ich bin neu in dem Forum und würde gerne mal meine Erfahrungen aus den letzten Jahren mit euch teilen. Kurz zu mir, ich bin weiblich, 20 und momentan in einer sehr schwierigen Lage.
Seitdem ich 12 war (an die Zeit davor habe ich irgendwie kaum Erinnerungen) habe ich ängstlich auf gewisse soziale Situationen reagiert. Allerdings lediglich in der Schule (Gymnasium), nicht im Freundeskreis oder in der Familie. Ich bin bei Vorträgen und Meldungen rot geworden, was ein extremes Schamgefühl und Hilflosigkeit mit sich brachte. Ich habe damals das Problem auf meine Lehrer und Mitschüler geschoben, da unser Klassenverbund nicht gut war und die Lehrer sehr elitär. Jedoch hatte ich nie einen schlechten Stand in der Klasse.
Dadurch, dass ich immer mehr errötete, zog ich mich aus Unterrichtsgesprächen immer mehr zurück und bekam innerlich sogar Panik, wenn ich drangenommen wurde.
Meine Eltern waren immer sehr auf Leistung aus und da meine Noten immer schlechter wurden, machten sie mir Vorwürfe, ich müsse auf eine Hauptschule , würde ich keine Leistung bringen, ich sei das Problemkind, sei schwierig und würde nur Ärger machen.
Ich zog mich von meinen Eltern extrem zurück, machte lieber was mit Freunden oder war alleine in meinem Zimmer. Auch körperliche Gewalt war immer wieder ein Thema in der Familie. Wenn ich nicht das tat was meine Eltern wollten konnte es durchaus passieren, dass ich öfter mal eine Ohrfeige bekam. Meine Mutter war andauernd launisch und ließ ihre Aggression und Wut an mir aus, indem sie mich anschrie, teilweise Ohrfeigte oder mit 15 das erste mal rausschmiss. Sie und mein Vater drohten mir, wenn ich mich nicht benehmen würde, könnte ich mir schonmal einen Heimplatz suchen. In der Zeit wohnte ich bei einer Freundin.
Mein Freundeskreis war eigentlich immer groß, niemand bemerkte etwas von meinen sozialen Ängsten. Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, war ich sehr beliebt. Aus meiner Sicht hätte es immer besser sein können.
Mit 15 trennten sich meine Eltern. Meine Mutter wurde von jetzt auf gleich fröhlich und gut gelaunt. Das konnte ich nicht einordnen, mein Vater konnte mit den Verletzungen des verlassen Werdens nicht umgehen. Für mich war die Trennung eine Art Erleichterung. Kurz darauf eskalierte die Situation zwischen meinem Vater und mir. Es gab eine kleine Auseinandersetzung in seiner Firma und er schlug mir mit der Faust ins Gesicht und prügelte mich vor seinen Mitarbeitern durch die Firma, keiner half. Seitdem war der Kontakt schlecht. Ich wohnte bei meiner Mutter, wurde dort immer wieder rausgeworfen, musste einmal aus Not bei meinem Vater unterkommen, der für mich ein Fremder war, irgendwie abstoßend.
Ich redete ein Jahr nicht mit meiner Mutter, zog letzten Endes doch wieder bei ihr ein, da mein Vater mich krankhaft versuchte zu kontrollieren. Er durchwühlte meine Sachen, las meine SMS, schrieb mir ständig SMS ich würde ihn verletzen, würde ich nicht das tun was er verlangt, machte mir ständig extreme Vorschriften.
Zu der Zeit wechselte ich aufgrund meiner schlechten Noten die Schule und ging auf ein Berufskolleg. Dort lernte ich, dass das Erröten und das Schamgefühl von mir kamen und nicht wegen anderen. Interessant war auch, dass ich vor fremden Gruppen kaum ein Problem damit hatte. Erst wenn ich die Gruppen näher kennen lernte wuchs das Misstrauen und die Angst.
Schließlich merkte ich, dass ich doch gut in der Schule war und wechselte wieder auf ein Gymnasium. Unter anderem, weil meine Eltern das auch so wollten.
Zu der Zeit (18 Jahre) nahm ich mir eine eigene Wohnung, da ich weder mit meiner Mutter noch mit meinem Vater gut auskam. Meine Mutter wollte auch nicht, dass ich länger bei ihr wohnte.
Auch in der neuen Schule wurde die Erytrophobie nicht besser. Ich versuchte mich durch überwiegend schriftliche Leistungen nach vorne zu arbeiten, da ich gerne Zahnmedizin studieren wollte. Schriftlich stand ich auch überwiegend eins. Nur mündlich war ich schlecht, was mir ein Abi von 2,0 (NC) einbrachte. Anstatt jedoch stolz auf mich zu sein, dachte ich immer, dass es ja noch besser hätte werden können. Ich war wütend auf mich, auf meine Ohnmacht die ich empfand, wenn die Ery kam.
In der Zeit des Abis verlor ich meine Wohnung, da mein Vater mir den Unterhalt strich. Meine Mutter hatte ständig Angst, ich würde zusammenbrechen, mein Abi nicht schaffen und schliff mich von einem Nervenarzt zum nächsten, um mir Medikamente verschreiben zu lassen. Die nahm ich allerdings nicht, da ich es schwachsinnig fand. Ich ging neben dem Abi arbeiten, um meine Wohnung zu so lange zu finanzieren, bis die Kündigungsfrist verstrich und klagte parallel Unterhalt ein.
Auch kümmerte ich mich um eine Ausbildung zur Zahntechnikerin, falls ich keinen Studienplatz bekäme. In der freien Zeit zwischen dem Abi und der Ausbildung bemerkte ich die Ery so gut wie garnicht. Ich war glücklich und eigentlich nie ein Kind von Trauer gewesen. Ich bekam wie erwartet keinen Studienplatz, was mich doch ziemlich traurig machte.
Dann ging die Ausbildung los, mein Chef war ziemlich cholerisch, verlangte Perfektion von mir und Griff mich persönlich an, wenn etwas nicht funktionierte. Ich dachte mir, komm ziehst du das durch, stellst die Ohren auf Durchzug. Aber es gelang nicht, belastete mich stark und auch die Kolleginnen litten darunter. Ich suchte mir schließlich eine neue Ausbildung, was in meiner Berufssparte ziemlich schwierig war.
Ich merkte hier verstärkt meine Ery und die Angst in größeren Gruppen (ab 4 Leuten) zu sprechen ohne zu erröten.
Meine Freundin macht eine Ausbildung zur Logopädin und erzählte mir immer wieder über Sprachprobleme anderer. Ich dachte mir, da ich ein sehr kommunikativer, lustiger, offener Mensch mit vielen sozialen Kontakten war, mir würde sowas nicht passieren.
Doch dieser Gedanke lies mich nicht los, schlich sich immer wieder in meine Gedanken. Ich fing an auf meine Sprache zu achten, wodurch ich mich versprach und natürlich unsicherer wurde und Angst hatte Fehler zu machen und andere würden es bemerken. Das erröten war da auch nicht sehr hilfreich bei. Ich hatte immer Freude am erzählen, dies änderte sich nach und nach. Schließlich bemerkte ich, dass es nicht so weitergehen kann. Meine Gedanken kreisten immer wieder um das Thema, ich wurde unsicher. Erst vor Gruppen, dann vor Freunden und schließlich auch vor meiner Familie. Irgendwann bekam ich eines Tages Atemprobleme, da ich mir solche Sorgen machte und diese nicht abschalten konnte. Seither dachte ich verstärkt ans Atmen, was sowohl beim Sprechen als auch im Stillen mich quälte. Ich hatte das Gefühl ich komme von diesem Gedanken der mich ängstigt nicht weg, achtete verstärkt auf die Atmung, schließlich kam das Schlucken dazu, das Augenblinzeln. Und immer wieder die Gedanken, die zwanghaft aus dem Nichts kamen und mich entsetzten. Kurz darauf schlossen sich Aggressionsgedanken und Ängste gegen mich und andere an. Wobei ich wusste, dass das Schwachsinn war und es eine Art Zwangsgedanken war. Durch Hypnosetherapie versuchte ich Herr der Lage zu werden. Was nicht gelang, jedoch heraus kam, dass meine Soziale Phobie aus der Situation herrührt, dass meine Mutter mich als kleines Mädchen vor einer Freundin und ihrer Mutter zusammenschlug und demütigte. Diese Kontrolle über mich (Sprache, Gestik, Augenzwinkern, Schlucken, Atmen) kommt wohl daher, dass ich immer funktionieren musste und mir keine Fehler erlauben konnte. Das Sprechen jedoch belastet mich am meisten, es ist so extrem anstrengend für mich geworden. Obwohl ich immer in Situationen reingehe, werden die Gedanken nicht weniger und ängstigen, nerven mich, andere könnten es bemerken. Auch das ich mich zu hart dafür verurteile steht außer Frage. Ich bin momentan total dünnhäutig ängstlich und weiss einfach nicht was ich machen soll.
Ich habe einfach das Gefühl nicht mehr Herr meiner Gedanken und Gefühle zu sein, was mich total fertig macht.
Obwohl ich immer ein gut gelaunter Mensch war, habe ich momentan das Gefühl ich schleppe mich nur noch so durch den Tag und ich habe ständige Stimmungsschwankungen, Weinattacken und fühle mich Hilflos und ich habe das Gefühl die Kontrolle über mich zu verlieren.
Ich mache seit drei Wochen eine Therapie, ich weiss dass das länger dauert bis Erfolge kommen, jedoch möchte ich gerne aktiv etwas verändern, ich weiss allerdings nicht genau wie und wo ich ansetzen soll.
Schließlich wurde ich letzte Woche wieder einmal bei meiner Mutter rausgeworfen. Ich wollte sehr gerne mit ihr über die Dinge reden, die mich zur Zeit belasten, doch sie wollte nicht zuhören. Sie meinte, vielleicht geht es dir nächstes Jahr immer noch schlecht und sie müsse selbst auf ihre Gesundheit gucken und dass es ihr gut geht und würde wollen, dass ich ausziehe. Sie hört mir nicht zu und lässt mich vor Wände laufen. Wenn ich etwas dagegen erwidre, wird sie wütend und aggressiv oder ignoriert mich total. Auch als ich ihr erzählte, dass ich Aggressionsgedanken gegen mich selbst habe und momentane Stimmungsschwankung, blieb sie kalt und meinte, ich müsse mich selbst an den Haaren wieder aus der Situation ziehen.
Meine größte Angst ist, dass die Situation in der ich bin sich einfach nicht bessern wird und ich mein soziales Umfeld und meine guten Kontakte verliere und einfach nicht mehr richtig Sprechen kann.
09.03.2014 11:13 • • 20.04.2014 #1