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Ich muss dazu sagen, das Ganze hat eine sehr ungewöhnliche Vorgeschichte.

Für Marie

Ein elends- heißer Sommertag stand bevor, ich war sechs Jahre alt und du vier.
Es wurde uns erlaubt,(natürlich unter strengen Auflagen) den naheliegenden Kiosk aufzusuchen, um uns ein Eis
zu holen.
Wir kannten die Regeln - am Bürgersteig bleiben, uns an den Händen halten und danach sofort nach Hause.
Du hattest dein Lieblingskleid an, das mit den roten Punkten, wo es immer einen Kampf gab, weil du es am liebsten
auch nachts angezogen hättest, zum schlafen.
Am Kiosk angekommen, holten wir unser Eis - du wie immer deine Lieblingssorte mit viel Schokolade und ich mein
Tüten Eis mit Erdbeer.
Wir machten uns auf den Rückweg, nicht mal 300 m lag der Kiosk vom Elternhaus entfernt und wir waren den Weg
schon einige Male zusammen gegangen.
Dann ging alles so furchtbar schnell. Zwei Katzen, die sich jagten, sprangen aus dem Gebüsch und schossen direkt auf die Straße zu. Du hast dich losgerissen und bist hinterher.

Das kreischen der Bremsen, ein dumpfer Aufprall und du lagst am Asphalt, wie eine seltsam verrenkte Puppe
und ich stand da, unfähig alles zu begreifen und spürte das Eis auf meiner Hand zerlaufen.

Damals wusste ich noch nicht, dass ich nie mehr in meinem Leben Eis zu mir nehmen kann,
ich wusste auch nicht, dass ich dich das letzte mal in meinem Leben sehen sollte.
Irgend jemand brachte mich weg-weg von diesem grauenvollen Ort, der dir das Leben genommen hat.
Und mein Leben für immer zerstört hat.

In so wenigen Sätzen kann man die Tragik des Lebens auf den Punkt bringen, aber die Folgen dessen , lassen mich nicht mehr los. Von Trauerbegleitung ,bis Psychotherapien ,all das konnte meine Panik und Angstattacken bisher nicht lindern
und deshalb bin ich hier.

Marie, du warst meine kleine Schwester und ich habe dich so , so lieb.

12.04.2020 17:45 • 13.04.2020 x 7 #1


6 Antworten ↓


Das berührt mich jetzt sehr.

Wahrscheinlich hast du schon tausendmal gehört, dass du keine Schuld trägst. Du ein Kind warst.
Deine Schwester bleibt ein Teil von dir. Das wird immer so sein.

Ich kann nicht mehr, dir für diesen Augenblick eine Umarmung zu schicken...

A


Darum bin ich hier - Trauma in meiner Jugend / Unfall

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Zitat von Tautropfen:
Das berührt mich jetzt sehr.Wahrscheinlich hast du schon tausendmal gehört, dass du keine Schuld trägst. Du ein Kind warst.Deine Schwester bleibt ein Teil von dir. Das wird immer so sein. Ich kann nicht mehr, dir für diesen Augenblick eine Umarmung zu schicken...


Ich danke dir sehr,für deine lieben Worte.
Es ist heute tatsächlich das erste Mal,dass ich es nieder geschrieben habe.
Bisher konnte ich das nicht.
Natürlich wurde in all den Therapien darüber gesprochen,aber so schwarz auf weiß zu lesen,nochmal was anderes.
Vielleicht hilft es mir,im Forum zu sein,ich bin ja seit 2016 stille Mitleserin und mittlerweile beteilige ich mich auch schon gerne beim mitschreiben.

Ich finde das sehr gut, dass du geschrieben hast.

Vielleicht ist es ein Stück loslassen von dem inneren Druck.

Mir geht es jedenfalls so. Je mehr sich der innere Druck aufbaut, umso schlimmer wird es in mir.

Schreiben und reden finde ich hilfreich, auch wenn andere Menschen keine Lösungen haben. Es reicht manchmal schon, dass jemand da ist.

@ Cortex auch ich möchte dir ein paar Zeilen schreiben....ich muss einfach!
Habe lange überlegt und weiß auch das man nichts ungeschehen machen kann,dass es alles furchtbar ist und so etwas nie zu vergessen ist das kann ich sehr gut nachempfinden....es schmerzt so sehr!
Gut finde ich das du anfängst dich mitzuteilen denn das ist der richtige Weg und kann eine Therapie unterstützen, du musst den Schmer aus dir herauslassen egal zu welchen Hilfsmitteln du greifst.....wenn es dir nur ein wenig Erleichterung verschafft. Wünsche dir das der schwere Weg für dich eines Tages etwas besser zu gehen ist und versuche immer wieder aufs neue auf einen leichteren Weg zu zu steuern. Liebe Grüße

Zitat von Cortex:
Marie, du warst meine kleine Schwester und ich habe dich so , so lieb.

Mir kommen gerade die Tränen denn ich habe vor 4 Monaten auch meine kleine Schwester verloren.
Sie war 10 Jahre jünger als ich und ich mache mir auch Vorwürfe ob ich alles richtig gemacht habe.
Man sagt ich hätte nichts machen können aber wenn ich vieleicht früher den Notarzt gerufen hätte..das zermürbt mich auch manchmal.
Ich drücke dich mal.....

Ich weiß gar nicht, was ich dazu schreiben kann, aber ich möchte gerne auch ein paar Worte finden.

Auch wenn es sich voll blöd anhört, aber du hast es wirklich super schön geschrieben, obwohl es so unendlich traurig ist.

Ich wünsche dir, dass du das Geschehene so weit verarbeiten kannst, dass du einigermaßen damit leben kannst - ohne Angst und Panik. Natürlich trifft dich keine Schuld. Deine Schwester hat aus Reflex gehandelt, und es ging alles super schnell.

Wünsche dir alles Liebe und drück dich mal.




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