, ein
emotionales Wrack sein? Nein, also wähle den fürchterlichen Weg der
Angst, Ohnmacht und Scham. Dieser Weg führt in die Freiheit.
Und genau da, genau dort, direkt nach dem „Bämm“, fängt anschließend
die Selbstwertarbeit an. Ganz wichtig: Stärke Dich nun sofort, nimm
Dich an, sprich Dir Mut zu, direkt nach dem „Bämm“. Gib Dir selber
Kraft und werde mutig. Du bist ein Braveheart, ein Ritter deiner Seele,
aber genau dafür wirst Du noch einige Zeit tief durch den Dreck kriechen
müssen.
Nach jedem (!) „Bämm“: Selbstwertarbeit, niemals vergessen bitte! Sei
Dir ein Freund, ein treuer Begleiter, aktiviere dann den Befürworter. Der
Kritiker ist dann abgemeldet.
Diese Erklärung sorgte für den „Klick“ eines Schalters in meinem Kopf.
Ich hatte nun für mich die Antwort gefunden, warum so viele Mühen
nicht spürbar gegriffen hatten. Das war die Erklärung, warum ich mich
oft so „anders“, so „unstimmig“ fühlte......
Zudem sind Medikamente leider ja auch eine Art Maske, ein Sicherheitsverhalten....
Grundsätzlich ist natürlich auch zu sagen, dass es einfach unsagbar viel Zeit braucht bis neue Erkenntnisse auch spürbar greifen...
11.02.2015 17:08 •
#5