Hallo zusammen!
Die ungelenke Floskel einen Ausweg habe ich nur deshalb geschrieben, weil Hilfe in der Betreffzeile offenbar nicht funktioniert, ungeachtet des Kontexts. Eigentlich wollte ich schreiben Wie kann ich mir Hilfe suchen, aber so geht es wohl auch.
Ein bisschen Background-Wissen, zur eigentlichen Problemstellung komme ich zum Schluss; wen also meine Lebensgeschichte nicht interessiert oder zu wem sie zu lang ist, der kann bis zum tl;dr (Zusammenfassung) runterscrollen:
Ich leide schon seit meiner Kindheit unter starker Schüchternheit, was ich im Wesentlichen auf ein traumatisches Ereignis in dieser Zeit zurückführe, ohne dass ich aber sämtliche Verantwortung an meiner jetzigen Situation von mir weisen möchte. Auf das Ereignis als solches möchte ich hier nicht weiter eingehen, ich denke es reicht, wenn ich sage, dass es sich dabei um einen Vertrauensbruch durch eine mir nahestehende Person handelt. Dabei sehe ich mich selbst sowohl als Opfer der Umstände als auch im Anschluss daran als Mittäter, weil ich rückblickend von da aus an vielen Stellen eine Abzweigung hätte nehmen können, die es mir ermöglicht hätte, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Von diesem Ereignis ausgehend stellt sich mein Lebensweg jedoch wie folgt dar.
In der Schule hatte ich anfangs noch keine Schwierigkeiten, mit dem Wechsel aufs Gymnasium zeigten sich dann jedoch alsbald erste ernst zu nehmende Entfremdungserscheinungen. Der Stoff fiel mir anfangs noch leicht, meine Noten waren gut. Ich galt als Streber. Mobbing seitens einiger Mitschüler war zu der Zeit (in den Neunzigern) wohl auch nichts Ungewöhnliches mehr, da mussten viele durch. Ich habe versucht, dem keine allzu große Beachtung beizumessen. Das war ein Fehler, denn mein passives Verhalten ermunterte die anderen nur. Von da an ging ich nicht mehr gerne zur Schule, aber immerhin ging ich noch. Dennoch ging es mit meinen Noten langsam aber stetig bergab. Das erste mal sitzen geblieben bin ich in der achten Klasse. Der Wechsel in eine neue Klasse fiel mir schwer, die Angst vor neuen Leuten war zu der Zeit schon stark ausgeprägt. Zum Glück für mich waren einige meiner Freunde ebenfalls hängengeblieben, das erleichterte es mir.
Leider hatte ich dann aber auch mit dem ein oder anderen Lehrer so meine Schwierigkeiten, für die ich sicherlich mitverantwortlich bin. Hinzu kam der Umstand, dass ich mich zu dieser Zeit zum ersten Mal mit Dro. auseinander setzte. Nichts hartes, nur Gras, was aber eben nicht dafür bekannt ist, jemanden aufzuputschen. Als meine Motivation und damit auch meine Noten noch weiter absackten, ich Klassenarbeiten trotz Wiederholungsjahr versiebte und mir dafür von einigen Lehrern vor versammelter Klasse eine Standpauke anhören musste, die mich emotional aufwühlte (ich bin ein Sensibelchen), feierte ich immer öfter krank. Zuerst einzelne Unterrichtsstunden bei ungeliebten Lehrern, später ganze Schultage. Das ging dann irgendwann so weit, dass mein Klassenlehrer morgens in der ersten Stunde gucken kam, ob ich überhaupt anwesend war, obwohl er in dieser ersten Stunde gar nicht unterrichtete. Natürlich war ich inzwischen zum Gespött meiner Mitschüler geworden, die sich über meine ständigen Fehlzeiten lustig machten und mich sarkastisch begrüßten, wenn ich doch mal wieder zur Schule kam. Was mir verständlicherweise immer schwerer fiel. Meine Lehrer nahmen mich dann besonders hart ran, ließen mich vor die Klasse treten, um etwa meine Hausaufgaben vorzulesen, wohlwissend, dass ich mit dem Stoff aufgrund meiner vielen Fehlzeiten längst nicht mehr nachkam. Ich hatte das Gefühl, sie wollten mich zusätzlich demütigen, indem sie mich vorführten, was aber nur zur Folge hatte, dass ich dem jeweiligen Unterricht nur noch mehr fernblieb, was ihnen wiederum einen Grund mehr gab, mich fertig zu machen. Ein Teufelskreis. Da meine Eltern aufgrund meiner Zeugnisse die Geduld verloren, bekam ich Nachhilfeunterricht und schaffte es schließlich in die neunte, allerdings mit Ach und Krach durch Absolvieren einer Nachprüfung in mehreren Fächern. Das war natürlich einerseits ein Erfolg, andererseits bedeutete das, dass ich viele meiner Lehrer behalten würde. Rückblickend glaube ich, ein Wechsel an eine andere Schule und ein damit verbundener Neustart wäre zu der Zeit besser gewesen. Stattdessen ging der Spießrutenlauf weiter. Obwohl ich die Nachprüfung bestanden hatte, fehlte mir Basiswissen in zahlreichen Fächern. Nachhilfe bekam ich zu der Zeit nicht mehr, was auch ein Kostenfaktor war. Es kam, wie es kommen musste, ich blieb erneut sitzen, war jetzt also mit Leuten in einer Klasse, die zwei bis drei Jahre jünger waren, wodurch ich abermals unangenehm aus der Masse heraus ragte - wortwörtlich. Darauf hatte ich keinen Bock. Ich schmiss hin. Komplett. Ohne Abschluss.
Nicht wissend, was ich tun könnte, blieb ich einige Monate zuhause und igelte mich ein. Meine Eltern hatten indes einen Platz an einer berufsbildenden Schule für mich gefunden, an der ich meinen Abschluss nachholen konnte. Zunächst einmal die Woche, was mir gelegen kam. Das funktionierte gewissermaßen als Vorbereitungs(halb)jahr, mit dem ich auch gut zurechtkam. Der Stoff war leicht, die Klasse mit etwa zehn Schülern sehr übersichtlich. Ich fand einen neuen Freund, allerdings nichts, das über Smalltalk bei einer Zig. vor der Schule und während den Pausen hinausging. Im Anschluss an dieses erste Halbjahr kam ich in eine neue klasse, mit zusätzlichen Fächern wie BWL und Werkstofftechnik. Berufsvorbereitende Fächer eben. Nichts, das mich irgendwie reizte, aber ich konnte verhältnismäßig gut damit umgehen und hatte ein Jahr später meine Fachoberschulreife (mittlere Reife) in der Tasche, mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Und das, obwohl ich auch während dieses einen Jahrs so an die 100 Fehlstunden hatte, da ich mich wie ein Fremdkörper in dieser, im Vergleich zum Vorjahr mit 30 bis 40 Mitschülern (überwiegend mit Migrationhintergrund) deutlich unübersichtlicheren Klasse fühlte. Ich gehörte nicht dazu und das wurde mir von den meisten auch oft genug deutlich gemacht. Dementsprechend weniger Lust hatte ich, am Unterricht teilzunehmen. Was mit ein Grund dafür war, dass ich den Notendurchschnitt von 1,4 aus dem Vorjahr nicht halten konnte. Dennoch war ich am Ende mit meiner Leistung zufrieden.
Ich begann, Bewerbungen zu schreiben, fand jedoch keinen Job und keine Ausbildung. Nach einiger Zeit der fruchtlosen Versuche, eine Zeit in der ich viel gelesen hatte, eröffnete ich meinen Eltern, dass ich Schriftsteller werden wolle. Das Eintauchen in andere Welten war toll und fühlte sich gut an, war es doch immerhin eine Form der Realitätsflucht. Solche Welten selbst zu erschaffen und sie mit Leben zu füllen, Geschichten und Charaktere zu erfinden, das alles war mindestens genauso toll. Das Fantasieren und Schreiben machte mir großen Spaß. Natürlich war ich vollkommen unbeleckt und meine Eltern waren nicht wirklich von der Idee begeistert, ließen die Zügel aber locker und gaben mir Zeit, mich auszuprobieren. Zu der Zeit hatte ich noch keinen PC und konnte mir auch keinen leisten, also kaufte ich mir von meinem Ersparten eine Schreibmaschine. Keine altertümliche, wie man sie etwa im Vorspann von Mord ist ihr Hobby zu sehen bekommt, sondern eine elektrische, mit der man sogar Tippfehler nachträglich korrigieren konnte. Trotzdem gestaltete sich das Schreiben im Vergleich zu einem PC als schwierig, weil man nicht mal eben einen Absatz löschen oder einen einzelnen Satz umschreiben konnte. Mein erster Roman war furchtbar. Ich hatte keine Ahnung, welche Regeln man befolgen musste. Tatsache war aber auch, dass ich gegen Ende des Manuskripts deutlich an Sicherheit gewann. Darauf ließ sich aufbauen. Ich begann, über den PC meines Bruders (später über meinen eigenen) im Internet zu recherchieren und fand ein Forum für angehende Schriftsteller, wo ich viel lernen konnte. Ich stellte Textproben ein, bekam Rezensionen. Anfangs musste ich natürlich viel Kritik einstecken und lernen, mit ihr umzugehen. Was mir auch gelang. Ich wurde besser und erntete immer öfter auch Lob. Mit dem Ehrgeiz kam aber irgendwann auch der Hang zum Perfektionismus. Der Wunsch, es so vielen wie nur möglich recht machen zu wollen. Das war nicht unbedingt unbegründet. Je mehr Leser man erreicht, desto besser für zukünftige Verkaufszahlen. Der Spaß blieb dabei allerdings auf der Strecke und ich wurde gedanklich blockiert. Obwohl ich glaubte und bis heute glaube, Talent zu haben, bekam ich nichts Längeres mehr hin. Gewissermaßen als zusätzlicher Bremsklotz wirkte die Erkenntnis, dass Schreiben harte Arbeit ist und nur die wenigsten auch tatsächlich gut genug sind, um allein vom Schreiben leben zu können. Resignation stellte sich ein. Inzwischen waren Jahre vergangen, in denen meine Eltern immer seltener versuchten, mich zu einer normalen Ausbildung, einem normalen Job zu bewegen. Während ich meinem Traum nachgejagt bin, hatte ich alles andere konsequent abgeblockt.
Bis heute bin ich nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Meine verpfuschte Schulzeit, in der ich immer stärkere soziale Phobien entwickelte, haben mich davor zurückschrecken lassen. Momentan bin ich gezwungenermaßen auf Jobsuche, weil meine finanzielle Lage sich immer weiter zuspitzt. Ich lebe allein im Haus einer Angehörigen. D.h allein mit meinen Katzen. Ich konnte immer schon besser mit Tieren umgehen als mit Menschen, vor allem mit Katzen. Ich liebe sie, sie lieben mich. Die Angst, bald alles zu verlieren, auch sie, hat mich dazu gebracht, zum Amt zu gehen und Hartz IV zu beantragen. Das war sehr schwer für mich und hat mich sehr viel mentalen Willen gekostet. Meine sozialen Fähigkeiten sind über die Jahre immer weiter verkümmert. Der einzige Austausch mit anderen Menschen bestand und besteht überwiegend über das Internet. Freunde habe ich so gut wie keine. Am nächsten steht mir mein Bruder, der aber wie auch der Rest meiner Familie nicht weiß, wie es in mir aussieht. Und ich möchte auch nicht, dass sie es wissen, weil es mir unangenehm wäre, obwohl sich dadurch theoretisch nichts ändern würde, außer, dass sie wissen, warum ich so bin wie ich bin.
Nun bin ich aber immerhin an einem Punkt angelangt, an dem ich mir eingestehen muss, dass ich Hilfe brauche. Ich bin unselbständig, unsicher und habe nichts in meinem Leben erreicht. Ich habe Angst davor, mich irgendwo zu bewerben, unter anderem auch deshalb, weil auf meinem Lebenslauf seit 2002 ein gigantisches Loch klafft. Das einzige, worin ich halbwegs gut bin, ist Schreiben (diesen Forumspost bitte nicht als Maßstab nehmen, momentan schreibe ich alles so, wie es mir in den Sinn kommt) und damit lässt sich nur schwerlich Geld verdienen. Meine Ängste sind dabei vielfältig. Ich habe Angst vor dem Ungewissen. Angst davor, wie andere über mich denken. Ich habe Angst, zu telefonieren. Etwas so simples wie eine Pizza zu bestellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn es an der Tür klingelt, kriege ich Panik und verstecke mich, robbe auf allen Vieren unterhalb der Fenster auf dem Boden entweder in Richtung Flur, um zu schauen wer an der Tür ist, oder in ein anderes Zimmer, wo ich warte, bis es vorbei ist. Allein das Geräusch der Türklingel bereitet mir körperliche (Magen/Darm) und seelische Schmerzen. Ich habe innere Unruhe, kaue Fingernägel seit ich vier Jahre alt war. Ich bin antriebslos, verbringe die meiste Zeit im Internet, spiele Videospiele oder gucke Fernsehen. Zuhause fühle ich mich am sichersten, trotz allem. Ich kann das Haus durchaus verlassen, ich kann auch in den Supermarkt gehen, obwohl sich mir beim Gedanken an die Kasse bzw. dem Interagieren mit dem Kassierer im Magen flau wird. Aber das ist nicht so schlimm. Ich habe dann nur jedes Mal Angst, mich irgendwie dämlich anzustellen oder mit dem Bezahlen zu lange zu brauchen. Ich kann dann förmlich die genervten Blicke der hinter mir wartenden Kunden auf mir spüren. Deshalb bezahle ich niemals passend, bei ungeraden Beträgen zahle ich stets mit Scheinen, das geht schneller. Und dann die Abschiedsfloskeln. Schönen Tag noch - Danke, Ihnen auch. Tschüss! Oft genug verhaspele ich mich bei so etwas und laufe rot an. Einmal habe ich Auf Wiedertschüss gesagt und dann beinahe fluchtartig den Laden verlassen. Klingt lustig, ist aber sehr unangenehm. Dennoch kann ich wie gesagt ohne größere Probleme einkaufen gehen. Ich beiß mich durch, vermeide Situationen, in denen ich nicht die Kontrolle habe. Überhaupt vermeide ich vieles.
Meine letzte Beziehung zu einer Frau liegt gut und gerne 15 Jahre zurück. Viele gab es ohnehin nicht und meist haben sie auch nicht lange gehalten. Man könnte sagen, dass ich es aufgegeben habe. Dabei sehne ich mich nach einem Seelengefährten, ich sehne mich nach zwischenmenschlicher Nähe. Der Zuneigung einer Frau, dem Gefühl von Geborgenheit. Der Sex fehlt mir auch, allerdings ist das jetzt schon so lange her, dass Versagensängste ins Spiel kämen, sollte sich irgendwann doch mal was ergeben. Ohnehin war es nie leicht für mich, mit einer Frau intim zu werden. Mangelndes Selbstvertrauen, Verlustängste, Angst vor Ablehnung. Irgendwann hab ich von mir aus dicht gemacht, habe eine emotionale Mauer um mich herum aufgebaut, die mich einerseits vor Ablehnung schützte und es mir andererseits unmöglich machte, eine Beziehung zu irgendjemandem aufzubauen, was den Sinn und Zweck dieser Mauer natürlich ad absurdum führt.
Kurzum, ich habe Probleme, die ich nun lösen will. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, aber ich muss jetzt langsam die Kurve kriegen. Oder sollte ich sagen, ich will? Wäre die finanzielle Schieflage nicht, hätte ich womöglich noch eine Zeitlang so weiter gemacht wie bisher. So aber bin ich gezwungen, ein bisschen aufs Tempo zu drücken. Andernfalls - und das sind ausnahmsweise mal keine irrationalen sondern durchaus reale Verlustängste - bricht mir eher früher als später der Boden unter den Füßen weg.
tl;dr
- traumatisches Ereignis in der Kindheit
- verkorkste Schulzeit
- mittelprächtiger Abschluss
- keine Ausbildung
- nie richtig gearbeitet
- Angst vor sozialer Interaktion
- daraus resultierende Isolation
- Einsamkeit
- Antriebslosigkeit
- Verlustängste
- finanzielle Notlage
Wie komme ich da wieder raus? Ich weiß, dass ich Hilfe brauche, habe aber Angst davor. Angst vor der Ungewissheit und dem damit verbundenen Kontrollverlust, Angst davor, einfach so zu einem Therapeuten zu gehen. Was sagt man da? Guten Tag, ich bin kaputt, mach mich wieder heile? Nein, das gewiss nicht. Ich weiß aber auch nicht, was das Protokoll üblicherweise vorsieht, weil es eben kein Protokoll gibt. Gäbe es doch nur eins! Ein einfaches Codewort. Drei mal klopfen und das Losungswort sagen. Und schon ist man aufgenommen im Club der Bekloppten. Hach ja, alles nicht so einfach. Nicht weil es nicht einfach wäre, sondern weil ich es mir nicht einfach mache, nicht machen kann. Alles vorher tausendfach durchüberlegen, um am Ende unsicherer dazustehen als vorher. Telefonisch einen Termin vereinbaren fällt leider auch flach, aufgrund meiner Angst vor dem Telefonieren. Mit anderen Worten - und hier schließt sich der Kreis -, wie kann ich mir Hilfe suchen, wenn ich zu feige bin, mir Hilfe zu suchen?
Tut mir leid, dass das so lang geworden ist, es tat aber mal gut sich das alles von der Seele zu schreiben. Falls das tatsächlich jemand in voller Länge gelesen haben sollte: Respekt! Und vielen Dank fürs Zuhören.
Gruß,
Katzenfreund83
Die ungelenke Floskel einen Ausweg habe ich nur deshalb geschrieben, weil Hilfe in der Betreffzeile offenbar nicht funktioniert, ungeachtet des Kontexts. Eigentlich wollte ich schreiben Wie kann ich mir Hilfe suchen, aber so geht es wohl auch.
Ein bisschen Background-Wissen, zur eigentlichen Problemstellung komme ich zum Schluss; wen also meine Lebensgeschichte nicht interessiert oder zu wem sie zu lang ist, der kann bis zum tl;dr (Zusammenfassung) runterscrollen:
Ich leide schon seit meiner Kindheit unter starker Schüchternheit, was ich im Wesentlichen auf ein traumatisches Ereignis in dieser Zeit zurückführe, ohne dass ich aber sämtliche Verantwortung an meiner jetzigen Situation von mir weisen möchte. Auf das Ereignis als solches möchte ich hier nicht weiter eingehen, ich denke es reicht, wenn ich sage, dass es sich dabei um einen Vertrauensbruch durch eine mir nahestehende Person handelt. Dabei sehe ich mich selbst sowohl als Opfer der Umstände als auch im Anschluss daran als Mittäter, weil ich rückblickend von da aus an vielen Stellen eine Abzweigung hätte nehmen können, die es mir ermöglicht hätte, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Von diesem Ereignis ausgehend stellt sich mein Lebensweg jedoch wie folgt dar.
In der Schule hatte ich anfangs noch keine Schwierigkeiten, mit dem Wechsel aufs Gymnasium zeigten sich dann jedoch alsbald erste ernst zu nehmende Entfremdungserscheinungen. Der Stoff fiel mir anfangs noch leicht, meine Noten waren gut. Ich galt als Streber. Mobbing seitens einiger Mitschüler war zu der Zeit (in den Neunzigern) wohl auch nichts Ungewöhnliches mehr, da mussten viele durch. Ich habe versucht, dem keine allzu große Beachtung beizumessen. Das war ein Fehler, denn mein passives Verhalten ermunterte die anderen nur. Von da an ging ich nicht mehr gerne zur Schule, aber immerhin ging ich noch. Dennoch ging es mit meinen Noten langsam aber stetig bergab. Das erste mal sitzen geblieben bin ich in der achten Klasse. Der Wechsel in eine neue Klasse fiel mir schwer, die Angst vor neuen Leuten war zu der Zeit schon stark ausgeprägt. Zum Glück für mich waren einige meiner Freunde ebenfalls hängengeblieben, das erleichterte es mir.
Leider hatte ich dann aber auch mit dem ein oder anderen Lehrer so meine Schwierigkeiten, für die ich sicherlich mitverantwortlich bin. Hinzu kam der Umstand, dass ich mich zu dieser Zeit zum ersten Mal mit Dro. auseinander setzte. Nichts hartes, nur Gras, was aber eben nicht dafür bekannt ist, jemanden aufzuputschen. Als meine Motivation und damit auch meine Noten noch weiter absackten, ich Klassenarbeiten trotz Wiederholungsjahr versiebte und mir dafür von einigen Lehrern vor versammelter Klasse eine Standpauke anhören musste, die mich emotional aufwühlte (ich bin ein Sensibelchen), feierte ich immer öfter krank. Zuerst einzelne Unterrichtsstunden bei ungeliebten Lehrern, später ganze Schultage. Das ging dann irgendwann so weit, dass mein Klassenlehrer morgens in der ersten Stunde gucken kam, ob ich überhaupt anwesend war, obwohl er in dieser ersten Stunde gar nicht unterrichtete. Natürlich war ich inzwischen zum Gespött meiner Mitschüler geworden, die sich über meine ständigen Fehlzeiten lustig machten und mich sarkastisch begrüßten, wenn ich doch mal wieder zur Schule kam. Was mir verständlicherweise immer schwerer fiel. Meine Lehrer nahmen mich dann besonders hart ran, ließen mich vor die Klasse treten, um etwa meine Hausaufgaben vorzulesen, wohlwissend, dass ich mit dem Stoff aufgrund meiner vielen Fehlzeiten längst nicht mehr nachkam. Ich hatte das Gefühl, sie wollten mich zusätzlich demütigen, indem sie mich vorführten, was aber nur zur Folge hatte, dass ich dem jeweiligen Unterricht nur noch mehr fernblieb, was ihnen wiederum einen Grund mehr gab, mich fertig zu machen. Ein Teufelskreis. Da meine Eltern aufgrund meiner Zeugnisse die Geduld verloren, bekam ich Nachhilfeunterricht und schaffte es schließlich in die neunte, allerdings mit Ach und Krach durch Absolvieren einer Nachprüfung in mehreren Fächern. Das war natürlich einerseits ein Erfolg, andererseits bedeutete das, dass ich viele meiner Lehrer behalten würde. Rückblickend glaube ich, ein Wechsel an eine andere Schule und ein damit verbundener Neustart wäre zu der Zeit besser gewesen. Stattdessen ging der Spießrutenlauf weiter. Obwohl ich die Nachprüfung bestanden hatte, fehlte mir Basiswissen in zahlreichen Fächern. Nachhilfe bekam ich zu der Zeit nicht mehr, was auch ein Kostenfaktor war. Es kam, wie es kommen musste, ich blieb erneut sitzen, war jetzt also mit Leuten in einer Klasse, die zwei bis drei Jahre jünger waren, wodurch ich abermals unangenehm aus der Masse heraus ragte - wortwörtlich. Darauf hatte ich keinen Bock. Ich schmiss hin. Komplett. Ohne Abschluss.
Nicht wissend, was ich tun könnte, blieb ich einige Monate zuhause und igelte mich ein. Meine Eltern hatten indes einen Platz an einer berufsbildenden Schule für mich gefunden, an der ich meinen Abschluss nachholen konnte. Zunächst einmal die Woche, was mir gelegen kam. Das funktionierte gewissermaßen als Vorbereitungs(halb)jahr, mit dem ich auch gut zurechtkam. Der Stoff war leicht, die Klasse mit etwa zehn Schülern sehr übersichtlich. Ich fand einen neuen Freund, allerdings nichts, das über Smalltalk bei einer Zig. vor der Schule und während den Pausen hinausging. Im Anschluss an dieses erste Halbjahr kam ich in eine neue klasse, mit zusätzlichen Fächern wie BWL und Werkstofftechnik. Berufsvorbereitende Fächer eben. Nichts, das mich irgendwie reizte, aber ich konnte verhältnismäßig gut damit umgehen und hatte ein Jahr später meine Fachoberschulreife (mittlere Reife) in der Tasche, mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Und das, obwohl ich auch während dieses einen Jahrs so an die 100 Fehlstunden hatte, da ich mich wie ein Fremdkörper in dieser, im Vergleich zum Vorjahr mit 30 bis 40 Mitschülern (überwiegend mit Migrationhintergrund) deutlich unübersichtlicheren Klasse fühlte. Ich gehörte nicht dazu und das wurde mir von den meisten auch oft genug deutlich gemacht. Dementsprechend weniger Lust hatte ich, am Unterricht teilzunehmen. Was mit ein Grund dafür war, dass ich den Notendurchschnitt von 1,4 aus dem Vorjahr nicht halten konnte. Dennoch war ich am Ende mit meiner Leistung zufrieden.
Ich begann, Bewerbungen zu schreiben, fand jedoch keinen Job und keine Ausbildung. Nach einiger Zeit der fruchtlosen Versuche, eine Zeit in der ich viel gelesen hatte, eröffnete ich meinen Eltern, dass ich Schriftsteller werden wolle. Das Eintauchen in andere Welten war toll und fühlte sich gut an, war es doch immerhin eine Form der Realitätsflucht. Solche Welten selbst zu erschaffen und sie mit Leben zu füllen, Geschichten und Charaktere zu erfinden, das alles war mindestens genauso toll. Das Fantasieren und Schreiben machte mir großen Spaß. Natürlich war ich vollkommen unbeleckt und meine Eltern waren nicht wirklich von der Idee begeistert, ließen die Zügel aber locker und gaben mir Zeit, mich auszuprobieren. Zu der Zeit hatte ich noch keinen PC und konnte mir auch keinen leisten, also kaufte ich mir von meinem Ersparten eine Schreibmaschine. Keine altertümliche, wie man sie etwa im Vorspann von Mord ist ihr Hobby zu sehen bekommt, sondern eine elektrische, mit der man sogar Tippfehler nachträglich korrigieren konnte. Trotzdem gestaltete sich das Schreiben im Vergleich zu einem PC als schwierig, weil man nicht mal eben einen Absatz löschen oder einen einzelnen Satz umschreiben konnte. Mein erster Roman war furchtbar. Ich hatte keine Ahnung, welche Regeln man befolgen musste. Tatsache war aber auch, dass ich gegen Ende des Manuskripts deutlich an Sicherheit gewann. Darauf ließ sich aufbauen. Ich begann, über den PC meines Bruders (später über meinen eigenen) im Internet zu recherchieren und fand ein Forum für angehende Schriftsteller, wo ich viel lernen konnte. Ich stellte Textproben ein, bekam Rezensionen. Anfangs musste ich natürlich viel Kritik einstecken und lernen, mit ihr umzugehen. Was mir auch gelang. Ich wurde besser und erntete immer öfter auch Lob. Mit dem Ehrgeiz kam aber irgendwann auch der Hang zum Perfektionismus. Der Wunsch, es so vielen wie nur möglich recht machen zu wollen. Das war nicht unbedingt unbegründet. Je mehr Leser man erreicht, desto besser für zukünftige Verkaufszahlen. Der Spaß blieb dabei allerdings auf der Strecke und ich wurde gedanklich blockiert. Obwohl ich glaubte und bis heute glaube, Talent zu haben, bekam ich nichts Längeres mehr hin. Gewissermaßen als zusätzlicher Bremsklotz wirkte die Erkenntnis, dass Schreiben harte Arbeit ist und nur die wenigsten auch tatsächlich gut genug sind, um allein vom Schreiben leben zu können. Resignation stellte sich ein. Inzwischen waren Jahre vergangen, in denen meine Eltern immer seltener versuchten, mich zu einer normalen Ausbildung, einem normalen Job zu bewegen. Während ich meinem Traum nachgejagt bin, hatte ich alles andere konsequent abgeblockt.
Bis heute bin ich nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Meine verpfuschte Schulzeit, in der ich immer stärkere soziale Phobien entwickelte, haben mich davor zurückschrecken lassen. Momentan bin ich gezwungenermaßen auf Jobsuche, weil meine finanzielle Lage sich immer weiter zuspitzt. Ich lebe allein im Haus einer Angehörigen. D.h allein mit meinen Katzen. Ich konnte immer schon besser mit Tieren umgehen als mit Menschen, vor allem mit Katzen. Ich liebe sie, sie lieben mich. Die Angst, bald alles zu verlieren, auch sie, hat mich dazu gebracht, zum Amt zu gehen und Hartz IV zu beantragen. Das war sehr schwer für mich und hat mich sehr viel mentalen Willen gekostet. Meine sozialen Fähigkeiten sind über die Jahre immer weiter verkümmert. Der einzige Austausch mit anderen Menschen bestand und besteht überwiegend über das Internet. Freunde habe ich so gut wie keine. Am nächsten steht mir mein Bruder, der aber wie auch der Rest meiner Familie nicht weiß, wie es in mir aussieht. Und ich möchte auch nicht, dass sie es wissen, weil es mir unangenehm wäre, obwohl sich dadurch theoretisch nichts ändern würde, außer, dass sie wissen, warum ich so bin wie ich bin.
Nun bin ich aber immerhin an einem Punkt angelangt, an dem ich mir eingestehen muss, dass ich Hilfe brauche. Ich bin unselbständig, unsicher und habe nichts in meinem Leben erreicht. Ich habe Angst davor, mich irgendwo zu bewerben, unter anderem auch deshalb, weil auf meinem Lebenslauf seit 2002 ein gigantisches Loch klafft. Das einzige, worin ich halbwegs gut bin, ist Schreiben (diesen Forumspost bitte nicht als Maßstab nehmen, momentan schreibe ich alles so, wie es mir in den Sinn kommt) und damit lässt sich nur schwerlich Geld verdienen. Meine Ängste sind dabei vielfältig. Ich habe Angst vor dem Ungewissen. Angst davor, wie andere über mich denken. Ich habe Angst, zu telefonieren. Etwas so simples wie eine Pizza zu bestellen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn es an der Tür klingelt, kriege ich Panik und verstecke mich, robbe auf allen Vieren unterhalb der Fenster auf dem Boden entweder in Richtung Flur, um zu schauen wer an der Tür ist, oder in ein anderes Zimmer, wo ich warte, bis es vorbei ist. Allein das Geräusch der Türklingel bereitet mir körperliche (Magen/Darm) und seelische Schmerzen. Ich habe innere Unruhe, kaue Fingernägel seit ich vier Jahre alt war. Ich bin antriebslos, verbringe die meiste Zeit im Internet, spiele Videospiele oder gucke Fernsehen. Zuhause fühle ich mich am sichersten, trotz allem. Ich kann das Haus durchaus verlassen, ich kann auch in den Supermarkt gehen, obwohl sich mir beim Gedanken an die Kasse bzw. dem Interagieren mit dem Kassierer im Magen flau wird. Aber das ist nicht so schlimm. Ich habe dann nur jedes Mal Angst, mich irgendwie dämlich anzustellen oder mit dem Bezahlen zu lange zu brauchen. Ich kann dann förmlich die genervten Blicke der hinter mir wartenden Kunden auf mir spüren. Deshalb bezahle ich niemals passend, bei ungeraden Beträgen zahle ich stets mit Scheinen, das geht schneller. Und dann die Abschiedsfloskeln. Schönen Tag noch - Danke, Ihnen auch. Tschüss! Oft genug verhaspele ich mich bei so etwas und laufe rot an. Einmal habe ich Auf Wiedertschüss gesagt und dann beinahe fluchtartig den Laden verlassen. Klingt lustig, ist aber sehr unangenehm. Dennoch kann ich wie gesagt ohne größere Probleme einkaufen gehen. Ich beiß mich durch, vermeide Situationen, in denen ich nicht die Kontrolle habe. Überhaupt vermeide ich vieles.
Meine letzte Beziehung zu einer Frau liegt gut und gerne 15 Jahre zurück. Viele gab es ohnehin nicht und meist haben sie auch nicht lange gehalten. Man könnte sagen, dass ich es aufgegeben habe. Dabei sehne ich mich nach einem Seelengefährten, ich sehne mich nach zwischenmenschlicher Nähe. Der Zuneigung einer Frau, dem Gefühl von Geborgenheit. Der Sex fehlt mir auch, allerdings ist das jetzt schon so lange her, dass Versagensängste ins Spiel kämen, sollte sich irgendwann doch mal was ergeben. Ohnehin war es nie leicht für mich, mit einer Frau intim zu werden. Mangelndes Selbstvertrauen, Verlustängste, Angst vor Ablehnung. Irgendwann hab ich von mir aus dicht gemacht, habe eine emotionale Mauer um mich herum aufgebaut, die mich einerseits vor Ablehnung schützte und es mir andererseits unmöglich machte, eine Beziehung zu irgendjemandem aufzubauen, was den Sinn und Zweck dieser Mauer natürlich ad absurdum führt.
Kurzum, ich habe Probleme, die ich nun lösen will. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, aber ich muss jetzt langsam die Kurve kriegen. Oder sollte ich sagen, ich will? Wäre die finanzielle Schieflage nicht, hätte ich womöglich noch eine Zeitlang so weiter gemacht wie bisher. So aber bin ich gezwungen, ein bisschen aufs Tempo zu drücken. Andernfalls - und das sind ausnahmsweise mal keine irrationalen sondern durchaus reale Verlustängste - bricht mir eher früher als später der Boden unter den Füßen weg.
tl;dr
- traumatisches Ereignis in der Kindheit
- verkorkste Schulzeit
- mittelprächtiger Abschluss
- keine Ausbildung
- nie richtig gearbeitet
- Angst vor sozialer Interaktion
- daraus resultierende Isolation
- Einsamkeit
- Antriebslosigkeit
- Verlustängste
- finanzielle Notlage
Wie komme ich da wieder raus? Ich weiß, dass ich Hilfe brauche, habe aber Angst davor. Angst vor der Ungewissheit und dem damit verbundenen Kontrollverlust, Angst davor, einfach so zu einem Therapeuten zu gehen. Was sagt man da? Guten Tag, ich bin kaputt, mach mich wieder heile? Nein, das gewiss nicht. Ich weiß aber auch nicht, was das Protokoll üblicherweise vorsieht, weil es eben kein Protokoll gibt. Gäbe es doch nur eins! Ein einfaches Codewort. Drei mal klopfen und das Losungswort sagen. Und schon ist man aufgenommen im Club der Bekloppten. Hach ja, alles nicht so einfach. Nicht weil es nicht einfach wäre, sondern weil ich es mir nicht einfach mache, nicht machen kann. Alles vorher tausendfach durchüberlegen, um am Ende unsicherer dazustehen als vorher. Telefonisch einen Termin vereinbaren fällt leider auch flach, aufgrund meiner Angst vor dem Telefonieren. Mit anderen Worten - und hier schließt sich der Kreis -, wie kann ich mir Hilfe suchen, wenn ich zu feige bin, mir Hilfe zu suchen?
Tut mir leid, dass das so lang geworden ist, es tat aber mal gut sich das alles von der Seele zu schreiben. Falls das tatsächlich jemand in voller Länge gelesen haben sollte: Respekt! Und vielen Dank fürs Zuhören.
Gruß,
Katzenfreund83
12.01.2017 04:28 • • 13.01.2017 #1
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