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Hallo ihr Lieben, ich grüße euch.

Ich stecke momentan in einer Krise und möchte einfach mal versuchen, mir den Kummer etwas von der Seele zu schreiben. Ich versuche mich kurz zu fassen, da ich weiß, dass es viel Mühe kostet, sich lange Texte durchzulesen. Mir fällte es jedoch schwer, nicht zu weit auszuschweifen.

Meine Vorgeschichte: Ich bin 24 Jahre alt und habe gerade meinen Masterstudium abgeschlossen. Meine Kindheit war geprägt von Beziehungsabbrüchen und wenig Empathie. Meine Mutter bekam mich mit 21 Jahren und trennte sich von meinem Vater, als ich zwei war. Sie zog mich allein groß, doch ist aufgrund ihrer eigenen unaufgearbeiteten Lebensgeschichte nicht in der Lage, sich liebevoll um mich zu kümmern. Ich musste sehr viel Zeit im Kindergarten verbringen (10 Stunden täglich), da sie viel arbeitete. Zu meinem Vater bestand nur noch sporadisch Kontakt - bis ich 9 Jahre alt war und er eine neue Frau kennenlernte zwei weitere Kinder bekam. Seitdem hatte er eine neue Familie, so kam es mir vor, und stellte den Kontakt zu mir ein. Bis heute hat kein klärendes Gespräch zu den Gründen für seinen Rückzug als Vater stattgefunden, da er auf meine Gesprächsversuche diesbezüglich nicht reagiert. Als ich 4 war, kam meine Mutter mit ihrer alten Jugendliebe zusammen, mit dem sie bis heute verheiratet ist. Mein Verhältnis zu meinem Stiefvater war auch von Anbeginn eher ambivalent. Er hat mir, nachdem er mit meiner Mutter meinen Bruder bekam als ich 9 war, oft das Gefühl vermittelt das störende Element in seiner Familie zu sein. Mit 4 Jahren musste ich das erste Mal psychologisch behandelt werden (Verhaltenstherapie), da ich nicht mehr essen wollte, sodass ich ins Krankenhaus musste. Ich vermute, dass dies damals mein Ausdruck des Schmerzes war, die ich nicht verbalisieren konnte. Oder durfte, denn: Meine Familie und insbesondere meine Mutter schweigt bis heute alles Emotionale tot. Sie vermeidet es, Gefühle zu zeigen, Schmerz zuzulassen oder auch meine Empfindunegn auffangen zu müssen. Ich vermute, es würde ihre eigenen unaufgearbeiteten Erfahrungen ihrer schweren Kindheit hochkommen lassen, unerträglich werden, ihre eigenen Schutzmechanismen zerstören. Diesem Verhalten scheine ich mich sehr früh angepasst zu haben, indem ich mich niemanden anvertraute und nach außen hin als braves Kind funktionierte. Mit 16 Jahren bekam ich Panikattacken, die ich im Rahmen einer Verhaltenstherapie gut in den Griff bekam. In der Schule und im Studium - also auf Leistungsebene - hatte ich hingegen nie Probleme, war immer Klassenbeste, übersprang die dritte Klasse.

Der verletzte und vernachlässigte Teil meiner Seele zeigt sich seitdem vor allem in meiner Partnerschaft. Als ich 14 Jahre alt war, begann ich eine Beziehung zu einem Jungen aus meiner Klasse, der mich jetzt seit über 10 Jahre begleitet. Wir erlebten zunächst 4 Jahre lang eine intensive Jugendliebe, bis er mich nach dem Abitur verließ, da er in eine neue Stadt ging, Party machen und sich ausleben wollte. Ich brach den Kontakt zu ihm ab, weil ich sehr stark unter der Trennung litt. Nach einem Jahr trafen wir uns zufällig wieder und er wollte wieder mit mir zusammen sein, war der vielen bedeutungslosen Partyknutschereien müde. Unsere Beziehung hielt jedoch wieder nur ein Jahr. Dies wiederholte sich noch zwei weitere Male. Inzwischen waren wir beide 23 und er versicherte mir monatelang in unzähligen Gesprächen, jetzt soweit zu sein, eine gesunde und dauerhafte Partnerschaft mit mir aufbauen zu wollen. Nach gut einem Jahr hat er mich vor 3 Wochen wieder von heute auf morgen verlassen - er liebe mich zwar noch als Person, doch wäre nicht mehr verliebt. Ich weiß, dass Gefühle nicht einfach verschwinden, sondern schon vorher eine schrittweise emotionale Abkapselung stattgefunden haben muss. Dennoch kam die Trennung sehr plötzlich für mich. Vor wenigen Wochen sprach er noch vom Zusammenziehen, plante Urlaube und seine Zukunft mit mir. Sein erneutes Schlussmachen war auch so erschütternd für mich, weil wir ebendieses Szenario so oft besprochen hatten und er dutzende Male versicherte, nicht mehr so handeln, da ich die Frau bin mit der er sein Leben verbringen möchte.

Dabei kennzeichnen sich unsere Beziehungsanläufe durch eine sich immer wiederholenden Dynamik. Anfangs, wenn wir nach langer Zeit ohne Kontakt, wieder zueinander finden, ist er euphorisiert von dem Gedanken, mich endlich wieder in seinem Leben zu haben, idealisiert mich, sagt und strahlt aus, dass ich die Eine für ihn bin und immer war, die Besondere, ohne die er nie vollkommen glücklich sein kann, die einzige, zu der er trotz seiner vielen Frauenbekanntschaften in unseren Trennungsphasen, Gefühle entwickeln konnte. Wie ich, wollte er noch nie eine Beziehung mit jemand anderem eingehen. Nach einem anfänglichem Distanzspiel, gebe ich mich seiner Zuwendung wieder vollkommen hin. Ich fühle mich als etwas Besonderes, durch die Tatsache, dass ich die Einzige für ihn bin und er trotz seiner “dieses Mal endgültigen” Trennungen, immer wieder den Drang verspürt, zu mir zurückzukehren. In den folgenden Monaten füttert er mich mit seiner überschwänglichen Liebe, investiert viel Zeit und Mühe in den täglichen Kontakt, überschüttet mich mit Aufmerksamkeit, sucht meine Nähe, ist überglücklich, mich wieder in seinem Leben zu haben, was er mir ständig sagt und zeigt. Ich hingegen gebe ihm in “diesem Stadium” häufig noch ein Ich brauche dich nicht-Gefühl, weil ich die Erfahrung gemacht habe, verlassen zu werden, wenn ich bedürftig bin. Ich sabotiere die Beziehung unbewusst, indem ich seine Zuwendung durch Zurückweisungen untergrabe, Konflikte schüre, indem auf jede noch so kleine Regung von ihm achte, die darauf hindeuten könnten, dass er mich doch nicht so sehr will, wie er vorgibt. Ich lehne mich an ihn an seine psychische Stabilität, nähre mich von seiner Liebe, er wird mein Ersatzpapa, mein emotionaler Halt. Ich belade all meine Unzulänglichkeiten und Mängel auf ihn, da er es seinerseits nicht schafft, seine persönlichen Grenzen zu ziehen. Vielmehr bietet er sich an, meine Last mitzutragen und schluckt alles, während ich ihn austeste, wie weit ich gehen kann, bis er mich dann doch wieder verlässt.

Er ist genauso alt wie ich und beruflich als Versicherungsvertriebler schon sehr erfolgreich. Seine Persönlichkeit sehr auf beruflichen Erfolg und Leistungsdenken geprägt. Ansonsten führt er ein selbstbestimmtes und nach eigenen Aussagen glückliches Leben. Er hat eine sehr gute Beziehung zu seinen Eltern und pflegt feste, langjährige Freundschaften.

Nach ein paar Monaten lassen dann seine Bemühungen langsam nach. Er ruft nicht mehr täglich an, will immer öfter Zeit ohne mich verbringen. Ich reagiere darauf mit starker Angst, die ich in Vorwürfen und Verheißungen entlade: Jetzt ist es wieder so weit. Du hast wieder keine Lust auf mich. Du verlässt mich. Anfänglich hat er dieses Mal versucht, auch diese Gefühle aufzufangen und mir klar gemacht, dass er mich nicht wieder verlassen wird, nur weil er wieder mal ein Wochenende ohne mich verbringen will. Doch ich lasse mich nicht beruhigen, werde weinerlich, fühle mich immer mehr vernachlässigt. Bis ich irgendwann wieder die Kontrolle verliere und mich so bedürftig zeige, dass er sich nicht mehr zu mir hingezogen fühlt und mich verlässt. Ich weiß schon sehr lange um die psychologischen Mechanismen in unserer Beziehung und habe dies auch am Anfang unseres letzten Versuchs sehr oft mit ihm besprochen. Wir haben beide die Abläufe analysiert, die hinter unseren fortwährenden Annäherungen und Trennungen stehen. Ich habe ihm meine Bedürftigkeit geschildert, von meinen Kindheitstraumata erzählt, von dem Umstand, dass ich abhängig werde von seinem anfänglichen, überschwänglichen Liebesbekundungen, die dann wieder abflauen, was in mir Verlustangst schürt. Wir hofften, dass offene Gespräche verhindern würden, dass wir uns dieses Mal wieder in dieselbe Spirale begeben. Er war sehr verständnisvoll, verhielt sich jedoch weiterhin genauso, weil er “nicht anders könne, als mir ständig zu sagen, wie sehr er mich liebt”. So kam es, dass er sich auch dieses Mal zunehmend weniger zu mir hingezogen fühlte, während ich immer mehr klammerte.

Ich bin mir bewusst, dass ich im Rahmen der selbsterfüllenden Prophezeiung dazu beitrage, dass unsere Beziehung immer wieder an den gleichen Punkten scheitert. Bin jedoch weder selbst noch mit seiner Hilfe in der Lage, dem entgegen zu steuern. Da ich weiß, dass die Gründe hierfür in den Mangelerfahrungen meiner Kindheit liegen, habe ich mich nach unserer letzten Trennung vor 2,5 Jahren eine Therapie begeben, um diese Gefühle nicht mehr in meine Partnerschaft durchspielen zu müssen. Ich versuchte es mit einer Psychoanalyse - und ich legte mich 2 Jahre lang 3 mal die Woche auf die Couch, um meinen Analytiker 50 Minuten lang anzuschweigen. Bisauf wenige Stunden, ignorierte ich jegliche Kontaktversuche von ihm. Auch wenn er mich zum reden ermunterte, schwieg ich. Ich deute dies als passiv-aggressives Verhalten: Endlich war ich einmal diejenige, die den anderen zurückweisen konnte, die Macht über die Beziehung hatte. Andererseits litt ich sehr darunter, da mein Verstand (Du möchtest du eigentlich so viel erzählen. Du hast doch diese Therapie begonnen, um dir selbst zu helfen...) nicht gegen dieses übermächtige Verlangen ankam, ihn anzuschweigen. Zwei Wochen vor Abschluss meiner Therapie, erlitt mein Analytiker einen Schlaganfall und war auf einmal nicht mehr erreichbar, was mich schwer mitnahm.
Darüber hinaus habe ich auch durch andere Wege versucht, Verantwortung für mein Beziehungsverhalten zu übernehmen. Ich habe Selbsthilfebücher gelesen, versucht, mit meinem inneren Kind zu arbeiten, mich selbst zu beeltern, zu meditieren, mich mit meinen realen Eltern auszusprechen (was leider fehlschlug) oder eben professionelle Hilfe zu suchen, indem ich diese trotz allen Schweigens sehr anstrengende und aufreibende Therapie durchzog. Ich weiß, dass ich mir Liebe, Wertschätzung und Aufmerksamkeit selbst entgegenbringen muss. Doch wie?

Zurzeit bin ich am Boden zerstört. Mein Partner hat mich wieder verlassen, mein emotionaler Halt ist weggebrochen, eine Quelle meines Selbstwerts, meine wichtigste Bezugsperson. Ich habe Angst, dass ich es nicht schaffen werde, mich jemals emotional von meinem Expartner zu lösen. Ich habe Angst, dass meine Kindheit mich mein ganzes Leben lang bestimmen wird, sodass ich meine Beziehungserfahrungen immer und immer wieder in Partnerschaften neu inszeniere - selbst wenn ich es doch schaffen sollte, mich irgendwann auf einen neuen Mann einzulassen.

Nach meinem Studienende vor 4 Monaten habe ich einen Job in der Stadt meines Partners gesucht, da er bis vor wenigen Wochen noch mit mir zusammenziehen wollte. Nun habe ich letzte Woche endlich eine Stelle bekommen. Mir fehlt nun die Kraft, in der Stadt neu anzufangen, in der ich eigentlich mit ihm mein Leben aufbauen wollte. In unseren vergangenen Trennungen war es immer mein Rettungsanker gewesen, zu wissen, dass er in woanders lebt. Gehe ich jetzt in seine Stadt, habe ich dort niemanden, außer der Gewissheit, dass er nur ein paar Kilometer von mir entfernt ist. Ich habe Angst, ständig den Impuls niederkämpfen zu müssen, mich vor seine Tür zu stellen. Dass es mir die räumliche Nähe unmöglicher macht, mich von ihm zu lösen. In anderen Städten habe ich keinen Job gefunden. Und ich brauche endlich dringend eine neue Aufgabe, einen Job, gerade jetzt.

Ich habe Angst, dass ich für immer von seiner Liebe abhängig sein werde, die er mir jetzt vielleicht nie wieder geben wird. Ich weiß nicht, ob ich ihn wirklich liebe, da es sich zu oft nach brauchen anfühlt. Andererseits schätze ich viele Eigenschaft seiner Person sehr: Er trägt sein Herz auf der Zunge, ist offen, treu, lebenslustig, gesellig, humorvoll, sehr liebevoll, spricht über seine Gefühle und verurteilt mich nicht für die meinigen. Er besitzt viele Eigenschaften, die ich in meiner Kindheit schmerzlich vermisst habe und in mir selbst nicht finden kann: Insbesondere das Aussprechen und Zeigen von Gefühlen, und auch dass er mich stets so angenommen hat, wie ich bin. Er hat eine ehrliches Interesse an meiner Person. Ich liebe seine unbeschwerte Art. Ich genieße es, bei ihm zu sehen, wie leicht das Leben sein kann, sein positives Denken, seinen Ehrgeiz, das beste aus seinem Leben machen zu wollen, zu spüren. Bis es eben zu dem Punkt kommt, an dem er eine 180-Grad Wendung macht und nur noch von mir weg will. Dann ist er für mich nicht mehr zugänglich, während ich immer verzweifelter werde. Es ist immer derselbe Ablauf. Seit 10 Jahren.

Ich vermisse ihn. Und ich finde nicht den Mut und die Kraft, den Job in der neuen Stadt anzutreten. Momentan lebe ich wieder in meinem Elternhaus, da ich alleine irgendwo anders gerade untergehen würde. Ich stecke fest. Ich bin unendlich traurig.

Sophie

07.04.2015 11:52 • 07.04.2015 #1


3 Antworten ↓


Hallo Sophie,
erster Gedanke, der mir einfällt: Du musst auf jeden Fall den Job antreten, sowas sollte dich in der Hinsicht nicht aus der Bahn werfen lassen, so schwer das auch klingen mag. Gerade als Absolventin musst du Berufserfahrung sammeln, kenne das selbst von meiner Freundin.

Nur weiß ich nicht in was für eine Stadt du ziehst. Ist es eine Großstadt, eine kleinere Stadt oder ein Dorf? Wie weit ist die Entfernung nach Hause zu deinen Eltern, zu deinen Freunden? Könntest du nach der Arbeit wieder nach Hause fahren? Ich habe ein ähnliches Problem momentan, wohne schon seit längerem in einer Großstadt und Anschluss habe ich hier auch noch nicht gefunden. Bin quasi mit mir selbst beschäftigt und das ist wirklich besch*ssen.

A


10-jährige On-Off-Beziehung in jungen Jahren

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Hallo sofie, ich begrüße dich mal herzlich bei uns.

Spontan würde ich dir auch dazu raten, den Job zu beginnen.

Du sprichst sehr reflektiert von deiner Vergangenheit. Warum du so bist, ist dir klar.

Leider neigen wir dazu, vertrautes, auch wenn es uns nicht gut tut, behalten zu wollen.
Der Schritt ins Unbekannte macht uns Angst.

Das gilt für deine nichtbeziehung und für den Job. Alles was du geschrieben hast, ist nachvollziehbar und auch echt belastend für dich.

Aber jetzt kannst du etwas ändern. Werde selbstständig. Wohin dich das führt? Keine Ahnung. Aber wage den Schritt nach vorne. Du hast Arbeit bekommen, also kümmere dich darum. Der Rest kommt, wie er kommt. Flüchten kannst du immer noch.
Und dass es dir z.zt. Nicht gut geht, ist verständlich.

Aber lass dich nicht unterkriegen. Kämpfe für dich. Diese Beziehung hat dir bisher nichts gebracht, also ........

Lieber Icefalki, Lieber Josef,

lieben Dank für Euren Zuspruch. Mir tut es gut, von Euch als Außenstehende ermunternde Worte zu hören, da ich emotional momentan so stark beteiligt bin, dass mir gerade der Blick für die richtige Entscheidung sieht. Man besteht nur aus diesem Schmerz und vergisst, dass man sich gerade jetzt wieder rauskämpfen muss - und auch, dass da irgendwo tief in einem drin die Kraft dafür stecken müsste. Uff...




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