Ich bin 21 und hatte nie eine Beziehung, aber auch nie das Bedürfnis danach, auch wenn ich ab und an mal oberflächlich verknallt war. Mir war zwar immer klar, dass ich spät dran bin, aber Liebe, Hochzeit, Familie, Kinder, das war nie etwas für mich. Bis ich letztes Jahr im November auf einer anonymen Chat-App eine Nachricht (total banal) von ihm bekam und antwortete. Rein aus Langeweile, ich wollte sie eigentlich erst löschen. Hätte ich mal besser. Wir haben geschrieben, später auch bei WhatsApp, und es war schön und aufregend. Er hat mit mir geflirtet, war aufmerksam und interessiert, brachte mich zum Lachen, aber war auch fürsorglich, wenn es mir schlecht ging. Nach einem Streit, bei dem ich etwas in den falschen Hals bekommen hatte und ihn blockierte, rief er mich an. Er hat irgendwie zu mir aufgesehen und mir das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Dieses Gefühl kannte ich davor einfach nicht. Nachdem wir uns das erste Mal gesehen hatten, war er tatsächlich sogar verzweifelt, weil er Angst hatte, Gefühle für mich zu entwickeln und verletzt zu werden, er hat beim Abschied sogar geweint (ich war sehr gerührt, wenn auch etwas überfordert).
Gesehen haben wir uns insgesamt erst drei Mal zwei Mal davon, bevor es zu Ende ging. Es war total schön, ich habe meinen ersten Kuss von ihm bekommen, hatte mein erstes Mal mit ihm und es hat sich absolut richtig angefühlt. Aber dann ist alles gekippt. Wir haben öfter gestritten. Es war immer meine Schuld. Ich leide seit meiner Kindheit an Depressionen, wahrscheinlich ausgelöst durch emotionale Vernachlässigung und emotionalen Missbrauch durch meine Eltern, generell ist mein Elternhaus ziemlich kaputt (wovon ich ihm gegen Ende erzählt habe, aber da war es dann laut ihm zu spät). Dann kam noch Corona und meine Nerven lagen eigentlich immer blank. Ich habe also (unbewusst) oft wegen Kleinigkeiten Stress angefangen. Er wollte keinen Kontakt mehr, hat mir aber eine letzte Chance gegeben, weil ich gebettelt habe, und die habe ich auch wieder verdorben. Das war vor fast fünf Monaten. Dann hat er mir zuliebe angeboten, sporadischen, freundschaftlichen Kontakt zu halten, jedoch wollte er erst eine Kontaktpause, an die ich mich aber nicht halten konnte, weil es für mich so viele unausgesprochene Dinge gab.
Zwischenzeitlich hatte ich auch angefangen, ein Antidepressivum zu nehmen, leider ohne Erfolg. Vor einem Monat haben wir uns noch in seiner Heimatstadt gesehen, wo ich im Urlaub war (war schon vor ihm geplant). Da hatten wir wieder Streit, weil ich angespannt war, nicht viel geredet oder gelacht habe. Wir hatten daraufhin noch ein längeres Gespräch über meine Gefühle. Er sagte, er hätte es einfach nicht zugelassen, dass auf seiner Seite welche entstehen, als er gemerkt hätte, dass es nicht funktionieren kann. Er sagte, Liebe sei ein A*schloch ich wünschte, ich hätte sagen können, nein, das A*schloch bist du, aber ich war es, ich ganz alleine. Er sagte, ich sei beim Texten ganz anders als in Echt; dass es, selbst wenn er sich verliebt hätte, nie für eine Beziehung gereicht hätte. Das war wie mit kaltem Wasser übergossen zu werden. Ich bin so schwierig, so unaushaltbar, dass man nicht mal eine Beziehung mit mir führen kann, wenn man sich in mich verliebt. Ich weiß schon länger, dass irgendetwas mit mir einfach falsch ist. Freundschaften halten bei mir nie lange. Er war nicht der erste, der den Kontakt zu mir abbrechen wollte, das haben auch ehemalige Freunde schon getan, weil es ihnen ohne besser geht. Auch welche, mit denen ich nie Streit hatte. Anderen Menschen geht es besser ohne mich. Das ist eine ziemlich bescheidene Erkenntnis.
Nach dem schiefgegangenen Treffen in seiner Heimatstadt hatten wir auf seinen Wunsch hin wieder für Wochen keinen Kontakt. Natürlich war ich wieder diejenige, die sich meldete. Er möchte einfach nur befreundet sein. Natürlich konnte ich nicht nein sagen, auch, wenn es mir das Herz zerreißt, so nüchtern und kalt mit ihm zu schreiben. Zudem bin ich mir ziemlich sicher, dass er bereits eine Neue hat. Die ihn im Gegensatz zu mir glücklich macht.
Vor zwei Wochen wurde mir noch von einer Person, die ich für meine beste Freundin hielt, die Freundschaft gekündigt, wegen eines Streits (der diesmal nicht meine Schuld war und auch nicht wirklich schlimm). Das hat mir endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen, denn meine Freunde kann ich mittlerweile an einer Hand abzählen und da ich diese im Internet kennengelernt habe und sie weiter weg wohnen, sehe ich sie auch nur äußerst selten. Mittlerweile habe ich auch wieder eine Therapie angefangen (die fünfte).
Zurück bleiben ganz viele schöne Erinnerungen an die Zeit mit ihm. Alles erinnert mich an ihn. Jedes Mal fühlt es sich an, wie ein Schuss direkt durchs Herz hindurch.
Zurück bleiben Reue und Schuldgefühle. Er war das Erste in meinem Leben, was dieses lebenswert gemacht hat. Ich weiß nicht, wie ich mir jemals verzeihen soll, das kaputtgemacht zu haben. Ich kann mit diesen Schuldgefühlen nicht leben.
Zurück bleibt die Angst, für den Rest meines Lebens allein zu bleiben. Ich habe niemanden. Ich würde so gerne heiraten, Kinder bekommen, einfach ein Zuhause haben und ankommen. Das ist alles, was ich mir vom Leben wünsche, aber genau das soll mir verwehrt bleiben.
Ich habe eigentlich keine Probleme, Männer kennenzulernen, mache seit einigen Wochen Online-Dating, werde ab und an auf der Straße angesprochen, usw. Aber niemand ist wie er. Bei niemandem kann ich mich so geborgen fühlen und so ich selbst sein. Mit keinem fühlt es sich so kribbelig, so intensiv an. Und davon abgesehen, ist da immer diese Stimme in meinem Hinterkopf, die mir sagt, dass es eh nur wieder genauso laufen wird:
Anfangs bin ich interessant, aber sobald die Männer merken, dass ich so viele Probleme und schlechte Eigenschaften habe, sind sie weg. Ich bin nicht interessant, fröhlich und offen genug. Aber ich werde wieder die Doofe sein, die Gefühle entwickelt, und dann verletzt wird. Außerdem erinnert mich jeder neue Mann in meinem Leben nur wieder daran, was ich an ihm verloren habe.
Ich will mich nicht mehr an Menschen in meinem Leben gewöhnen, weil am Ende doch jeder wieder verschwindet. Wenn ich sterben würde, oder sonst auf irgendeine Art verschwinden, würde es niemand bemerken (außer vielleicht die Leute in meinem Ausbildungsbetrieb, wenn ich nicht mehr zur Arbeit erscheine) oder wenn, würde es niemanden interessieren. Ich bin unbedeutend. Ich wollte nie die ganze Welt verändern oder so, nur für eine Person wichtig sein, jemanden glücklich machen können. Stattdessen mache ich alle nur unglücklich, mache alles nur kaputt.
Auch nach fast einem halben Jahr ist der Liebeskummer nicht besser. Ich weine jeden Tag, auf der Straße, bei der Arbeit, weine mich in den Schlaf. Trotzdem geht es mir nicht besser. Mein Zimmer ist eine Müllhalde, weil ich keine Energie habe, es ordentlich zu halten. Ich verlege meine Schlüsse, meine EC-Karte. Ich kann nicht mehr lesen, nicht einmal eine Serie schauen, weil ich mich auf nichts mehr konzentrieren kann außer auf ihn. Es ist ein Strudel aus Erinnerungen, Schuldgefühlen, Selbsthass, Hoffnungslosigkeit und irgendwie auch Wut auf ihn, weil er an mir nur meine Fehler gesehen hat, uns keine Chance gegeben hat. Ich verzweifle daran, dass ich nicht die Zeit zurückdrehen und alles besser machen kann. Es tut so weh, ich kann es nicht in Worte fassen. Wie konnte ich nur so blöd sein und nicht merken, was ich an ihm habe. Ich habe die einzige Chance meines Lebens verdorben.
Ich würde noch immer ohne zu zögern mein Leben für seines geben. Wenn man jemanden liebt, fühlt es so wichtig an, und dann merkt man, dass es eigentlich sch*ißegal ist. Es bedeutet einen Dreck.
Ich weiß nicht ob das hier jemand liest, es war wohl ein ziemlich langer und wirrer Text. Keine Ahnung, ob man mir überhaupt noch Ratschläge geben kann. Es ist einfach alles verloren, ich habe alles so sehr verbockt. Ich hasse mich so sehr.
16.07.2020 11:22 • • 21.07.2020 #1