Hallo rosa,
- es ist schlimm, dass dein Kind reagiert,
- es ist schlimm, wie sie reagiert
aber
- es ist gut, dass sie nach außen überhaupt reagiert
- und es ist das beste, dass Du auf Ihre Reaktion reagierst
Und weißt du, warum? Weil Du ihr so eine Chance geben kannst, nicht in einem solchen Chaos zu enden wie ich. Hatte dir ja beschrieben, dass ich von Kleinstkind an unter sehr starken Verlustängsten litt. Das zog sich hin bis zur Jugend, übers Erwachsenenalter und ist bis heute so. Ich bin mittlerweile 43, am 6. August ist meine Mutter gestorben, mein Vater vor 15 Jahren, und seinen Tod habe ich bis heute nicht verarbeitet.
Damals hätte mir geholfen, wenn man auf mich eingegangen wäre, mir gezeigt hätte, dass nicht jedesmal, wenn man nicht bei Mama und Papa, den Menschen, an denen einem eben etwas liegt oder auch nicht bei den geliebten Tieren ist, etwas passieren muss. Wenn Deine Kleine auch nur annähernd so tickt wie ich damals, dann leidet sie unter fürchterlichen Verlustängsten, die sie verzweifeln lassen und sie versucht, indem sie versucht, dass ihr immer zusammen seid, irgendwie die Situation zu kontrollieren. Wenn ich dabei bin, dann kann ich entweder etwas tun, helfen, oder es kann nichts passieren.
Aber mir hätte keiner helfen können, weil ich es lange Zeit einfach mit mir alleine abgemacht habe. Ich weiß noch, dass ich oft nachts wach lag und Angst hatte, dass ich die Schritte meines Vaters im Treppenhaus wahrnehmen würde, er zur Tür reinkäme und mir sagen würde, dass meine Mama gestorben sei. Was ein Kind mit einer solchen Veranlagung durchmacht, ist einfach nur grausam. Bis heute ist es so geblieben. Und mittlerweile bin ich an dem Punkt angelangt, vor dem ich mich am meisten gefürchtet hatte.
Ich musste auf meinen zwölften Geburtstag notfallmäßig operiert werden. Als ich das mitbekam und checkte, dass ich dort bleiben muss, habe ich steif und fest behauptet, dass das nicht ginge, dass meine Klassenlehrerin mich, wenn ich nicht zur Schule käme, verhauen würde... Der Arzt nahm meine Mutter zur Seite und fragte sie, was das denn für eine Schule sei. Meine Mutter kannte mich aber und erklärte ihm, dass es eine Ausrede sei, weil ich mit nach Hause, nicht weg von meinen Eltern wollte. Die Ausreden Deiner Tochter haben mich gerade daran erinnert.
Zitat:Sie sagt nun auch sie hätte Angst in der Schule auf Klo zu gehen, zu viele Spinnen und die Toiletten kann man schlecht abschließen sie hat dann Angst sie bekommt die nicht mehr auf, und wenn sie nicht abschließt reißen die Kinder die Türen auf.
Diese Aussage finde ich etwas merkwürdig. Hat sie nun Angst, weil die Türen sich nicht schließen oder weil sie sich nicht öffnen lassen? Warum fährt sie solche Panik, dass andere Kinder die Türen aufreißen könnten? Ich würde an diesem Punkt auf jeden Fall nachhaken!
Irgendwie scheint Deine Tochter nicht nur unter sehr stark ausgeprägte Verlassensängsten zu leiden. Diese stehen, wie ich meine, wohl im Vordergrund, aber meiner Meinung nach ist es durchaus möglich, dass irgend etwas in der Schule vorgefallen sein muss, von dem die Lehrer vielleicht nichts wissen und vielleicht ist es Deiner Tochter peinlich, darüber zu reden oder sie hat einfach Angst davor. Denn dass sie regelrecht aus der Schule flüchtet, finde ich schon extrem.
Es ist zwar lieb von Dir gemeint, dass du mal in der Schule ein paar Stunden mit gemacht hast, aber auf lange Sicht bringt das Deiner Tochter gar nichts. Meine Mutter brachte mich mit drei Jahren in den Kindergarten und ich habe geschrien wie ein Präriehund, das ging drei Tage so, ununterbrochen, und dann hatte ich es gepeilt und mich eingefügt. Allerdings hielt meine Mama es dann so, dass ich nicht hingehen musste, wenn ich absolut nicht wollte. So hatte ich das Gefühl, dass ich es ausschließlich freiwillig mache. In der Schule geht das aber natürlich nicht.
Ich würde an Deiner Stelle versuchen, ihren Aussagen noch enger auf den Grund zu gehen und mich daran machen, dass sowohl du als auch sie, dass ihr beide gemeinsam beginnt, ein kleines Stückchen voneinander loszulassen. Nur ein klein wenig, in wenigen kleinen Schritten, damit sie merkt, dass Mama nicht überall dabei sein kann und damit sie Vertrauen fassen kann, dass nichts passiert, wenn ihr getrennt seid.
Mich haben diese Ängste mein ganzes besch***** Leben lang begleitet und lösen immer noch, zu alledem, was sich da sowieso schon zusammengebraut hat, heftige Panikattacken aus. Das geht schon los, wenn mich eine Freundin abholen will, die sonst immer sehr pünktlich ist. Wehe, sie ist fünf Minuten über der Zeit, dann denke ich schon das schlimmste und die Angst kriecht hoch in mir.
Ich würde mir für deine Tochter wünschen, dass sie alle und vor allem die richtige Hilfe erhält, damit sie zum einen ein wirklich weitgehend angstfreies Leben führen kann und nicht zu einem Supergau mutiert, zu dem ich selbst geworden bin. Deine Tochter, die fängt gerade an zu leben, da steht alles offen, es für sie zum Positiven zu wenden. Bei mir ist es zu spät und irgendwie sinnlos. Aber vielleicht kann meine eigene Sinnlosigkeit wenigstens deiner Tochter helfen, das hoffe ich wenigstens.
Mich würde wirklich interessieren, wie es weitergeht. Wenn du möchtest, dann schreibe bitte hier weiter und auch, wie das Beratungsgespräch verlaufen ist.