Hi Paula,
ich möchte meinen Blickwinkel einfach mal hinzufügen:
Eine abhängige Verstrickung mit dem Elternhaus, der Familie, kann dazu führen, dass das Leben nicht mehr als selbstbestimmt wahrgenommen wird. Es werden ihm aus Rücksichtsnahme Situationen erspart, die ihn zur Auseinandersetzung mit seinen Problemen zwingen würden. Das fühlt sich als Niederlage an, wertet das Selbstbewußtsein ab und nimmt die Möglichkeit an einer kontrollierten Bearbeitung der Probleme zu wachsen. Ist das Selbstbewußtsein weit genug im Keller, werden dann die Beteiligten als Schuldige erkannt. Der Hass richtet sich nicht mehr nur nach innen, sondern auch nach außen. Ich sehe dies als Impuls, die für ihn notwendige Loslösung einzuleiten. Vielleicht ist da schon unbewusst einkalkuliert, dass man ihm endlich nicht mehr hilft, wenn er sich unakzeptabel verhält. Sich helfen lassen ist genauso verführerisch (Hach, ich kann mich der Angstsituation entziehen.), wie demoralisierend (Verdammt, wieder nicht gepackt.). Wem zu viel geholfen wird, der verfügt irgendwann nicht mehr über das Selbstbewußstsein (Woher den auch, wenn er nichts erkämpft?) um im Alltag zu bestehen.
Die größte Hilfe wäre in einer solchen Konstellation nach einer ersten Stabilisierung eine Familie die ihn dabei unterstützt, dass er ein wirklich eigenes Leben aufbaut, mit angemessener Distanz zum Elternhaus. Ich meine unterstützen dabei nicht als übernehmen. Sondern eher als sorgsam anschiebend. Dann besteht für ihn auch die Chance über das aus eigener Leistung erreichte Selbstwert aufzubauen. Dazu ist dann aber erstmal ein gewisser emotionaler Abstand zu deinem Bruder erforderlich. Schon allein damit niemand in Versuchung kommt in das alte ungünstige Verhalten abzugleiten, das für ihn in eine Sackgasse geführt hat.
Das ist natürlich nur meine unprofessionelle Vorstellung, die sich bei mir beim Lesen deines Berichts geformt hat. Unter der Voraussetzung, dass dein Bruder wirklich unter etwas leidet, bei dem es im wesentlichen um soziale Phobie/vermeidendes Verhalten geht. Mit der Depression als Folgeerkrankung. Ohne Trübung der Realitätswahrnehmung. Es gibt sicher noch einige andere seelische Erkrankungen, die das von dir geschilderte erklären könnten. So wirklich weiterplanen könnt ihr als Familie erst, wenn Diagnose und Therapieempfehlung der Klinik stehen.
Ich kann ihm und euch als Familienverbund nur wünschen, dass er A) den Klinikaufenthalt und B) die anschließende langfristige ambulante Therapie(n) durchzieht. Das ihr ihn in Richtung Therapie und somit Klinikaufenthalt geführt habt, das war das beste, was ihr für ihn in der Situation leisten konntet. Innerhalb von zwei Wochen ändert sich seelisch leider noch nicht viel. Bedenke bitte, wie lange sich das Ganze entwickelt hat.
Viele Grüße
12.02.2017 20:17 •
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