Zitat von sarah2:An alle mit Sozialer Phobie. Was macht ihr beruflich? Und wie kommt ihr zurecht? Bekommt ihr von Vorgesetzten und Kollegen Unterstützung? Was würdet ihr jemandem mit Sozialer Phobie bezüglich Arbeit raten? Worauf sollte man achten? Wie geht man damit um wenn man Angst vor erneutem Mobbing hat? Und sich am ...
Und wie kommt ihr zurecht? Geht so.
Bekommt ihr von Vorgesetzten und Kollegen Unterstützung? Nö, weiß ja keiner, was in meinem Inneren so für Kämpfe ausgetragen.
Was würdet ihr jemandem mit Sozialer Phobie bezüglich Arbeit raten? Glück haben und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ein kleines bisschen mutiger sein, so wie ich es getan habe, um zumindest nicht zu einem Fall für den Sozialstaat zu werden.
Was macht ihr beruflich? Ich arbeite in dem kaufmännischen Bereich eines Unternehmens, mit um die 70 Mitarbeitern, welches Krankenfahrten für mobil eingeschränkte Menschen anbietet.
Im Beruf trage ich meine Arbeit wie ein Schutzschild vor mir eher. Ich kann dann sehr souverän sein. Und ich habe verdammt viel Kundenkontakt. Aber zu 90 % übers Telefon. Es ist sehr stressig für mich zumindest. Leider wird sowas gerne von der Geschäftsleitung nicht wahrgenommen. Es weiß übrigens dort keiner, wie es mitunter in meinem Inneren oft zugeht.
Auf der Arbeit zeigen sich meine sozialen Ängste dann eher bei Konflikten. Die versuche ich zu vermeiden und wenn sie entstehen schweige ich.
Ich bin dort durch ein Aufeinandertreffen vieler Zufälle 2017 hereingerutscht.
Die Bezahlung ist nicht gut und Spaß macht mir die Arbeit auch nicht, mache es aber weiter mangels Alternativen.
Steuern und Sozialabgaben sind einfach zu hoch für Stundenlöhne knapp über dem Mindestlohn.
Wenn Wohnen für Singles anteilig nicht so teuer wäre, würde es gehen. Es bleibt wenig für Freizeit, Spaß übrig, an Altersvorsorge gar nicht zu denken.
Soziale Ängste zeigen sich bei mir dann stärker im privaten Bereich. Partnerin finden oder Freunde. Habe nur 1-2, die man eventuell in diese Kategorie stecken könnte. Ansonsten außerhalb der Familie und Arbeit null soziale Kontakte.
Ansonsten waren die sozialen Ängste auch immer ein riesengroßes Problem beim Thema Beruf. Selbstbewusstsein fehlte dadurch mein gesamtes Leben. Bin vor diesen Situationen geflüchtet bzw. habe sie vermieden.
Eine Ausbildung habe ich abgebrochen. Nicht wegen der sozialen Angst, sondern, weil der Betrieb einfach Mist war und ich dort todunglücklich gewesen bin. Habe es danach auch nie wieder wirklich versucht. Die sozialen Ängste vor diesen Bewerbungsgesprächssituationen, dieses bescheuerte Konzept sich selber gut verkaufen/vermarkten zu müssen, haben irgendwie verhindert, dass ich irgendein Ziel oder Begeisterung für irgendwas entwickeln konnte. Traum war mal irgendwas mit IT. Ein paar sehr wenige Bewerbungen gingen raus, weil es hier einfach auch kaum Betriebe gab, die sowas anboten in der Region und wegziehen, konnte ich mir nicht mal im Entferntesten vorstellen.
Also, wenn potenzial vorhanden war, bei mir dann war es unter einer Tonne schweren Last verbuddelt. Ich habe mich sogar nochmal durch ein Fachabitur gequält. Ich wollte nämlich nie faul sei oder sowas. Ich wusste bloß irgendwie nie, wo mein Platz ist. Gebracht hat mir das aber auch nicht wirklich was. In Deutschland zählt halt eher, wer sich mit seinem Geschwätz besser verkaufen kann. Die gesellschaftlichen Strukturen sind nicht für die introvertierten Stillen gemacht.
Berufsberatungen waren zu der damaligen Zeit von unmotivierten Sachbearbeitern besetzt und wirklich, wirklich schlecht. Es gab um die frühen 2000er ja auch einen eklatanten Mangel an Ausbildungsstellen, insbesondere für Schüler mit weniger guten/mittelmäßigen Notenschnitt. Die haben nicht gemerkt, was mit mir los war und dementsprechend schnell und schlecht waren diese Beratungen auch immer. Die haben ja auch keine Menschenkompetenzen, mit Leuten wie uns umzugehen. Viele der heutigen Angebote/Programme, die es mittlerweile gibt, gab es damals auch schlicht nicht.
Damals hatten die nichts anders zu tun, als vom politischen Strukturversagen abzulenken und mediale und politische Hetzjagden auf Arbeitslose zu starten.
Die jungen Menschen wurden zu Hunderttausenden in sinnlosen Warteschleifen geparkt. Und heute wundert man sich über Fachkräftemangel und der hohen Anzahl an mittelalten Menschen ohne Berufsausbildung.
Ich habe damals sehr auf das Recht auf einen Ausbildungsplatz gehoft. Wie fast alles in Deutschland kam das aber 20 Jahre zu spät.
Mit 39 kann ich mir das jedenfalls nicht mehr vorstellen. Es müsste zumindest ein Finanzierungskonzept her, sodass ich mich mindestens auf meinem bescheidenen Lebensstandard halten könnte, aber die gibt es nicht. Und 24-48 Monate während der Ausbildung auf Bürgergeld Niveau rum krebsen näääää.
Für ältere ohne Berufsausbildung interessiert sich die Politik so gut wie nicht. Und die Arbeitgeber eigentlich auch nicht.