Ich habe soziale Ängste seitdem ich in die Pubertät gekommen bin. Erröten und Schwitzen sind meine Alarmsignale, so dass es auch ja niemand verborgen bleiben kann, dass ich Probleme habe. Früher war meine Verdauung immer noch viel an der Angst beteiligt, aber mittlerweile weiß das Unterbewusstsein, dass ich damit zurecht komme, also sucht es sich lieber das aus, mit dem ich nicht klar komme. Ich habe alle Stationen, die man so als Heranwachsender durchmacht auch alle erlebt. Grundschule, Gymnasium mit Abbruch wegen Ängsten, Fachoberschule, verpasstes Studium durch Ängste, Ausbildung und Job der mich nicht ansatzweise auslastet. In allem was ich gemacht oder eben nicht gemacht habe, bleibe ich weit hinter meinen Möglichkeiten, weil ich keine Kraft mehr habe gegen große Widerstände anzugehen und mich lieber der Angst füge.
Ich kann keinen Alltagstermin ohne Angst angehen. Andere gehen zum Zahnarzt, weil sie Angst vor der Behandlung haben, ich habe Angst vor dem Schwitzen. Andere besuchen Freunde oder Partys, ich meide das aus Angst vor Schwitzen und Erröten. Ganz davon abgesehen dass ich mittlerweile auch keine Freunde mehr habe und auch meine langjährige Beziehung vor ein paar Wochen beendet habe. Ich will auch überhaupt keine neuen Freunde mehr finden, aus Angst vor irgendwelchen Verpflichtungen die man eben manchmal gegenüber Freunden hat. Ich merke dass ich regelrecht ärgerlich werde, wenn Arbeitskollegen auf der Arbeit mehrmals bei mir im Büro vorbeischauen. Ich will keinen Small Talk über irgendeinen Blödsinn halten, der mich eh nicht interessiert.
Als ich mal auf dem Arbeitsamt einen Eignungstest machen musste, wurde mir bestätigt, dass ich hochbegabt bin und eigentlich dort nichts zu suchen habe. Aufgrund meiner Ängste habe ich mir aber dementsprechend auch einen Job gesucht, der mir möglichst angenehm erschien und nicht passend zu meinen eigentlichen Fähigkeiten. Ich würde gerne was anderes Arbeiten, aber traue mich nach 10 Jahren festem Arbeitsverhältnis nicht meine gewohnte Umgebung hier aufzugeben. Das ist ehrlich gesagt völlig unvorstellbar für mich.
Durch Job-Besprechungen, die ich nicht umgehen kann schummele ich mich mit Benzodiazepinen durch, die ich mir so oft das eben glaubhaft möglich ist beim Hausarzt durch Flugangst begründet verschreiben lasse. In den Urlaub fliegen ist übrigens auch sehr sehr schwer nur möglich, aufgrund von Flugangst.
Und das Schlimmste an Allem. Meine Beziehung zu der Frau die mich heiraten wollte und ein Kind mit mir haben wollte, habe ich dieses Jahr beendet. Die Heirat habe ich immer vor mich hin geschoben, weil es für mich unvorstellbar ist vor so einem großen Publikum im Mittelpunkt stehend heiraten soll. Und das Kind konnte ich mir auch nie vorstellen, weil ich Angst habe die vermeindliche Restfreiheit zu verlieren, die ich noch besitze. Wir haben zusammen nie alte Bekannte von uns oder ihr kennen gelernt...warum wisst ihr ja mittlerweile. (das musste ich unterstreichen, weil mir das jetzt erst so richtig bewusst wird)
Ich habe die Beziehung beendet, weil ich dachte wir passen einfach nicht zusammen und ich immer mehr an ihr auszusetzen hatte. Nachdem mich aber nach Wochen jetzt langsam die Einsamkeit beginnt aufzufressen und ich eigentlich nur noch am Nachdenken bin, merke ich, dass ich nicht mit ihr unzufrieden war, sondern mit mir. Ich hab nicht nur ein Leben kaputt gemacht, sondern im Grunde genommen durch meine Art auch einer anderen geliebten Person Jahre ihres Lebens genommen.
Ich habe eine riesen Wut und auch Trauer in mir. Und ich weiß noch nicht mal auf wen. Auf das Schicksal das mir diese Last aufgetragen hat? Auf mich weil ich mich nicht mehr angestrengt habe mit dieser Last besser zurecht zu kommen? Ich hab mein Leben lang gekämpft, jeden Tag den ich das Haus verlassen habe und trotzdem fühle ich mich wie der größte Verlierer.
Zusammenfassend würde ich sagen, ich bin an allen wichtigen Kreuzungen des Lebens in die Richtung abgebogen, die keine Zukunft hat aber für die nächsten 24 Stunden den geringeren Widerstand bietet. Und das nur weil ich nicht durch Schwitzen oder Erröten auffallen will. Das ist so erbärmlich, dass wenn ich es selbst lese, auch kaum glauben kann. Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte...
Ich wünsche mir manchmal, dass auch niemand von meiner Familie und auch mein Hund nicht mehr da wäre und ich somit frei von Verpflichtungen wäre und auch endlich gehen könnte.
Ich denke ich werde hier in unregelmäßigen Abständen ein paar Gedanken sammeln. Wenn es nur eine Gedankensammlung für mich wird, ist das auch ok.
08.10.2018 13:02 • • 30.10.2018 x 1 #1