Hallo Simone,
danke für deinen Beitrag! Also an den Supermarktkassen fühl ich mich auch nicht wohl - überhaupt mag ich gar keine Situationen, wo ich in einer Reihe mit anderen stehe und Vergleiche gezogen werden, obwohl die anderen mich gar nicht kennen.
Ob ich erröte, weiß ich nicht - ich sehe mich ja nicht selbst - und vorm Spiegel hab ich es noch nie geschafft, rot zu werden. Aber Schwindelgefühl und Blackouts können schon mal um sich greifen in Situationen, wo ich mich nicht wohl fühle.
Eigentlich hab ich kein Problem zu reden, auch vor größerem Publikum (ich bin sogar Hochschuldozent) - aber echte Probleme gibt's, wenn ich unvorhergesehen mich in einer Gruppensituation befinde, dann an die Reihe komme und was sagen muß. Das geht regelmäßig schief - ich bin da wie blockiert.
Ich denke mir: Entweder habe ich die Initiative und gehe spontan aus mir raus - dann fühle ich mich sicher und hab alles unter Kontrolle. Aber sobald ich irgendwie gezwungen bin was zu machen oder zu sagen, krieg ich was zuviel.
Eben besonders, wenn man in einer Reihe ist, aus der man nicht ausbrechen kann: wo man sieht, wie der eigene Einsatz unaufhaltsam näherrückt - und die Panik in mir hochsteigt, je näher es an mich rankommt. Wenn ich dann drankomme, zittere ich und krieg kaum ein Wort raus - sogar bei eigentlich harmlosen Vorstellungsrunden. Natürlich kann man sich mit Alk. im Einzelfall behelfen - aber das ist ja keine wirkliche Lösung.
Was ich dagegen gut kann, das sind Situationen, in denen ich entweder ganz passiv sein kann und nichts zu machen brauche: da fühle ich mich unter anderen LEuten auch sehr sicher, wenn ich in der anonymen Masse untertauchen kann und nur ein Teilchen in der Menge bin. Oder aber umgekehrt Situationen, in den alles von mir abhängt, wo ich die Oberhand und die Kontrolle habe (z.B. als Lehrer). Da fühle ich mich dann selbstsicher und bin in einer Rolle, die ich gerne ausübe.
Ich weiß nicht, ob man das verstehen kann. Ich glaube, das Schrecklichste ist für mich eben, in einer zusammengewürfelten Runde an die Reihe zu kommen. Sicher mach ich mir da viel zu viele Gedanken, wie die anderen mich wahrnehmen mögen und ob sie mic hauch sympathisch finden. Und gerade weil mir das so wichtig erscheint, verkrampfe ich um so mehr - und mache am Ende wirklich einen schlechten Eindruck. Das ist ein Teufelskreis. Ich hab da einfach keinen Mut, zu mir selbst zu stehen. Auch schon jeder kritische oder auch nur neutrale Blick entmutigt mich total. Am liebsten hätte ich ein Publikum, das mir ständig Mut macht. Dann bin ich zu sehr guten LEistungen fähig. Z.B. ist es für mich etwas Wunderbares, wenn meine Studenten mir gebannt zuhören - und ich merke wie ich beim Reden immer freier werde und am Ende ganz ich selbst bin und sogar über mich hinauswachse. Wenn dagegen Kritik kommt, bin ich schnell abgeblockt.
Das Schlimme daran ist eigentlich: Ich kann weder gut schauspielern noch auch kann ich in Drucksituationen ganz authentisch ich selbst sein. Eine verzwickte Sache... Hängt gewiß mit Minderwertigkeitsgefühlen zusammen...
Ich weiß nicht, was wirklich hilft. Also, ich versuche, Streß-Situationen, denen ich mich nicht gewachsen fühle, möglichst zu vermeiden. Wenn ich die Kontrolle habe, mit wem ich zusammentreffe (und wenn es Leute sind, die ich bereits gut kenne), dann geht es meistens sehr gut - ich kann mich vorbereiten und die Reaktionen gut abschätzen. Oder aber eben ein privater Rahmen, in dem ich angstfrei aus mir herausgehen kann - was sehr gut tut.
Was aber gar nicht geht, das sind halt solche Situationen mit Leuten, die ich kaum kenne, wo ich aber gezwungen bin, einen guten Eindruck zu machen...
Also am Anfang bin ich immer sehr, sehr schüchtern ,wenn ich jemanden neu kennenlerne. Bei manchen Menschen kann ich diese Schüchternheit aber nach zwei, drei Treffen überwinden - und fühle sie dann sozusagen zu meinem Umfeld gehörig. Oft aber (und gerade bei Menschen, die mir eigentlich sympathisch sind und auf die ich also um jeden PReis einen guten Eindruck machen möchte) steigert sich die Schüchternheit und Befangenheit bis ins Irrationale.
Manchmal ist es dann gut, trotzdem so jemanden zu treffen und der Situation nicht aus dem Weg zu gehen. Ich sage mir vom Verstand her:. Was kann schon passieren? Im schlimmsten Fall, daß es schief geht. Also hab ich mir vorgenommen, einfach die Panik hochkommen und wieder abklingen zu lassen. Diese Erfahrung hab ich letztens gemacht: Da gab es sowas wie eine Schwelle: Die Aufregung und Panik kam auf mich zu wie eine hohe Welle, ich tauchte unter (bin fast ohnmächtig geworden und konnte kaum weiterreden) - und irgendwann, am tiefsten Punkt, als alle Anwesenden wohl meinten, mir wäre nicht gut, hab ich mich wieder eingefangen: von dem Punkt an konnte dann ganz frei und unbefangen, ja sogar etwas euphorisch weiterreden. Ich glaube es war so etwas wie ein kleiner Nervenzusammenbruch - alle anderen haben das sicher irgendwie mitgekriegt (obwohl die wohl nur dachten, mir wäre schlecht oder ich hätte nur Kreislaufprobleme)... Bin aber stolz, daß ich es durchgestanden und mich freigeschwommen habe. Die Panik kam hoch, wurde sichtbar - und dann in der Situation selbst überwunden.
Den Mut wünsch Dir auch. Wahrscheinlich ist es auch wichtig, die richtige MEthode zum Entspannen zu finden. Ich würde mir auch so sehr wünschen, entspannt an solche Situationen herangehen zu können. Vom Kopf her sag ich mir oft: Ist mir doch egal, wenn's schief geht, geht's eben schief. Aber das sagt nur der Kopf, der Leib ist in höchster Aufregung - und verkrampft genau deswegen, weil ich um jeden Preis einen guten Eindruck machen will. Da bewundere ich echt die Leute mit so großem Selsbtbewußtsein, die in jeder Situation ganz locker und cool bleiben. Aber ich weiß auch, daß dies nicht immer die besseren oder intelligenteren Menschen sind. Oft sind sie einfach nur unsensibel.
Ich versuch natürlich auch, nicht hypersensible zu werden...
Oh, entschuldige für den langen Sermon. Weiß gar nicht, ob du was mit diesen Erfahrungen anfangen kannst. Vielleicht hört man mal wieder voneinander.
LG und frohe Ostern
Alpenrausch
06.04.2012 11:07 •
#2