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Wie offen geht ihr eigentlich mit Erkrankungen um? Ich habe durch oder wegen des Benzos Entzuges, immer noch massive Gedächtnisprobleme, Konzentrationschwieriegkeiten, Depressionen und als Folge dessen oder zusätzlich Selbstmordgedanken. Oft fällt das halt schon auf, z. B. auch beim Sport. Der mir aber schon gut tut. Nach längeren Krankenhausaufenthalten bzw. der Reha, wird natürlich auch gefragt. Einfach z. B. die Suchterkrankungen raushauen, ist halt auch immer so eine Sache... noch dazu überdecken, die ja oft einiges nur, bei mir z. B. die vorherigen Depressionen.

23.04.2024 07:39 • 23.04.2024 #1


6 Antworten ↓


Zitat von Abenddämmerung:
Wie offen geht ihr eigentlich mit Erkrankungen um?

Meinst du allgemein gegenüber anderen Leuten? Also Freunde, Verwandschaft, Arbeitskollegen, Sportvereinskollegen usw?

Falls du das meinst:
Ich gehe damit sehr offen um, besonders im Verwandten- und Freundeskreis.
Das war aber nicht immer so und dauerte etliche Jahre, bis ich das konnte.
Die Offenheit hat mir sozusagen den Stein von der Brust genommen und macht vieles einfacher. Zugeben muss ich aber, dass ich bei neuen Leuten nicht selbst das Thema anspreche, sondern erst, wenn es nicht anders geht. Dann aber verheimliche ich nichts, weil das eher zu Problemen führt.

Womit ich leben muss, ist, dass einige Menschen, die selbst mit solchen Erkrankungen keine Erfahrung haben, nicht immer alles verstehen und nachvollziehen können. Aber das müssen sie auch nicht und ich mache ihnen auch keinen Vorwurf, weil man es einfach nicht verstehen kann, wenn man es selbst nicht erlebt hat. Solange sie meine Erkrankung und die Folgen daraus akzeptieren, ist alles gut umd reicht mir aus. Dieses Akzeptieren ist natürlich auch nicht immer der Fall bei jedem, aber ich bin der Meimung, dass Verheimlichen nicht gut ist und eher irgendwann sogar negative Auswirkungen hat.

Erstaunlich ist auch, wenn man merkt, wie viele doch dann unterschwellig zugeben, dass sie auch schon psychische Probleme oder entsprechende Erkrankungen hatten. Psychische Erkrankungen sind eindeutig mittlerweile eine Volkskrankheit und das sollte es uns allen erleichtern, offener damit umzugehen. Maske aufsetzen ist keine Lösung.

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Öffentlicher Umgang mit Erkrankungen

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Allgemein, aber schon eher bei Leuten, mit denen man öfter zu tun hat.
Ich bin halt aufgewachsen mit einer Erziehung, sowas immer eher zu verbergen und keine Schwächen zu zeigen. Auch meine sonstige Erfahrung, hat nicht unbedingt zu Offenheit beigetragen. Unter Gleichgesinnten habe ich eher weniger Probleme.

Zitat von Abenddämmerung:
Ich bin halt aufgewachsen mit einer Erziehung, sowas immer eher zu verbergen und keine Schwächen zu zeigen.

Dafür kannst du nichts. Das ist bei ganz vielen Leuten der Fall und genau das führt eben dazu, eine Maske aufzusetzen und Dinge zu verheimlichen bzw eben nicht offen darüber zu reden.

In guten Therapien kann man das einigermaßen in den Griff bekommen und lernen, Stück für Stück etwas offener zu sein, sofern es einem eben gut tut.
Ich kann mir vorstellen, dass es für Leute wie dich ziemlich anstrengend ist, wenn Du offen mit deiner Erkrankung umgehst.
Das Problem ist aber glaube ich, dass das Gegenteil für uns selbst eben auch nicht der bessere Weg ist (so zumindest meine Erfahrung).
Bevor ich mich geöffnet habe, begleitete mich eine ständige Angst, entlarvt zu werden. Ich hatte teils ja richtig gelogen und Geschichten erfunden und der Typ, der einfach sagt ich will nicht drüber reden bin ich auch nicht, denn allein dieser Satz weckt beim Gegenüber ja schon Skepsis.


Zitat von Abenddämmerung:
Unter Gleichgesinnten habe ich eher weniger Probleme

Das ist gut und normal.
Man hat da weniger Angst, auf Unverständnis zu stoßen.
In Selbsthilfegruppen kann man sich logischerweise z.B. am meisten öffnen.

Die Kunst wäre also, eine Balance zu finden, bei der man sich komplett öffnet gegenüber Personen wo es positive Folgen und Auswirkungen auf einen selbst hat und eher zurückhaltend zu sein gegenüber Personen, wo es nicht unbedingt nötig ist.
Das ist halt nicht so einfach.

Ein Risiko kann immer dabei sein, keine Frage, aber das ist in beide Richtungen so.
Ich kenne Leute, denen ihr Job gekündigt wurde, nachdem sie ihre psychische Erkrankung offengelegt haben gegenüber dem Arbeitgeber.
Ich kenne aber auch viele Leute, die durchgehend positive Erfahrungen mit ihrer Offenheit gemacht haben und das auch gegenüber ihrem Arbeitgeber.
Und dann kenne ich noch Leute, die durch ihr Maske aufsetzen und verschweigen Stück für Stück schleichend selbst fast daran zerbrochen sind, weil es ihre Erkrankung verschlimmert hat (innerlicher Druck und Stress wurde immer mehr).

Nun ja, ich habe ganz klar mentale Schwächen, ob die jemals wieder besser werden, weiß man nicht. Das Dauerhaft zu verbergen, zu überspielen kostet Kraft. Ich mich halt auch gerne in der Rolle, des gesunden und alles kein Problem Typs gesehen (war ich nie wirklich!)... Zeigt man dann z.B. bei Personal, dass man schon lange kennt, seinen Schwerbehindertenausweis vor, kostet dies schon erst mal etwas Überwindung...

Früher hätte ich vermehrt mit Rückzug reagiert, was ja alles noch viel schlimmer machen kann. Ich denke auch langsam gelingt mir das besser. Ich will ja auch nicht als etwas anderes behandelt werden.

Zitat von Abenddämmerung:
Das Dauerhaft zu verbergen, zu überspielen kostet Kraft.

Ganz genau. Dieses Überspielen kann Jahre oder gar Jahrzehnte klappen bzw. man kann das lange aushalten, aber irgendwann wird es nicht selten zu viel und man kann nicht mehr.
Dabei bräuchten besonders wir die Kraft für andere Dinge.
Und das ist dann eben das Problem....will man seine Kraft dafür aufbrauchen, um anderen Leuten gegenüber ständig eine Maske aufzusetzen oder geht man das (zugegeben vorhandene) Risiko ein, reinen Tisch zu machen, ehrlich und offen zu sein?
Wie gesagt - jeder Weg ist ein Risiko. Das ist eine Sache, die man sich klarmachen muss.
Es gibt keinen Weg ohne Risiko. Es ist nur die Frage, welcher Weg dauerhaft der mit den weniger schlechten Folgen für einen selbst ist. Wir entscheiden uns im Endeffekt nur, damit es uns besser geht und nicht dafür, dass wir es anderen Menschen angenehmer oder weniger schwer machen.


Zitat von Abenddämmerung:
Ich mich halt auch gerne in der Rolle, des gesunden und alles kein Problem Typs gesehen (war ich nie wirklich!)

Kenne ich auch von mir von früher. Das Problem (keine Schwäche zeigen) ist doch mittlerweile ein allgemeines Gesellschaftsproblem (besonders im Job). Der Druck ist entsprechend immens und dadurch entstehen bei vielen Menschen auch erst psychische Probleme.
Ich kenne mittlerweile so viele Leute mit psychischen Problemen (vor allem seit der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe und meinem offenem Umgang mit meiner Erkrankung), dass ich fest der Überzeugung bin, dass ein großer Teil aller Menschen da draußen viele Probleme mit Maske überspielt. Die Dunkelziffer an psychischen Problemen ist viel größer, als die meisten denken. Es muss nicht jeder gleich in eine Klinik oder in Therapie .... natürlich gibt es unzählige Abstufungen von psychischen Problemen von leicht/vorübergehend bis hin zu ganz schwer/dauerhaft, aber sehr viele Menschen wollen es nicht sehen oder wahrhaben und verstellen sich eben. Das beweist aber, dass diese Menschen in Sachen Selbstbewusstsein eben auch nicht besser oder stärker sind als wir. Sie erschaffen nur ein Scheinbild einer starken Person. Das Krasse ist, dass ich sogar die Erfahrung gemacht habe, dass Leute, die immer gut gelaunt, gut drauf und selbstbewusst wirken, oft sogar insgeheim am meisten Probleme haben. Du glaubst nicht, was ich da schon alles erlebt habe, wenn dann mal der Vorhang weggezogen wird.

Was ich noch ergänzen will:

Meine Erfahrung ist:
Je offener und ehrlicher man ist (auch mit seiner Erkrankung), desto mehr erkennt man, wie die Menschen um einen herum wirklich drauf sind und ob es wert ist, sich mit ihnen abzugeben. Das trifft sogar auf den Arbeitgeber zu. Wer möchte bitte moralisch gerne bei einem Arbeitgeber arbeiten, der einem sofort kündigt (natürlich mit irgendwelchen blöden Ausreden/Begründungen), wenn man sich als psychisch krank outet? So ein Arbeitgeber kann mich mal - da möchte ich schon aus moralischen Gründen nicht arbeiten.
Wer möchte Kontakt und Freundschaft zu Menschen haben, die einen als verrückt abstempeln oder als weniger wert ansehen, wenn man sich gegenüber diesen outet?
Seien wir doch ehrlich: Letztendlich ist es sogar besser, deutlich zu wissen, wie manche ticken oder welche Ansichten sie haben. Das ist manchmal hart und enttäuschend, aber es ist eben echt/ehrlich/ohne Maske. Ich will keine Menschen als Freunde haben, die mich nur gut finden, wenn ich gesund, ohne Schwäche und nicht anstrengend bin. Dafür ist mir mein Leben zu schade.

Das ist übrigens bei anderen Situationen auch so, dass Masken fallen oder man erst erkennt, wer wirklich wie drauf ist. Nimm Corona, nimm politische Einstellungen, die aufgrund von Krisen ans Licht kommen bei jedem, nimm das Klimathema und und und...
Es braucht manchmal Krisen (und unsere Erkrankung kann man auch als solche sehen) und außergewöhnliche Phasen, damit man wirklich erst erkennt, wie manche Menschen aus unserem Umfeld ticken oder ob sie zu uns passen. Dann erst wird sichtbar, ob der angeblich beste Freund (oder sogar Partner) wirklich zu uns hält oder Rücksicht auf andere Menschen nimmt oder nur an sich denkt oder nur ans Geld.

Daher ist meine Richtung für mich völlig klar (auch wenn es nicht immer leicht ist):
Keine Versteckspielchen, kein Verstellen, keine Maske, sondern offen und ehrlich so gut es geht Klartext reden und sich nicht verstecken. Ich bin mit dieser Entscheidung bisher mehr als gut gefahren und habe es insgesamt bisher nicht bereut, sondern wurde sogar erstaunlicherweise oft positiv überrascht in Sachen Reaktion vom Gegenüber (weil rein statistisch eben die meisten Menschen auch ihre Probleme haben und das geben sie oft erst zu, wenn da jemand ist, der sich auch öffnet). Das kann dann manchmal auch zu noch intensiveren Freundschaften/Erfahrungen/Austausch führen.

Und ja, ich weiß, dass diese Offenheit einigen unfassbar schwer fällt, gar keine Frage.
Das ist aber bei vielen Dingen im Leben so...dieses schwer fallen.




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