Huhu,
Wenn du die Möglichkeit hast, die 11te nochmal zu machen -mach das doch!
Weiß ja nicht, in welchem Bundesland du bist, aber wir wurden in der 11ten nochmal richtig gedrillt und auch gut vorbereitet darauf, wie es in der 12ten dann zu geht. Und das fand ich auch gut und hilfreich, es gab am ende sogar Kurse, wie man richtig präsentiert, wie man sicherer wirkt bei Vorträgen, und lauter so tolle Sachen.
Fand ich gut.
Wenn du denkst, es bringt dir was, dann trau dich
Bei mir wars bei den Präsentationen (Referate klingt so lasch, das waren wirklich Präsentationen von mindestens 45 Minuten Länge, die verlangt waren) hatte ich vorher oft Panikattacken. Aber dann bin ich vor die Tür, hab tief ein und ausgeatmet und langsam von 10 auf 1 runter gezählt, immer beim ausatmen eine Zahl runter. Dann war ich ruhiger. Dann hab ich mir gesagt: Mensch, du hast IMMER schon gut Referate gehalten und es hat IMMER geklappt -es gibt keinen Grund, wieso es jetzt nicht gehen sollte! Und dann ging es auch.
Diese Angst, Herzrasen direkt am Morgen, das hatte ich auch lange.
Aber ich hab mir dann angewöhnt, jeden Morgen direkt gute-Laune-Musik aufzudrehen und bisschen zu singen und zu tanzen -das hat immer geholfen und ich war auch noch gut drauf und darüber hinaus auch noch Angstfrei.
Außerdem hab ich jeden Abend nen Schlaftee getrunken zur Beruhigung, den Bärenruhe von Benediktus glaub ich, falls du es mal probieren willst, der wirkt echt gut. Gibt's in jeder Norma. Erstmal kann man sich schon einmümmeln und dann warmen Tee trinken und bissl was lesen, was eh beruhigt, und dann wirkt der auch echt stark. Hab ihn ne Zeitlang auch in der schule trinken wollen -und musste jeden Nachmittag 4 Stunden pennen, weil der so stark gewirkt hat
Ich weiß nicht, ob man mir meine Nervosität angemerkt hat, denke aber: Nein. Ich selber hatte zwar das Gefühl, dass alle sehen müssten, wie rot und verschwitzt ich war, aber ich hab immer ne 1 bekommen, trotz der Panik. Allerdings wussten die Lehrer ja auch von meinem Problem. Aber auch die Schüler, also welche, die nichts davon wussten (habs meinen Freunden erzählt aber sicher nicht jedem der fast 90 Kollegiaten) haben mich sehr gelobt, wie übersichtlich und gut meine Präsentationen immer waren.. also ich denke, ich habs mir mehr eingebildet als dass man es echt gemerkt hat.
Ansonsten hab ich auch einiges verkackt wegen den Panikattacken.
Zum Beispiel in Geschichte von 15 Punkte auf 5 Punkte runter, also von einer 1 mit Stern quasi auf eine 4.
Im Abi selber war ich auch nicht so gut wie normal.
In Englisch hatte ich, die ewige 1er-Streberin bloß eine 3, und in Deutsch ebenso. Weil ich wegen der Panik teilweise Sachen vergessen oder die Aufgabenstellungen nicht richtig gelesen hab.
Aber das war egal; ich hab in den andren beiden Jahren so viele gute Noten gesammelt und eben mit dem Colloquium Alles rumgerissen, da hatte ich 14,5 Punkte. (Also fast schon godlike )
Dabei war das Colloqu der HORROR für mich.
Ich hatte erst abends um 16:00 die Prüfung, war den ganzen Tag fertig, eine Panikattacke nach der Anderen, bekam kaum Luft, hab, meiner Meinung nach, voll gehetzt und viel zu schnell geredet, mich oft verhaspelt.. aber das war wohl auch bloß Einbildung, denn fast 15 Punkte kriegt man ja nur, wenn man noch mehr leistet als eigentlich erwartet wird. Ich denke also: Vieles ist echt bloß im Kopf.
In der Schule hatte ich aber, also bis auf die Vorträge und so, kaum Panikattacken. Weniger als Daheim. Hab mich dort sehr wohl gefühlt.
Aber ich hatte auch liebe Freunde, die von meinem Problem wussten.
Es zu verheimlichen macht dir nämlich selber bloß Druck.
Damit tust du selber so, als wär das was abnormales, was man geheim halten muss. Ist es aber nicht. Es ist einfach ne Krankheit.
Und als ich das akzeptiert und meinen Freunden erklärt hatte, ist mir ein ganzes Gebirgsmassiv vom Herzen gefallen (nicht bloß ein kleiner Stein) und ich konnte selber viel besser damit umgehen.
Denke, du solltest auch aufhören, eine Rolle zu spielen, und ehrlich sein und dazu stehen. Glaub mir, da nimmt man sich selbst ne enorme Last von den Schultern.
Ansonsten denke ich im Nachhinein, dass ich wie ein beißwütiger Terrier war in der Zeit. *lol*
Das schicksal hat gesehen, dass ich auf der zielgerade bin, und mich ordentlich zu Boden getreten. Und ich hab mich nach und nach berappelt, mich in der Wade fest gebissen, und es durchgezogen
Ich denke, für dich ist es schwer, weil jetzt durch den Druck halt wieder die alten Verhaltensmuster von Früher durchkommen, weil die Angst jetzt wieder da ist und dein Körper auf die alte Art und Weise wieder mit Panik reagiert. Aber es ist auch ne Chance.. dir selber zu beweisen, dass du es schaffen kannst trotz Panik.
Sieh mal, ich bin zweimal durchgefallen, immer, wenn ich opriert wurde. Ich hab ne recht üble Krankheit, die mit Chemo behandelt wird, seit 15 Jahren.
Jetzt bin ich zum ersten mal seit einem Jahr ohne Medikamente und Gott sei Dank verhält sich die Krankheit ruhig. Paar alte Zellen sind noch da, aber es werden keine neuen bösen Zellen mehr gebildet.
Jedenfalls, in der 11ten wurde es nochmal ernst und die Krankheit kam mit Wucht zurück -und ich kam nur in die Oberstufe auf Probe, weil ich so schlecht war, wegen der Krankheit. ALLE Lehrer haben mir geraten, ich solle es mir nicht so schwer machen, doch auf die Real wechseln oder die FOS, damit es mir besser geht. Aber das wollte ich nicht.
Ich wollte mein Abi auf diesem Gym und damit Basta.
Komme, was wolle.
Dann wurde die Krankheit wieder still und ich hab es geschafft, in der 12ten super gut zu sein und hab die Probe bestanden und durfte weiter machen. So.
Und dann starb 5 Monate vorm Abi plötzlich mein Dad.
Und wieder haben die Ärzte und die Lehrer und meine Familie teilweise auch gesagt: Mach es dir nicht so schwer, geh zurück in die 12te, mach dein Abi nächstes Jahr. Lass dir die Zeit, die du brauchst. Werd erstmal wieder gesund, krieg diese Angst in den Griff.
Aber das ist nicht, wie ich bin.
Das war nicht, was ich wollte.
Ich WOLLTE das Abi, ich WOLLTE zusammen mit meinen Freunden den Abschluss machen, nicht mit den fremden Leuten aus der damaligen 12ten.
Ich wollte das Abi, und ich wollte es jetzt.
Und es war knüppelhart, aber ich habs durchziehen können, trotz der Angst, und das hat mir gezeigt: Die Angst bestimmt nicht über dich und nicht über dein Leben. Die Angst kontrolliert dich nicht. DU kontrollierst die Angst. Du kannst mit deinem Leben machen, was du willst.
Trotz der Angst.
Und sie ging weg, die Angst.
Weil ich keine Angst mehr vor ihr hatte
Teil meiner Angstbewältigung war aber auch intensives Leben.
Ich hab in der Zeit in der ich die Attacken hatte so viel Geld ausgegeben und mir so viel gegönnt und so viele neue Hobbies begonnen wie NIE zuvor. Und ich hab so intensiv gelebt wie nie. Ich hab mir ne Kamera für 209 gekauft, die teuerste Anschaffung die ich jemals getätigt hab, und ich hab mir ne Jahreskarte für den Zoo gekauft und dort Bilder gemacht, hab im Tierschutz geholfen und wieder bogenschießen begonnen; im Moment lern ich Gitarrespielen auf der alten Akustik von meinem Dad.
Und auch, wenn ich teilweise Panikattacken hatte auf der Bogenwiese oder im Tiergarten oder wenn ich von irgendwelchen fremden Leuten die Viecher abgeholt hab, wenn die die nicht mehr wollten -ich hab mich so lebendig gefühlt wie noch nie zuvor.
Während der ganz harten Prüfungszeit mit stundnelangem Lernen und Stress hab ich auch jeden abend eine Folge Futurama geschaut, einfach um abzuschalten und zu lachen. Das tat ECHT gut.
Ich hab auch begonnen, jeden Tag 30 Minuten Sport zu machen, obwohl ich vorher jahrelang wegen meiner Krankheit gar nichts gemacht hab.
Und dieses neue Lebensgefühl, das ich entwickelt hab, das hab ich auch jetzt noch. Daheimsitzen am WE, das gibts nicht mehr, sobald die Sonne draußen ist, bin ich unterwegs und an der frischen Luft.
Und obwohl ich ein paar meiner Hobbies inzwischen runter geschraubt hab, weil es mir zu viel wurde, fühl ich mich so lebendig und gesund und zufrieden wie nie zuvor.
Mein Dad fehlt mir immer noch sehr.
Aber ich bin zufrieden mit meinem Leben, so, wie es ist.
Ich mag mich und ich mag mein Leben, mehr, als ich es jemals konnte.
Und drum hab ich auch irgendwann begonnen, die Angst als Freund zu sehen. Denn erst durch die Attacken hab ich mehr auf mich geachtet, mir mehr gegönnt und mehr geschaut, was mir gut tut und was nicht.
Und vielleicht hat auch das geholfen, dass die angst weg ging.
Weil sie kein böses Monster mehr war für mich, sondern ein Freund, der mir die Augen geöffnet hat -wenn auch auf recht brutale Art und Weise
Ich glaub, den Weg aus der Angst muss jeder selber finden, da gibt es kein Patentrezept. Aber solange man nur weiter nach seiner persönlichen Lösung sucht, immer wieder neue Sachen ausprobiert, immer wieder zusieht, wie man besser damit umgehen kann, immer wieder kleine Erfolge hat (ich hatte auch ein Erfolgetagebuch), immer wieder aufsteht und weiter macht, wenn man am Boden ist -so lange ist man auf dem besten Weg, damit umzugehen zu lernen.
Ich wette, du schaffst dein Abi auch.
Vielleicht nicht in einem, sondern halt in zwei Jahren.
Aber das macht ja nix.
Wichtig ist bloß, dass du schaffst, was du willst, trotz der Angst.
Ich hab auch erst mit 21 mein Abi gemacht -aber is doch egal.
Wichtig ist nur, dass ich es geschafft hab, genau so, wie ich es vorhatte, dass ich allen bewiesen hab, dass ich das kann, trotz meiner Behinderung und trotz meiner Ängste.
Und diese Erkenntnis, das war so ein Push für mein Selbstvertrauen, dass ich seitdem alle meine Ängste los bin.
Die schlichen sich langsam aus, und einmal hatte ich nen Rückfall, aber die Attacke dauerte nicht mal eine Minute und dann hatte ich mich wieder im Griff.
Ich wette, wenn du das Abi durchziehst trotz der Attacken, dann weißt du, was für ein gut Gefühl das ist, wenn man der Welt und sich selber beweisen kann, dass man es geschafft hat, egal, wie hart es auch war.
Da willst du schreien und brüllen und Alles machen, was man nur machen kann, da hat der Begriff platzen vor Stolz plötzlich eine ganz reale Bedeutung. *g*
Geh deinen Weg, mach dein Ding, so, wie es dir gut dabei geht.
Macht nix, ob du dazu zwei oder drei Jahre brauchst.
Aber du kannst es schaffen, bestimmt.
Und sei vor Allem ehrlich zu deiner Familie und den Freunden: Glaub mir, das tut dir gut.
Wünsch dir Alles Gute!
Pilongo
28.08.2009 20:07 •
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