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Hallo Freunde der Angst!

Diesen Text habe ich gerade einem Mitglied gesendet und dann fiel mir auf, dass es ja vielleicht auch noch anderen Betroffenen helfen kann.
Ich habe den Text jetzt nicht ins Allgemeine umformuliert, also bitte nicht wundern

Da ich selbst Sozialphobiker bin und es mir diesbezüglich inzwischen deutlich besser geht, möchte ich Dir sagen, was mir geholfen hat.
15 Jahre war ich wegen dieser extrem beschissenen Erkrankung in Therapie und meine Therapeutin konnte mir nicht helfen.
Ich denke bei einer sozialen Angststörung hilft nur eins: KONFRONTATION!
Meine Therapeutin konnte mir nicht helfen, weil sie mir hat alles durchgehen lassen und keinerlei Verhaltensverträge konsequent durchgesetzt wurden.
Zu Beginn der Therapie geht es natürlich nicht um Konfrontation, das Aushalten der Gespräche reicht völlig. Doch nach einigen Monaten und gefundenem Vertrauen muss es dann losgehen.
Ein Therapeut begleitet Dich, stützt Dich und achtet darauf, dass Kofrontationssituationen ausgehalten und nicht abgebrochen werden.
Man fängt da ganz klein an: Ein gemeinsamer Spaziergang durch den Park beispielsweise bei dem Du zu jeder neuen Situation Deine Ängste äußern kannst, aber nicht musst.
Zusammen werdet ihr immer schwierigere Situationen aussuchen, die Du dann aushalten musst.
Und dabei sind alle körperlichen Begleiterscheinungen (Zittern, Erröten, Schwitzen, trockener Mund, Derealisation, Wortfindungsstörungen ... ) okay und willkommen.
Ziel ist es, dass Du immer länger in für Dich beängstigenden Situationen bleiben kannst.
Nach und nach sollst Du dann versuchen deine Vermeidungsstrategien (Kopfhörer mit Musik, nach unten schauen, Clownerie zum Überspielen Deiner Angst ... ) wegzulassen und die Situation voll annehmen und aushalten.
Die Übungen werden immer schwieriger, bis hin zu Situationen, die selbst gesunden Menschen schwer fallen oder äußerst unangenehm sind (beispielsweise alleine am Nachmittag im Café einen Menschen anzusprechen, oder alleine in der Staßenbahn leise zu singen...). Es geht nicht darum, dass Du Erfolg in solchen Situationen hast, es geht einzig und allein darum, dass Du wirklich begreifst, dass Du es aushälst, Dir nichts passiert und Du Ablehnung überlebst.
Solche Konfrontationsübungen wirst Du immer und immer wieder herbeiführen und aushalten müssen.
Irgendwann merkt Dein Hirn dann, dass Du alles aushalten kannst und dadurch gewinnst Du Selbstsicherheit. Diese Selbstsicherheit lässt Dich gegenüber anderen Menschen grundlegend anders wirken.
Aber in erster Linie geht es dabei nur um DICH! Du wirst Dich nach und nach immer mehr annehmen und lieben können. Das neuronale Netzwerk bildet neue Schaltkreise. die Synapsen feuern in neue Richtungen, es bilden sich neue Autobahnen und die guten Gedanken über Dich selbst verselbständigen sich.

Wichtig für diese neue und tolle und aufregende Mission ist der richtige Therapeut!
Schaue im Internet und sage direkt bei den ersten Kennenlernsitzungen was Dein Problem ist und wie Du es angehen willst. Falls Dir das zu schwer ist, kannst Du es einfach vorher aufschreiben und dem Therapeuten geben.
Bei mir hat es auf diesem Wege nur nicht funktioniert, weil meine Therapeutin nicht gut war, Punkt.
Sie kam nie mit in die Situationen und erlaubte mir sogar Alk. um die Übungen auszuhalten.
Vor gut 2 Jahren war ich dann an einem Punkt, an dem ich mich entscheiden musste:
Entweder niemals leben, immer von anderen abhängig sein und jeden Tag bis zum Tode diese schei. Angst, oder es zu wagen und zwar total und radikal.
Und ich habe es gewagt, ich habe mich direkt in eine Suchtklinik einweisen lassen und habe dort einen stationären 8 wöchigen Entzug vom Alk. gemacht und anschließend bin ich in die ultimative Sozialphobiker-Hardcoreklinik gegangen!
Diese Klinik ist keine spezielle für Sozialphobiker, es ist eine psychosomatische Klinik mit dem einzigartigen Konzept der therapeutischen Gemeinschaft.
Ich möchte es Dir erklären: In dieser Klinik ist alles anders und anfänglich sehr sehr befremdlich (trotz meines Willens, war ich derart platt, dass ich bereits nach dem ersten Tag wieder abreisen wollte!)
Im Nachhinein bin ich sooooo unendlich dankbar, dies nicht getan zu haben!
Therapeutische Gemeinschaft bedeutet, dass alles zusammen gemacht wird und wirklich jeder auf jeden schaut.
Die Begrüßung der neuen Patienten findet in der sogenannten Großgruppe statt.
Und jetzt halt Dich fest, lieber Rico: Ein Raum, ca. 120 Patienten und dazu etwa 30 Therapeuten, Sozialarbeiter und Ärtze sitzen in einem riesigen Kreis.
Und in diesem Kreis befindet sich ein kleiner Kreis mit Stühlen. Darauf sitzen die neuen Patienten.
2 Therapeuten setzen sich dazu und die Chefärztin (eine ganz tolle Frau) bittet die Neuen sich vorzustellen und zu sagen was sie dort hin führt. Du sitzt also in der Mitte und um Dich herum 150 Menschen die sich alle schon kennen und dann musst Du reden! Und nicht nur (ich bin xy und habe Angst vor Menschen), sondern richtig 1-2 Minuten von Dir erzählen...
Ich habe gerade noch meinen Namen sagen können, dann TILT, erst kam nix, dann Tränen.
Und dann wurde auf mich gewartet und mit einer tiefberührender Freundlichkeit, fast Liebe mit mir gesprochen.
Damit diese Nachricht jetzt nicht extremst lang wird, führe ich nun kurz auf, was genau an dieser Klinik so heilsam für einen Sozialphobiker ist, wenn er den Mut aufbringt dort zu bleiben und sich zu stellen, richtig brutal zu stellen.

- In der Klinik umarmen sich die Menschen. Und zwar lange, teilweise sehr lange und intensivst.
Man fragt jemanden, ob man eine Umarmung schenken darf oder ob man eine bekommt.
Umarmen ist kein Zwang, aber ich würde es DRINGLICHST empfehlen!
Als ich das erstmals sah, dachte ich, ich wäre in einer Sekte gelandet und wollte wieder, nur weg.
Am Ende meines Aufenthaltes bin ich durch keinen Flur gegangen ohne 2-3 ordentliche Langzeitumarmungen

- Jeden Morgen findet ein Gutenmorgenspazierganz statt, bei jedem Wetter und immer ZU ZWEIT HAND IN HAND! Auch da wollte ich wieder abreisen Ja, da gehen dann Erwachsene Menschen Hand in Hand durchs Dorf...

- Dann gibt es die ersten paar Wochen die sogenannte Körpertherapie und ja, Du ahnst es sicherlich, zu zweit. Jeweils 20-25 Minuten liegt einer am Boden und wird vom anderen berührt, natürlich nicht sexuell und Tabuzonen werden vorher abgesprochen.

- Eine andere Gruppe besteht darin, dass sich zwei Menschen gegenübersitzen, mit aller Kraft auf Schaumstoffrollen einprügeln und sich anschließend anbrüllen und zwar mit allem was sie haben. Danach stehen die beiden auf und nehmen sich herzlichst in den Arm.

- Und dann kommt es, das BONDING (informiere Dich bei Interesse im Netz). Nur soviel:
Einer liegt unten und der andere auf ihm drauf. Und zwar so richtig, voller Körperkontakt mit ganzem Gewicht und allen Gerüchen und Körperflüssigkeiten. Die Person die unten liegt hält sich am Partner fest und lässt seinen Gefühlen absolut und unzensiert freien Lauf. Und ich sage Dir, dann geht´s ab!
Es wird geweint, geschrien, auf´s übelste beschimpft (also denjenigen in Deinem Kopf), gewimmert oder einfach irgendein Schwachsinn erzählt oder gebrüllt. Alles was im Kopf ist darf und soll ungefiltert raus.
Der Sinn dahinter: Ganz egal was Du sagst, was Du brüllst, was Du schreist, Du bist wertvoll und Dein Partner lässt Dich nicht alleine, er bleibt bei Dir und Du bist genauso so und mit allem was in Dir ist angenommen und geliebt...

Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, beispielsweise werden alle in der Großgruppe dazu ermutigt, sich in die Mitte zu stellen und sich zu zeigen und die anderen sagen Dir dann wie sie Dich sehen und es gibt Großgruppenumarmungen

In der Klinik sind Erwachsene, Jugendliche und auch Familien mit Kindern willkommen.

Kurz: Als Sozialphobiker ist es das Beste was Dir passieren kann (halt, was DU machen kannst).
Derarte Dauerkonfrontation gibt es kein zweites Mal.

Falls Du Interesse hast, schreib mich einfach an, dann sage ich Dir den Namen der Klinik (das gilt natürlich für jeden der Interesse hat).
Hab mal gehört, dass man Kliniknamen nicht öffentlich postet, keine Ahnung warum?!
Ich werde dort auf jeden Fall nochmal hinfahren.

Liebe Grüße und alles erdenklich Gute

Moz

14.06.2016 20:41 • 15.06.2016 #1


1 Antwort ↓

wichtiger Nachtrag:

Hallo Rico! (und alle anderen)

Das Wichtigste vorweg:
Die nehmen da normale Kassenpatienten.

Ich kenne Dich ja nicht, weshalb ich nicht sagen kann, ob es auch Dein Durchbruch sein kann.
Denn eines ist bezüglich dieser Klinik noch wichtig zu wissen, dass habe ich vor lauter Schwärmerei glatt vergessen:
Es ist nicht leicht! Wirklich, es ist nicht leicht!
Dort wird sehr darauf geachtet, dass die Regeln eingehalten werden und jeder wird gleich behandelt.
Es ist so, dass die Leute sich da für ihr eigenes Seelenheil verpetzen.
Wenn einer aus der Reihe tanzt, sollen es die anderen in der Großgruppe offen ansprechen.
Dabei geht es allerdings nicht darum, den Einzelnen zu sanktionieren oder zu demütigen.
Es soll bewirken, dass die Menschen dort ehrlich miteinander sind und das das therapeutische Gruppengefüge nicht gestört wird. Und es wird natürlich nach dem warum? gefragt, um der Person zu helfen.
Wer dort nicht mitmacht und sich, sagen wir mal sich nicht einfügt wird einmal verwarnt und dann gibt es die 24 Stunden-Regel.
Heißt, beim zweiten groben Verstoß (Alk., Dro., sexuelle Kontakte, Gewalt ... ) fliegst Du da raus und hast 24 Stunden Zeit zu gehen.
Denn beispielsweise sexuelle Kontakte und Grüppchenbildung lenkt einen wieder von sich selbst ab und von der Gruppendynamik.
Zudem ist der Therapieplan (stellt dein Bezugstherapeut zusammen) pflicht und es werden Anwesenheitslisten geführt.
Also juppidu, heute bleibe ich im Bett, oder die können mich mal is nicht.
Wenn Du beispielsweise ohne Grund (Krankheit, oder mit Therapeuten besprochen) nicht zur Großgruppe (und diese dauert bis zu 4 Stunden) kommst, werden es Leute ansprechen und dann kommt Dich eine Schwester holen und dann musste Dich erklären.
Da sind einige gekommen und bereits am zweiten Tage schon wieder gegangen worden.
Dazu sei noch gesagt, die Menschen dort sind ehrlich, ganz besonders die Therapeuten und Ärzte, die sagen Dir klipp und klar vor allen was Sache ist.

Kurz: Mit Bockigkeit und Revolutionsmanier kommste da nicht weit...
Wie gesagt, ich kenne Dich nicht und kann nur sagen das es mir sehr geholfen hat.
Es gibt aber genug Menschen die die Methoden dort mit einer Sekte oder der Stasi vergleichen.
Es stimmt, die Methoden und Regeln werden rigoros durchgezogen und eingehalten, aber niemand wird gezwungen zu bleiben, man kann jederzeit gehen.
Ich kann halt echt nur von mir sprechen.
Achso, am Wochenende hat man frei und kann mit kleineren Grüppchen seiner Wahl was unternehmen. Nach Tschechien sind es glaub ich 3,5 Kilometer und die Kippen sind da echt billig
Lies Dir bitte die Kritiken im Netz zu der Klinik durch...

Man muss halt wirklich vorher wissen was da auf einen zu kommt und ob man dafür bereit ist.
Falls Du jetzt mit Sicherheit weißt, dass Du Dir nichts sagen lassen wirst oder Du viel Freiraum und Zeit für Dich brauchst, dann ist es vielleicht nicht das Richtige.
Und geheilt wird man dort auch nicht, man wird mit liebevoller Strenge auf den richtigen Weg gebracht.
10-12 Wochen Vollzeitbegleitung mit Regeln und absolter Offenlegung kann halt richtig was in Gang setzen...

PS: Ich hatte natürlich trotzdem heimlich Sex

Grüße

Moz





Dr. Reinhard Pichler
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