Naja, ich würde das eher unter normale Verhaltensweise verbuchen.
Ich muss ja beruflich gelegentlich ins Krankenhaus und kenne das von mir auch und höre es auch immer von Angehörigen.
Da ist die keineswegs unrealistische Angst vor Ansteckung mit Keimen. Ich hab mir mindestens einmal Noro im KH eingefangen.
Und da ist die Angst vor Kontamination mit Leid, Elend, miesen Gefühlen oder schlechtem Karma.
Sensiblere Menschen und pessimistische Glas-halbleer-Typen können die nicht so einfach an sich abperlen lassen wie Gefühlskühlere und optimistische Glas-halbvoll-Typen.
Es ist nun mal so, dass man durch die Konfrontation mit Krankheit, Leid, Sterben und Tod an im wahrsten Sinne des Wortes existentielle Fragen kommt und nicht immer mag man sich damit beschäftigen, manchmal auch überhaupt nicht, weil man noch keine Strategie für sich entwickelt hat, wie man die dunkle Stimmung und die negativen Gefühle, die diese vielleicht beinhalten, wieder los werden kann. Oder aber man hat Angst davor, denjenigen, den man besuchen möchte, noch zusätzlich runterzuziehen, was Dummes zu sagen, was Verletzendes oder aber - wo man doch so viel mit sich selbst zu tun hat - ihn weinen zu sehen und trösten zu müssen. Manchmal hat man sogar ein schlechtes Gewissen, weil's einem selbst gut geht und man sich einbildet, man müsse aus Fragen der Moral angesichts des Leides anderer in Trübsinn verfallen.
Auch hier ist es - wie immer - am besten, das Gedankenkarussell zu stoppen und sich klar zu machen, ob man den Besuch machen möchte und warum und ob man dem Besuchten damit was Gutes tut, oder ob man nur einer moralischen, gesellschaftlichen Pflicht nachkommen will. Ist letzteres der Fall tuts auch ein Anruf oder ein Blumengruß - bei den kurzen Liegezeiten wartet keiner mehr auf Besuch. Ist es ein Nahestehender, dann darf man auch erklären: Du ich kann das nicht gut, ich komm dich besuchen, wenn du wieder zu Hause bist. Das ist ehrlich und das können die meisten nachvollziehen.
Mir fallen Besuche im KH wegen meiner Iatrophobie noch zusätzlich schwer. Ich flüchte z.B. aus dem Aufzug, wenn da ein Arzt drin steht. Und ich mache grundsätzlich meine Besuche nur gegen Mittag, wenn die Visiten vorbei sind. Außerdem spieze ich immer über die Flure, ob da jemand im weißen Kittel rumläuft und gehe auch dem Pflegepersonal aus dem Weg.
22.04.2013 14:47 •
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