Wer sagte: und sie dreht sich DOCH? Galileo Galilei, bezogen darauf, dass sich die Erde dreht, entgegen der damaligen Meinung der Gelehrten. Nein, keinesfalls möchte ich mich auch nur annähernd mit einem solchen Genie auf eine Stufe stellen, davon bin ich Welten entfernt. Aber es passt gerade zu meiner unerschütterlichen Meinung über mich selbst: und ich bin DOCH nur Dreck und Abschaum. So. Basta.
Also, zunächst dankeschön, dass Ihr so vieles von mir lest und für Eure Antworten. Ihr und das Forum helft mir im Moment sehr, denn die letzten Tage war ich alles andere als gut drauf. Kam vor Mittags nicht aus dem Bett, was sonst nicht meine Art ist. Aber wenn ich wach werde, auf die Uhr schaue und sehe, dass es 8 oder 9 ist, dann drehe ich mich noch mal um und frage mich, wozu jetzt schon aufstehen, das verlängert jeden Dreckstag nur noch. Ich weiß nicht, was ich hier treibe, richtig kann es nicht sein. Wie Ihr wisst, leide ich u.a. an Panikattacken, die zeitweise derart krasse Ausmaße annehmen können, dass mir nichts anderes bleibt, als eine Tablette zu nehmen. Ich nehme dagegen Alprazolam. Irgendwie scheint dieses Mittel jedoch auf das Gedächtnis zu wirken, denn ich tue dann Dinge, igendwie ein Mittelding zwischen bewusst und unbewusst, morgens kann ich mich an nichts mehr erinnern, sehe nur, wo und wie ich wohl wieder aktiv war und ich kriege nur mit Mühe auf die Reihe, welcher Wochentag, welche Tageszeit ist. Zudem nimmt das Problem derzeit wieder zu, dass ich, wenn ich unter Stress oder in Unruhe und Angst komme, wieder mit dieser Sprachblockade zu kämpfen habe, dann traue ich nicht mal mehr, irgendwo anzurufen oder wohin zu gehen, wo ich reden müsste, weil mir das grundpeinlich ist, denn ich hatte noch nie Probleme, mich vernünftig zu artikulieren.
Dieses auf und ab, es macht mich einfach fertig. Heute konnte ich mir wieder einmal selbst einen positiven Tritt ins gewisse Körperteil verpassen und einiges machen. Ich bin u.a. einfach zu meinem Hausarzt gegangen, habe das Problem mit dem Therapeuten geschildert und gefragt, ob sie mir, übergangsweise, Flunitrazepam und Alprazolam verschreiben könnten, und natürlich, ich bekam sofort mein Rezept. Dieses Problem habe ich also gelöst und bin für alle Notfälle weiterhin gewappnet. Von den Antidepressiva habe ich noch genügend, aber ich habe sie momentan einfach abgesetzt und es geht mir ohne sie genau so gut oder dreckig, als würde ich sie einnehmen. Drei verschiedene halte ich sowieso für zu viel, und nach über einem Jahr konnten sie auch nicht gegen diese depressiven Phasen helfen. Also lasse ich sie einfach weg.
Was meinen Therapeuten betrifft, so schrieb ich Euch, glaube ich, dass er mich im letzten Gespräch belogen hat insofern, als er behauptete, der Antrag auf Langzeitthera sei zunächst abgelehnt und dann bewilligt worden. Dem ist aber nicht so, das dachte ich mir gleich, weil es zeitlich überhaupt nicht hätte hinkommen können, denn ich bekam innerhalb von 14 Tagen von der TKK Bescheid, dass die Therapie genehmigt sei. Auf die Aussagen des Thera hin rief ich Nachmittags bei der KK an und fragte nach, ob es so gelaufen war und der Sachbearbeiter gab mir die Auskunft, dass dem nicht so gewesen sei, sondern dass man aufgrund des unabhängigen Gutachtens die Langzeittherapie sofort genehmigt hätte. Und der Mann von der TK muss es ja wohl wissen, er hätte ja auch nichts davon, mir Unwahrheiten zu erzählen. Mein Therapeut bot mir an, weiterhin die Medikation zu übernehmen und mir als Arzt zur Verfügung zu stehen. Aber wer bitte hätte da noch Vertrauen, wenn man derart vor den Kopf gestoßen und vorsätzlich belogen wird? Er warf mir vor, ich hätte ein Problem mit Regeln. Wie er darauf kam, ist mir schleierhaft, und gegen diese Aussage habe ich mich auch vehement zur Wehr gesetzt. Ich halte Regeln selbst für sinnvoll und verstoße nicht gegen sie, ich bin in meinem ganzen Leben ein einziges Mal schwarz gefahren, weil mich der neue Fahrkartenautomat dermaßen genervt hat, dass ich es einfach aufgab. Das war nicht richtig, aber ansonsten verstoße ich gegen keine Gesetze oder bestehende Regeln. Ich halte mich selbst auch strikt an ausgewiesenen Leinenzwang. Was unterstellt mir dieser Mensch damit eigentlich? Er bezog das auf die Zeit in der Psychiatrie, als ich auf der Geschlossenen war. Ich hatte ihm erzählt, dass ich ums Verrecken mit knapp 40 Jahren und als erwachsene Frau das Personal nicht gefragt hätte, ob ich eine halbe Stunde an die frische Luft darf. Das hat für mich nichts mit einem Regelverstoß zu tun, sondern damit, dass ich mich nicht (mehr) erniedrige oder erniedrigen lasse, von wem auch immer. Ist das etwa gesetzeswidrig? Und was ist mit dieser Lüge? Das ist m.E. mehr als Regelverstoß, denn damit ist bei mir jedenfalls das Vertrauen endgültig erledigt, so dass ich auf seine weitere angebotene Hilfe gut verzichten und mich selbst durchwurschteln will und auch kann. Geht doch. Jedenfalls habe ich das heute hingekriegt. Und so kann ich mir in aller Ruhe einen Therapeuten suchen. Ohne geht es (noch) nicht, das habe ich selbst eingesehen. Und im übrigen habe ich über ihn, den Ex-Therapeuten, nun schon aus allen möglichen Ecken Negatives gehört. Ich gab jedoch nie etwas darauf, wollte mir mein eigenes Urteil bilden. Heute bekam ich diese Rückmeldungen gleich zweimal, sowohl in der Arztpraxis als auch in der Apotheke. Die haben nichts davon, sind also völlig neutral und außenstehend. Auch von ehemaligen Patienten habe ich einiges Negative gehört, gab aber - leider - nichts darauf. Nun gut, ich wurde eines besseren belehrt und sehe es im Nachhinein als positiv, dass ich dieses vorzeitig beende und nicht noch mehr Zeit einfach in den Sand setze. Ein Teil meines Neuanfangs, den ich anstrebe.
Wie meine Family immer sagte: entweder kuriert oder krepiert. Stimmt auch so. Auch hierbei gibt es für mich kein Mittelding mehr. Entweder packe ich es oder nicht.
Diese Suizidgedanken, sie kommen einfach, dafür kann ich nichts und ich nehme sie nun einfach als ein Teil von mir an, will aber dennoch versuchen, mein Leben völlig umzukrempeln. Eines würde ich mir wünschen: einen einzigen Tag lang oder für einen Augenblick möchte ich wissen, wie es ist, diese absolute LebensFREUDE zu empfinden, Freude am Leben, Ausgelassenheit, ohne dass parallel diese negativen Gedanken mit laufen. Ich weiß nicht, wie es ist, sich einfach nur am Leben zu erfreuen, es herauszulassen und zu genießen. Ein Tag nur davon, einen einzigen. Dieser eine Tag würde über 40 Jahre und tausende negative Tage ein für allemal zunichte machen. Vielleicht wartet er noch auf mich, vielleicht auch nicht..
So, und nun genug abgejammert.
@Helpness
Irgendwie sehe ich mich dennoch für alles verantwortlich, schon allein aufgrund der Tatsache, dass es mich gibt. Hätte es mich nicht gegeben, hätten Menschen nicht diese Dinge mit mir tun können. Also trage ich doch zumindest eine Mitschuld an ihrer Schuld. Ich weiß nicht, wie ich es besser erklären könnte, aber diese Schuldgefühle entwickeln sich, und wenn sie ein bestimmtes Ausmaß annehmen, dann bleibt einem nichts anderes mehr, als sich selbst zu bestrafen. Hinterher geht es einem tatsächlich etwas besser. Dass das auf andere Menschen befremdend wirkt, verstehe ich ja. Aber ich kann nicht anders, weiß auch nicht, wie ich dagegen ankämpfen könnte.
@ Gopola
Aber ich mache mich nicht schlecht, ich bin es. In meiner ganzen Art. Jetzt, mit dem zeitlichen Abstand, ist mir klar, dass es gerade in den letzten Jahren nach der Psychiatrie für meine Mutter und mein gesamtes Umfeld die Hölle gewesen sein muss, mich zu ertragen. Wir müssen uns ja nicht unbedingt treffen, aber gegen ein unverbindliches Telefonat, um sich vielleicht ein wenig kennenzulernen, hätte ich absolut nichts einzuwenden.
Es tut mir sehr Leid, dass es dir momentan so schlecht geht und um so mehr weiß ich es zu schätzen, dass du mir dennoch geantwortet hast. Ich weiß, welche Überwindung dieses in solchen Phasen braucht. Ich hoffe, dass es dir inzwischen wieder besser geht. Bitte, isoliere dich nicht, dadurch gerätst du immer tiefer in die Depression. Ich weiß, ich habe gut Reden, aber ich weiß, wie es abläuft, dass man sich einerseits verkrümelt, andererseits aber aus dieser selbst verordneten Einsamkeit heraus will und einfach nicht kann, weil man sich selbst blockiert. Ich hoffe, dass du das hier liest und dir meine Worte vielleicht zu Herzen nimmst. Rappel dich auf, nimm dir was vor, setze dir ein Ziel für jeden Tag. Das habe ich gerade begonnen. Und wenn man es wirklich schafft, dieses Ziel, es muss nichts Großartiges sein, zu erreichen, dann kommt auch irgendwo noch mal die Kraft her, die man gerade in solchen Phasen so sehr braucht. Also - bitte lasse mich wissen, wie es dir geht. Und wenn ich dir irgendwie helfen kann, und sei es nur Zuhören, dann melde dich. Ich bin eine sehr gute Zuhörerin. Von Kind an. Was denkst du, wem es in unserer gesamten Familie immer am besten gelang, meine Mutter, wenn sie sich aufregte oder einen halben Herzkasper hatte, auf den Boden zu bringen? Ich blieb einfach bei ihr, redete ihr gut zu und hinterher war immer alles gut, obwohl ich die Jüngste war. Ich kann dir meine Hilfe nur anbieten, was ich hiermit tue. Annehmen kannst du sie nur selbst. Würde mich freuen, wenn ich etwas für dich tun könnte.
@ isis-z
Heute fiel mir auf dem Nachhauseweg ein, dass ich dir auf den vorletzten Beitrag noch etwas Wichtiges mitteilen bzw. etwas richtigstellen wollte, was ich jedoch in meiner letzten Antwort vergessen habe. Du hattest irgend etwas geschrieben von Medikamentenmissbrauch in meiner Kindheit. Da ist wohl ein Missverständnis entstanden oder ich habe mich verstrickt ausgedrückt. Da lag kein Medikamentenmissbrauch meinerseits vor. Ich hatte nur als Kleinkind einmal eine schwere Tablettenvergiftung. Dieses war jedoch ein reiner Unfall, so wie es häufig bei Kindern vorkommt, dass sie, wenn sie dran kommen, Medis nehmen oder irgendwelche Reinigungsmittel zu sich nehmen. Ich habe einmal, als ich 16 Jahre alt war, ein Döschen Tavor 2,5 von meiner Mutter geklaut, weil sie die damals einnahm. Dazu noch eine Flasche Wein. Bin von Zuhause weggelaufen, d.h. ein paar Straßen weiter und dachte, verblödet wie ich nun mal von Geburt an bin, damit könnte ich mich um die Ecke bringen. Letztlich lag ich hinter einer Bank in einem Vorgarten, war einfach ein gutes Versteck, denn die anderen konnten mich nicht finden. Irgendwann kam ich zu mir und bin wieder nach Hause gedackelt. Wohin hätte ich auch sonst gehen können? Ich weiß nur noch, dass sie kurz davor waren, die Polizei zu rufen, dass, als ich ankam, das Küchenfenster aufstand. Meine Mutter hatte es geöffnet (schließt ebenerdig mit dem Vorgarten ab, da die Häuser in Hanglage erbaut sind). Ich sah sie, sie und alles andere stand Kopf, so nahm ich es jedenfalls unter dem Einfluss meiner supertollen Mischung wahr. Das war aber einmalig. Wenn, dann nahm ich immer was, um mich um die Ecke zu bringen, aber regelmäßig nie, und mit Psychopharmaka kam ich bis vor meinem Zwangsaufenthalt und anschließend nie in Berührung. Außer jetzt, jetzt ist es sowieso egal.
Mit den Verlustängsten hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Davon ist mein Leben bis heute geprägt. Angefangen hat es damals, als ich mit dieser Vergiftung mehrere Wochen im Krankenhaus zubringen musste. Ich war zehn Tage im Koma, wachte dann wider Erwarten einfach so wieder auf. Es war eine fremde Umgebung, um mein Bett herum standen eine Menge Leute, die ich nicht kannte, die mit mir lachten, das ist das einzige, woran ich mich noch erinnern kann. Ich wusste ja nicht, was passiert war. Ich weiß nur noch, dass ich damals morgens zuhause Streckkrämpfe bekam, meine Mutter mich laufend rief und anschrie, aber ich hörte sie, als sei sie ganz weit weg. Und als dann der Feuerwehrwagen kam, das weiß ich noch ganz genau, da wollte ich immer einschlafen, und immer wieder hat mich ein Mann wachgerüttelt und meinte, ich dürfe jetzt nicht schlafen. Das hat mich tierisch genervt, aber das versteht ein kleines Kind nicht. Jedenfalls war es das erste Mal, dass ich von meinen Eltern und meinem Bruder (ja, es gab mit ihm auch einmal andere Zeiten...) getrennt war, und ich war eben von Anfang an auf sie sehr fixiert. Das war für mich wohl ein Riesenschock. Meine Mutter erzählte mir einmal, dass ich nach meiner Entlassung zwar weiterhin den ganzen Tag im Garten spielte, jedoch sie durch die Schiebetüren stets im Blick hatte. Selbst wenn sie nur kurz zur Wohnzimmertür rausging, kam ich schreiend reingerannt, hatte Angst, sie könnte weggehen. Und diese Verlustängste haben bis ins Erwachsenenalter hinein extreme Ausmaße angenommen. Wenn wir in Frankreich im Supermarkt einkauften, haben wir uns oft getrennt und dann vereinbart, an welchem Stand und wann wir uns treffen. Tolll. Was meinst du, wie mir die Pahnik ins Gesicht geschrieben stand, wenn ich meine Eltern nicht auf den Punkt und die Sekunde genau dort sah, wo ich sie erwartet hatte. Da waren einige solcher Erlebnisse, die das ganze noch verstärkt haben. Und jetzt, ja jetzt, wo ich niemanden mehr habe, habe ich sämtliche Verlust- und Verlassensängste volle Pulle auf meine Tiere und meine Freundin übertragen. Meiner Freundin sage ich níchts davon. Aber wenn sie mich freitags abholt und ist zwei Minuten über die Zeit, dann werde ich schon nervös, denke, es könnte was passiert sein und dann steigt langsam diese Panik wieder hoch.
Außerdem bin ich schon als Kind grundsätzlich sehr schnell in Panik geraten. Auch wenn mir einmal etwas passierte, was kaputt ging, was natürlich keine Absicht war. Ich hätte niemals Angst vor meinen Eltern haben müssen, im Gegenteil. Meine Mutter sagte immer: Du brauchst doch keine Angst zu haben. Aber das nutzte nichts, ich geriet grundsätzlich in helle Aufregung und Panik. Unerklärlich. Ich hätte nicht einmal Schimpfe bei schlechten Noten bekommen, und das, obwohl meine Mutter Pauker war. Und dennoch - wenn ich Mathe vergeigt hatte, weil mir das absolut nicht lag, dann war mir nur noch übel, ich konnte nix essen, sagte aber auch nichts. Meine Mutter beobachtete mich dann ein paar Minuten und fragte: Na? Was ist mit der Mathearbeit? Ist es eine 5 oder eine 6? Nun rück sie raus und iss was. Also in dieser Hinsicht war sie sehr locker und verständnisvoll. Einmal bekam ich sogar eine Gitarre versprochen, wenn ich die vier in Mathe schaffe wegen der Versetzung. Es war nur dieses eine verdammte Fach. Aber ich hab's geschafft und mit die Gitarre verdient Was solche Dinge betrifft, da war meine Mutter unheimlich cool drauf. Deshalb ist anderes einfach nicht recht zu verstehen. Aber es ist Vergangenheit, und ich bemühe mich gerade, diese einfach zu akzeptieren, die Realität, wie sie nun mal ist, anzunehmen.
Ich kann mir auch theoretisch nicht vorstellen, dass es weder gute noch schlechte Menschen gibt. Denn: bei schlechten Menschen denke ich an Gewalttäter, an Kinderschänder, Mörder. Und bei guten Menschen denke ich an die, die so etwas nicht tun. So etwas habe ich natürlich nicht getan, ich würde, selbst wenn ich ein recht hohes Aggressionspotential habe, woran ich aber arbeite, es zu kontrollieren, niemals gegen jemand anderen oder Tiere die Hand heben. Das lag noch nie in meiner Art. Ich tue allerhöchstens mir selbst Gewalt an, aber das ist bei weitem nicht so schlimm, als wenn ich anderen wehtun würde.
Natürlich, ich kann halbwegs verstehen, dass viele Verhaltensweisen auf die frühe Kindheit zurückzuführen sind. Es geht mir ja nicht anders. Meine Berührungsängste liegen ursächlich in der Kindheit. Aber auch bei dem, was mir widerfahren ist: ich würde dieses nie einem anderen antun, weil ich um die Demütigung und Erniedrigung weiß.
Wie erklärst Du dir dann aber folgendes: Unser Vater hat nicht getrunken, ich habe ihn nicht einmal betrunken erlebt. Er hat weder gegen meine Mutter noch gegen uns Kinder die Hand gehoben, und er hätte sich lieber erschießen lassen, bevor er eines seiner Kinder missbraucht hätte. Er hat immer gearbeitet, für seine Familie vorbildlich gesorgt. Uns hat es an nichts gefehlt. Meine Mutter hat auch keinen Alk. getrunken, wir hatten noch nicht einmal so etwas wie eine Hausbar. Gut, sie nahm eine Zeitlang Tavor, war in psychiatrischer Behandlung, aber dieses war auf die Kapriolen meines Bruders zurückzuführen. Irgendwann hat sie sie von allein abgesetzt. Meinem Bruder wurde hier niemals Gewalt angetan. Und weißt Du, was aus ihm geworden ist, was er getan hat? All die Dinge, die ihm NICHT widerfahren sind, die tat er und tut er heute noch. Er fing an zu trinken, ist immer wieder zum Entzug, ist voll auf Diazepam, das führt er unterwegs in Tropfenform immer bei sich, um ständig einen Schluck daraus zu nehmen. Wenn das nicht abhängig ist, dann weiß ich auch nicht. Früher hatte er mich zum schlagen, zum Bedrohen und für das Allerschlimmste. Dann schlug er seine Lebensgefährtinnen, machte auch bei der einen vor ihren Kindern nicht Halt. Er ist von Grund auf gewaltbereit, er hat nicht einmal ausgelassen, die Hand gegen seine eigene Mutter zu heben, dass mein Vater dazwischen gehen musste...
Wie ist es für Dich erklärbar, dass ein Mensch Verhaltensweisen an den Tag legt, die ihm so in seiner eigenen Kindheit nicht in einem einzigen Punkt widerfahren sind? Im Gegenteil. Anstatt mir hilfreich zur Seite zu stehen, stellte meine Mutter sich vor ihn. Richtig wäre es umgekehrt gewesen, nicht der Schläger bedarf Schutz, sondern der oder die Geschlagene. Das ist jedenfall meine Sicht der Dinge. Einmal ist sie dazwischen. Da war ich drei Jahre alt, er neun. Bei diesem Altersunterschied bist du von vorneherein unterlegen. Sie kam dazu, als er mich im Wohnzimmer auf dem Boden liegen hatte. Er hatte mich mit einem Gürtel richtig geprügelt und wollte mich gerade mit einem Kissen ersticken. Ja, das erzählte sie oft, wie sie dazwischen ging und mich gerettet hat. Einmal, das war nach der Psychiatrie, da begann ich, teilweise mein Schweigen zu brechen, da sagte ich dann zu ihr: Dieses eine Mal, das hättest Du dir auch sparen können. Du hättest ihn sein Werk vollenden lassen sollen. Dann wäre ich verreckt gewesen, ihm wäre nichts passiert, da er noch nicht straffähig gewesen wäre und jeder, auch ich, hätte endlich seine Ruhe gehabt. Würdest Du im Nachhinein nicht auch so reagieren?
Ich kann ihn nicht verstehen, denke jedoch mittlerweile, dass ich an alledem Schuld habe, weil ich da war. Wäre ich nicht da gewesen, hätte er sich auch nicht so verhalten und wer weiß, ob sein Leben nicht anders, positiv verlaufen wäre, hätten meine Eltern nicht verkniffen, mich bewusst anzuschaffen. Ich habe einmal u.a. zu meiner Mutter gesagt, als ich diesen abgrundtiefen Selbsthass fuhr, dass sie sich damals anstatt mich zu produzieren, lieber mit meinem Vater eine gute Flasche Wein hätte reinpfeifen sollen, das wäre gescheiter gewesen.
Ich werde mir die Bücher besorgen und durchlesen, das verspreche ich dir. Du hast völlig Recht - es ist eine absolut berauschende Wirkung. Mein Therapeut fragte mich einmal, was ich an Selbstmord so gut fände. Ich antwortete ihm, dass es zum einen eine Möglichkeit ist, allem zu entfliehen, alles endlich abwerfen zu können, sich selbst nicht mehr ertragen zu müssen - aber dass es für mich auch einen gewissen Kick darstellt: andere haben mich ungefragt in diese Welt gesetzt und es ist für mich insofern ein absoluter Kick, weil ICH es dann beenden würde, könnte, wie auch immer. Exitus triumphalis. Es wäre auch ein Triumpf allen anderen gegenüber. Ich denke, du kennst folgendes Gefühl in etwa:
Damals hatte ich den Entschluss gefasst, nicht zum ersten Mal und nicht als Schnapsidee aus irgend einer Laune heraus. Das ist mit mir und in mir gewachsen, lange. Dann entschloss ich mich für die Methode mit Tabletten, suchte mir Infos zusammen über Wechselwirkungen und nach diesen Infos habe ich mir meine Mischung zusammen gestellt. Das brauchte natürlich Zeit, denn ich bekam logischerweise alles nur peu à peu zusammen, sonst wäre es ja vielleicht aufgefallen. Dann hatte ich endlich alles, was ich brauchte, zusammen und folgend setzte ich mir einen endgültigen Termin. Und vor diesem Termin habe ich mir noch diverse Aufgaben auferlegt. Ich wusch jedes Wäschestück, alles wurde gebügelt und in die Schränke geschichtet. Ich machte einen radikalen Hausputz, denn alles sollte in absoluter Ordnung und Sauberkeit hinterlassen werden. Keiner sollte im Nachhinein Mühe mit mir haben. Ich meldete mich per Fax u.a. bei der Krankenkasse und beim Finanzamt ab, natürlich am Wochenende mitten in der Nacht, weil ich wusste, dass es da niemand lesen und somit keine Polizei rufen kann. Dann entsorgte ich sämtliche Papiere im Papiercontainer. Druckte meinen Kunden ihre Unterlagen nebst Begleitschreiben auf, stapelte schön ordentlich alles nebeneinander. Ich hatte damals einen Büroservice. So weit mal zur Planung. Aber das goilste war: als ich alles, was ich dafür benötigte, zusammen und mir meinen Abkratztermin gesetzt hatte, da erlebte ich plötzlich eine s*mäßige Hochstimmung, eine regelrechte Euphorie. Meine Fresse, jeder, der dachte, er könne, egal wie, mir eins auswischen oder mir blöd kommen, ging mir sonst wo vorbei. Mich scherte das alles nicht mehr, denn ich hatte dieses Glücksgefühl, den Gedanken du kannst mir nichts mehr, du kannst mich samt all der anderen am soundsovielten gerne haben und meinem Sarg einen Tritt verpassen, damit er schneller in die Grube flutscht. Verstehst du? Es ist in der Tat ein berauschendes Gefühl. Man hat die Kontrolle über sich selbst, nicht andere. Selbstkontrolle, das ist für mich etwas sehr wichtiges. Ich kontrolliere mich, und nicht mehr andere.
Natürlich, die Energie, die man für das Leben eigentlich bräuchte, jagt man sich selbst auf Sparflamme. Fertig werden mit dem Leben, ich weiß immer noch nicht, wie, aber ich will es versuchen, irgendwie.
Ich weiß nicht, ob ich es schon geschrieben hatte, aber neulich musste ich bei der Arge zu der Amtsärztin. Und weißt du, was ich mich da getraut habe? Als sie mich hereinrief, sagte ich gleich, dass ich mich weder ausziehen noch anfassen lassen werde. Und blubb, sie meine, ob ich damit Probleme hätte, was ich bejahte und sie sagte, das sei okay, dann ginge es auch so, sie habe ja auch die Unterlagen meiner Hausärztin. Ich habe mich tatsächlich getraut, zu sagen, dass ich dieses auf keinen Fall will. Ich hatte die Kontrolle über mich und meinen Körper und wíe weit jemand gehen darf, selbst in der Hand. Und ich musste nichts über mich ergehen lassen, was ich nicht wollte. Auch das war für mich im Nachhinein ein kleiner Sieg. Ich kann nichts dafür, aber in dieser Beziehung habe ich immense Probleme, das fängt schon mit Arztbesuchen an, aber ich habe eine sehr gute Hausärztin, die sehr verständnisvoll und einfühlsam ist, und ich bin froh, dass sie da ist. Einer der Menschen, denen ich vertraue.
Weil du meinen Humor ansprachst. Ja, den habe ich. Immer noch oder auch erst recht. Das liegt wohl an den Genen, mütterlicherseits, bis zu einer Großtante. Die lieferte sich mal einen Eklat in der katholischen Kirche, zur Kommuniion. Nun, das liegt ja ein wenig über hundert Jährchen zurück... Sie bekam ein Stück trockenes und hartes Brot in den Mund geschoben. Agnes hieß sie. Und sie schrieb und dichtete, schrieb auch für die Leute in dem kleinen Dorf im Vogtland, aus dem sie stammte, Festzeitschriften wie zu Hochzeiten und so. Nun ja, nun war die heilige Kommunion, Hochfest, todernst. Sie hatte dieses trockene und harte Teil im Mund, wusste nicht, wohin damit und platzte heraus: Wie hart du bist Herr Jesu Christ, man kann dich kaum zerkatschen. (zerkatschen: ugs für zerkauen, das ist Vogtländisch). Da war der Skandal des Jahrhunderts. Sie ist sogar aus der Kirche geflogen. Schade, dass ich sie nicht mehr kennenlernen durfte. Aber Humor, den hatten wir alle immer noch, jeder auf seine Art, und wenn man noch so tief in der *Sch* saß. Damals war ich über viele Monate nur noch im Suizidforum unterwegs. Und plötzlich fand ich einen, der mit mir zusammen unsere speziellen newsflashs erstellte. Wir lästerten über die Gesellschaft ab, ich brachte meinen heißgeliebten Sarkasmus mit rein, und heftig. Plötzlich schrieben andere user zurück, dass es das erste Mal seit Monaten sei, dass sie wieder lachen können. Also war doch das ganze und das Forum nichts Falsches, wenn ich damit anderen für ein paar Minuten das Lachen wieder beibringen konnte, wenngleich ich selbst vorm PC saß und gleichzeitig Rotz zu Wasser heulte. Das ist paradox, aber es war tatsächlich so.
Meine Hausärztin meine neulich, dass ich aufgrund meines Asthmas und der angegriffenen Lunge, mich am besten gegen Grippe impfen lassen sollte, denn bei Menschen mit dieser Vorerkrankung würde diese in vielen Fällen tödlich verlaufen. *lol* Was besseres hätte sie mir nicht sagen können. Ich werde einen Teufel tun, und mich impfen lassen. Ich sagte nur zu ihr: na, das sind doch mal gute Neuigkeiten. Ich weiß, manchmal irritiere ich andere, aber manchmal kann ich mich nicht zurückhalten. Wie vor vielleicht anderthalb Jahren. Da hat sich mein eigener Hund, Kleinausgabe von Hannibal auf vier Pfoten, aus Wut darüber, dass ich ihn zur Ruhe bringen wollte, in meinem Arm festgebissen. Ich spürte richtig, wie das Fleisch aufplatzte und sein gesamtes oberes Gebiss immer tiefer hineinfuhr. Das war ein Schmerz, als wenn du eine offene Wunde im Schraubstock immer enger zudrehst. Und dieser Rotzlöffel guckt mich noch frech an. Ok, linke Hand genommen, Schnauze gelöst, ich kenne ja den Griff, habe ihm allerdings eine verpasst, denn das ging nun zu weit. Ich hatte eine schöne klaffende Wunde, man sah richtig das komplette Gebiss, alles offen, alles blutend. Also auf dem Nachhauseweg zur Apotheke, um Betaisadona in flüssiger Form zu kaufen. Ich bin da nicht so zimperlich, kippe das Zeug drauf und gut ist. Zudem stehe ich ja sowieso auf Schmerzen Alle meinten, ich solle die Hunde anbinden und mich sofort nebenan beim Arzt impfen lassen. Bla bla bla Der Apotheker meinte, mit Wundstarrkrampf sei nicht zu spaßen, das könne tödlich verlaufen. Na, so was kommt doch bei einer wie mir richtig gut an. Ich fragte ihn nur: Okay, sagen Sie mir bitte, wie lange die Inkubationszeit ist, damit ich weiß, wieviel Zeit mir ggf. noch bleibt, um Zuhause aufzuräumen. Oha, er tat auf geschockt, aber als er um die Ecke ging, musste er grinsen. Na so was... Also keine Impfung und ich lebe noch. Du siehst, auch das íst nicht mehr normal. Ich bringe mir den größten Dreck in offene Wunden in der Hoffnung, ich könnte eine Blutvergiftung bekommen und hopps gehen, aber nein, anscheinend meint mein Immunsystem, es müsse alles speichern und stets Fleißarbeit leisten. Aber ich werde irrgendwann einen Weg finden, es zur Weiterbildung auf die VHS zu schicken und dann, dann ist es nicht da, um zu helfen. Tricky, aber vielleicht klappt es ja.
Hoffe, du nimmst vor allem die letzten Zeilen nicht allzu ernst oder denkst nun, ich sei über Nacht dem totalen Wahnsinn verfallen oder würde unter dem Einfluss von Medis stehen. Nope. Ich bin immer so drauf, da brauche ich nix einwerfen und Alk. trinke ich sowieso nicht. Hatte nur das Bedürfnis, mich mal ein wenig auszutoben.
Nope, kommt noch was zum Schluss. Ich habe mir gerade meine alten Poesiealben hervorgekramt. Merkwürdig, dass ich ausgerechnet jetzt den Drang hatte, darin zu blättern. Der zweite Eintrag im grünen Album ist von meinem Papa: Wer mit dem Leben spielt, kommt nie zurecht; wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt immer Knecht! Das schrieb er mir am 6.4.1976.
Im Juli 1976 schrieb mir meine Deutschlehrerin: Der Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strome des Lebens. Ist es nicht so? Würde man auch noch den Humor verlieren, ich glaube, dann gäbe es nichts mehr, was man überhaupt noch verlieren könnte....
Tja, und im Februar 1977 schrieb mir ein Mitbewohner meiner damaligen Mathenachhilfelehrerin: Ich wünsche Dir, daß du Dir Deine Schlagfertigkeit auch dann noch erhalten kannst, wenn die Leute Dich mal zwingen wollen, erwachsen zu werden.
Klar, auf den Mund gefallen war ich nie. Und das mit dem Erwachsenwerden, das ist so eine Sache. Nicht umsonst ist eines meiner Lieblingslieder das von Nessaja, der Schildkröte aus Tabaluga, das kennst du sicher. In dem Trauerheftchen, welches ich für meine Mutter verfasst hatte, stellte ich ihr nebenbei die Frage, wann man eigentlich erwachsen sei. Ich weiß es bis heute nicht. Bedeutet erwachsen sein, wenn man volljährig ist? Oder eine entsprechende Körpergröße aufweist? Wenn man einen Beruf erlernt hat, arbeitet, eine eigene Familie gegründet oder ein Haus gebaut hat?
Wie definierst Du persönlich erwachsen sein? Wem oder was ist man dann er- oder entwachsen? Natürlich, es gibt Definitionen darüber, was erwachsen sein im juristischen Sinne bedeutet, man wird geschäftsfähig, darf ab einem gewissen Alter Autofahren. Aber ist man wirklich erwachsen, nur, weil man ab einem gewissen Alter bestimmte Rechte und Pflichten erwirbt, die sämtlich ausgedacht und erlassen sind von irdischen Institutionen? Verstehe mich nicht falsch, Gesetze sind etwas anderes, die muss es (leider) geben, damit habe ich auch kein Problem. Ich habe nur Probleme mit Begriffen wie erwachsen sein oder Liebe bzw. Gefühl. Das richtet in mir immer wieder oder immer noch ein totales Wirrwar an.
Nun aber gut. War wohl eher viel zu víel des Guten, aber mir ging und geht gerade so vieles durch den Kopf, hoffe, dass es mir niemand verübelt.
Liebe Grüße und einen schönen, angenehmen Mittwoch
*SUPERGaU*
Also, zunächst dankeschön, dass Ihr so vieles von mir lest und für Eure Antworten. Ihr und das Forum helft mir im Moment sehr, denn die letzten Tage war ich alles andere als gut drauf. Kam vor Mittags nicht aus dem Bett, was sonst nicht meine Art ist. Aber wenn ich wach werde, auf die Uhr schaue und sehe, dass es 8 oder 9 ist, dann drehe ich mich noch mal um und frage mich, wozu jetzt schon aufstehen, das verlängert jeden Dreckstag nur noch. Ich weiß nicht, was ich hier treibe, richtig kann es nicht sein. Wie Ihr wisst, leide ich u.a. an Panikattacken, die zeitweise derart krasse Ausmaße annehmen können, dass mir nichts anderes bleibt, als eine Tablette zu nehmen. Ich nehme dagegen Alprazolam. Irgendwie scheint dieses Mittel jedoch auf das Gedächtnis zu wirken, denn ich tue dann Dinge, igendwie ein Mittelding zwischen bewusst und unbewusst, morgens kann ich mich an nichts mehr erinnern, sehe nur, wo und wie ich wohl wieder aktiv war und ich kriege nur mit Mühe auf die Reihe, welcher Wochentag, welche Tageszeit ist. Zudem nimmt das Problem derzeit wieder zu, dass ich, wenn ich unter Stress oder in Unruhe und Angst komme, wieder mit dieser Sprachblockade zu kämpfen habe, dann traue ich nicht mal mehr, irgendwo anzurufen oder wohin zu gehen, wo ich reden müsste, weil mir das grundpeinlich ist, denn ich hatte noch nie Probleme, mich vernünftig zu artikulieren.
Dieses auf und ab, es macht mich einfach fertig. Heute konnte ich mir wieder einmal selbst einen positiven Tritt ins gewisse Körperteil verpassen und einiges machen. Ich bin u.a. einfach zu meinem Hausarzt gegangen, habe das Problem mit dem Therapeuten geschildert und gefragt, ob sie mir, übergangsweise, Flunitrazepam und Alprazolam verschreiben könnten, und natürlich, ich bekam sofort mein Rezept. Dieses Problem habe ich also gelöst und bin für alle Notfälle weiterhin gewappnet. Von den Antidepressiva habe ich noch genügend, aber ich habe sie momentan einfach abgesetzt und es geht mir ohne sie genau so gut oder dreckig, als würde ich sie einnehmen. Drei verschiedene halte ich sowieso für zu viel, und nach über einem Jahr konnten sie auch nicht gegen diese depressiven Phasen helfen. Also lasse ich sie einfach weg.
Was meinen Therapeuten betrifft, so schrieb ich Euch, glaube ich, dass er mich im letzten Gespräch belogen hat insofern, als er behauptete, der Antrag auf Langzeitthera sei zunächst abgelehnt und dann bewilligt worden. Dem ist aber nicht so, das dachte ich mir gleich, weil es zeitlich überhaupt nicht hätte hinkommen können, denn ich bekam innerhalb von 14 Tagen von der TKK Bescheid, dass die Therapie genehmigt sei. Auf die Aussagen des Thera hin rief ich Nachmittags bei der KK an und fragte nach, ob es so gelaufen war und der Sachbearbeiter gab mir die Auskunft, dass dem nicht so gewesen sei, sondern dass man aufgrund des unabhängigen Gutachtens die Langzeittherapie sofort genehmigt hätte. Und der Mann von der TK muss es ja wohl wissen, er hätte ja auch nichts davon, mir Unwahrheiten zu erzählen. Mein Therapeut bot mir an, weiterhin die Medikation zu übernehmen und mir als Arzt zur Verfügung zu stehen. Aber wer bitte hätte da noch Vertrauen, wenn man derart vor den Kopf gestoßen und vorsätzlich belogen wird? Er warf mir vor, ich hätte ein Problem mit Regeln. Wie er darauf kam, ist mir schleierhaft, und gegen diese Aussage habe ich mich auch vehement zur Wehr gesetzt. Ich halte Regeln selbst für sinnvoll und verstoße nicht gegen sie, ich bin in meinem ganzen Leben ein einziges Mal schwarz gefahren, weil mich der neue Fahrkartenautomat dermaßen genervt hat, dass ich es einfach aufgab. Das war nicht richtig, aber ansonsten verstoße ich gegen keine Gesetze oder bestehende Regeln. Ich halte mich selbst auch strikt an ausgewiesenen Leinenzwang. Was unterstellt mir dieser Mensch damit eigentlich? Er bezog das auf die Zeit in der Psychiatrie, als ich auf der Geschlossenen war. Ich hatte ihm erzählt, dass ich ums Verrecken mit knapp 40 Jahren und als erwachsene Frau das Personal nicht gefragt hätte, ob ich eine halbe Stunde an die frische Luft darf. Das hat für mich nichts mit einem Regelverstoß zu tun, sondern damit, dass ich mich nicht (mehr) erniedrige oder erniedrigen lasse, von wem auch immer. Ist das etwa gesetzeswidrig? Und was ist mit dieser Lüge? Das ist m.E. mehr als Regelverstoß, denn damit ist bei mir jedenfalls das Vertrauen endgültig erledigt, so dass ich auf seine weitere angebotene Hilfe gut verzichten und mich selbst durchwurschteln will und auch kann. Geht doch. Jedenfalls habe ich das heute hingekriegt. Und so kann ich mir in aller Ruhe einen Therapeuten suchen. Ohne geht es (noch) nicht, das habe ich selbst eingesehen. Und im übrigen habe ich über ihn, den Ex-Therapeuten, nun schon aus allen möglichen Ecken Negatives gehört. Ich gab jedoch nie etwas darauf, wollte mir mein eigenes Urteil bilden. Heute bekam ich diese Rückmeldungen gleich zweimal, sowohl in der Arztpraxis als auch in der Apotheke. Die haben nichts davon, sind also völlig neutral und außenstehend. Auch von ehemaligen Patienten habe ich einiges Negative gehört, gab aber - leider - nichts darauf. Nun gut, ich wurde eines besseren belehrt und sehe es im Nachhinein als positiv, dass ich dieses vorzeitig beende und nicht noch mehr Zeit einfach in den Sand setze. Ein Teil meines Neuanfangs, den ich anstrebe.
Wie meine Family immer sagte: entweder kuriert oder krepiert. Stimmt auch so. Auch hierbei gibt es für mich kein Mittelding mehr. Entweder packe ich es oder nicht.
Diese Suizidgedanken, sie kommen einfach, dafür kann ich nichts und ich nehme sie nun einfach als ein Teil von mir an, will aber dennoch versuchen, mein Leben völlig umzukrempeln. Eines würde ich mir wünschen: einen einzigen Tag lang oder für einen Augenblick möchte ich wissen, wie es ist, diese absolute LebensFREUDE zu empfinden, Freude am Leben, Ausgelassenheit, ohne dass parallel diese negativen Gedanken mit laufen. Ich weiß nicht, wie es ist, sich einfach nur am Leben zu erfreuen, es herauszulassen und zu genießen. Ein Tag nur davon, einen einzigen. Dieser eine Tag würde über 40 Jahre und tausende negative Tage ein für allemal zunichte machen. Vielleicht wartet er noch auf mich, vielleicht auch nicht..
So, und nun genug abgejammert.
@Helpness
Irgendwie sehe ich mich dennoch für alles verantwortlich, schon allein aufgrund der Tatsache, dass es mich gibt. Hätte es mich nicht gegeben, hätten Menschen nicht diese Dinge mit mir tun können. Also trage ich doch zumindest eine Mitschuld an ihrer Schuld. Ich weiß nicht, wie ich es besser erklären könnte, aber diese Schuldgefühle entwickeln sich, und wenn sie ein bestimmtes Ausmaß annehmen, dann bleibt einem nichts anderes mehr, als sich selbst zu bestrafen. Hinterher geht es einem tatsächlich etwas besser. Dass das auf andere Menschen befremdend wirkt, verstehe ich ja. Aber ich kann nicht anders, weiß auch nicht, wie ich dagegen ankämpfen könnte.
@ Gopola
Aber ich mache mich nicht schlecht, ich bin es. In meiner ganzen Art. Jetzt, mit dem zeitlichen Abstand, ist mir klar, dass es gerade in den letzten Jahren nach der Psychiatrie für meine Mutter und mein gesamtes Umfeld die Hölle gewesen sein muss, mich zu ertragen. Wir müssen uns ja nicht unbedingt treffen, aber gegen ein unverbindliches Telefonat, um sich vielleicht ein wenig kennenzulernen, hätte ich absolut nichts einzuwenden.
Es tut mir sehr Leid, dass es dir momentan so schlecht geht und um so mehr weiß ich es zu schätzen, dass du mir dennoch geantwortet hast. Ich weiß, welche Überwindung dieses in solchen Phasen braucht. Ich hoffe, dass es dir inzwischen wieder besser geht. Bitte, isoliere dich nicht, dadurch gerätst du immer tiefer in die Depression. Ich weiß, ich habe gut Reden, aber ich weiß, wie es abläuft, dass man sich einerseits verkrümelt, andererseits aber aus dieser selbst verordneten Einsamkeit heraus will und einfach nicht kann, weil man sich selbst blockiert. Ich hoffe, dass du das hier liest und dir meine Worte vielleicht zu Herzen nimmst. Rappel dich auf, nimm dir was vor, setze dir ein Ziel für jeden Tag. Das habe ich gerade begonnen. Und wenn man es wirklich schafft, dieses Ziel, es muss nichts Großartiges sein, zu erreichen, dann kommt auch irgendwo noch mal die Kraft her, die man gerade in solchen Phasen so sehr braucht. Also - bitte lasse mich wissen, wie es dir geht. Und wenn ich dir irgendwie helfen kann, und sei es nur Zuhören, dann melde dich. Ich bin eine sehr gute Zuhörerin. Von Kind an. Was denkst du, wem es in unserer gesamten Familie immer am besten gelang, meine Mutter, wenn sie sich aufregte oder einen halben Herzkasper hatte, auf den Boden zu bringen? Ich blieb einfach bei ihr, redete ihr gut zu und hinterher war immer alles gut, obwohl ich die Jüngste war. Ich kann dir meine Hilfe nur anbieten, was ich hiermit tue. Annehmen kannst du sie nur selbst. Würde mich freuen, wenn ich etwas für dich tun könnte.
@ isis-z
Heute fiel mir auf dem Nachhauseweg ein, dass ich dir auf den vorletzten Beitrag noch etwas Wichtiges mitteilen bzw. etwas richtigstellen wollte, was ich jedoch in meiner letzten Antwort vergessen habe. Du hattest irgend etwas geschrieben von Medikamentenmissbrauch in meiner Kindheit. Da ist wohl ein Missverständnis entstanden oder ich habe mich verstrickt ausgedrückt. Da lag kein Medikamentenmissbrauch meinerseits vor. Ich hatte nur als Kleinkind einmal eine schwere Tablettenvergiftung. Dieses war jedoch ein reiner Unfall, so wie es häufig bei Kindern vorkommt, dass sie, wenn sie dran kommen, Medis nehmen oder irgendwelche Reinigungsmittel zu sich nehmen. Ich habe einmal, als ich 16 Jahre alt war, ein Döschen Tavor 2,5 von meiner Mutter geklaut, weil sie die damals einnahm. Dazu noch eine Flasche Wein. Bin von Zuhause weggelaufen, d.h. ein paar Straßen weiter und dachte, verblödet wie ich nun mal von Geburt an bin, damit könnte ich mich um die Ecke bringen. Letztlich lag ich hinter einer Bank in einem Vorgarten, war einfach ein gutes Versteck, denn die anderen konnten mich nicht finden. Irgendwann kam ich zu mir und bin wieder nach Hause gedackelt. Wohin hätte ich auch sonst gehen können? Ich weiß nur noch, dass sie kurz davor waren, die Polizei zu rufen, dass, als ich ankam, das Küchenfenster aufstand. Meine Mutter hatte es geöffnet (schließt ebenerdig mit dem Vorgarten ab, da die Häuser in Hanglage erbaut sind). Ich sah sie, sie und alles andere stand Kopf, so nahm ich es jedenfalls unter dem Einfluss meiner supertollen Mischung wahr. Das war aber einmalig. Wenn, dann nahm ich immer was, um mich um die Ecke zu bringen, aber regelmäßig nie, und mit Psychopharmaka kam ich bis vor meinem Zwangsaufenthalt und anschließend nie in Berührung. Außer jetzt, jetzt ist es sowieso egal.
Mit den Verlustängsten hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Davon ist mein Leben bis heute geprägt. Angefangen hat es damals, als ich mit dieser Vergiftung mehrere Wochen im Krankenhaus zubringen musste. Ich war zehn Tage im Koma, wachte dann wider Erwarten einfach so wieder auf. Es war eine fremde Umgebung, um mein Bett herum standen eine Menge Leute, die ich nicht kannte, die mit mir lachten, das ist das einzige, woran ich mich noch erinnern kann. Ich wusste ja nicht, was passiert war. Ich weiß nur noch, dass ich damals morgens zuhause Streckkrämpfe bekam, meine Mutter mich laufend rief und anschrie, aber ich hörte sie, als sei sie ganz weit weg. Und als dann der Feuerwehrwagen kam, das weiß ich noch ganz genau, da wollte ich immer einschlafen, und immer wieder hat mich ein Mann wachgerüttelt und meinte, ich dürfe jetzt nicht schlafen. Das hat mich tierisch genervt, aber das versteht ein kleines Kind nicht. Jedenfalls war es das erste Mal, dass ich von meinen Eltern und meinem Bruder (ja, es gab mit ihm auch einmal andere Zeiten...) getrennt war, und ich war eben von Anfang an auf sie sehr fixiert. Das war für mich wohl ein Riesenschock. Meine Mutter erzählte mir einmal, dass ich nach meiner Entlassung zwar weiterhin den ganzen Tag im Garten spielte, jedoch sie durch die Schiebetüren stets im Blick hatte. Selbst wenn sie nur kurz zur Wohnzimmertür rausging, kam ich schreiend reingerannt, hatte Angst, sie könnte weggehen. Und diese Verlustängste haben bis ins Erwachsenenalter hinein extreme Ausmaße angenommen. Wenn wir in Frankreich im Supermarkt einkauften, haben wir uns oft getrennt und dann vereinbart, an welchem Stand und wann wir uns treffen. Tolll. Was meinst du, wie mir die Pahnik ins Gesicht geschrieben stand, wenn ich meine Eltern nicht auf den Punkt und die Sekunde genau dort sah, wo ich sie erwartet hatte. Da waren einige solcher Erlebnisse, die das ganze noch verstärkt haben. Und jetzt, ja jetzt, wo ich niemanden mehr habe, habe ich sämtliche Verlust- und Verlassensängste volle Pulle auf meine Tiere und meine Freundin übertragen. Meiner Freundin sage ich níchts davon. Aber wenn sie mich freitags abholt und ist zwei Minuten über die Zeit, dann werde ich schon nervös, denke, es könnte was passiert sein und dann steigt langsam diese Panik wieder hoch.
Außerdem bin ich schon als Kind grundsätzlich sehr schnell in Panik geraten. Auch wenn mir einmal etwas passierte, was kaputt ging, was natürlich keine Absicht war. Ich hätte niemals Angst vor meinen Eltern haben müssen, im Gegenteil. Meine Mutter sagte immer: Du brauchst doch keine Angst zu haben. Aber das nutzte nichts, ich geriet grundsätzlich in helle Aufregung und Panik. Unerklärlich. Ich hätte nicht einmal Schimpfe bei schlechten Noten bekommen, und das, obwohl meine Mutter Pauker war. Und dennoch - wenn ich Mathe vergeigt hatte, weil mir das absolut nicht lag, dann war mir nur noch übel, ich konnte nix essen, sagte aber auch nichts. Meine Mutter beobachtete mich dann ein paar Minuten und fragte: Na? Was ist mit der Mathearbeit? Ist es eine 5 oder eine 6? Nun rück sie raus und iss was. Also in dieser Hinsicht war sie sehr locker und verständnisvoll. Einmal bekam ich sogar eine Gitarre versprochen, wenn ich die vier in Mathe schaffe wegen der Versetzung. Es war nur dieses eine verdammte Fach. Aber ich hab's geschafft und mit die Gitarre verdient Was solche Dinge betrifft, da war meine Mutter unheimlich cool drauf. Deshalb ist anderes einfach nicht recht zu verstehen. Aber es ist Vergangenheit, und ich bemühe mich gerade, diese einfach zu akzeptieren, die Realität, wie sie nun mal ist, anzunehmen.
Ich kann mir auch theoretisch nicht vorstellen, dass es weder gute noch schlechte Menschen gibt. Denn: bei schlechten Menschen denke ich an Gewalttäter, an Kinderschänder, Mörder. Und bei guten Menschen denke ich an die, die so etwas nicht tun. So etwas habe ich natürlich nicht getan, ich würde, selbst wenn ich ein recht hohes Aggressionspotential habe, woran ich aber arbeite, es zu kontrollieren, niemals gegen jemand anderen oder Tiere die Hand heben. Das lag noch nie in meiner Art. Ich tue allerhöchstens mir selbst Gewalt an, aber das ist bei weitem nicht so schlimm, als wenn ich anderen wehtun würde.
Natürlich, ich kann halbwegs verstehen, dass viele Verhaltensweisen auf die frühe Kindheit zurückzuführen sind. Es geht mir ja nicht anders. Meine Berührungsängste liegen ursächlich in der Kindheit. Aber auch bei dem, was mir widerfahren ist: ich würde dieses nie einem anderen antun, weil ich um die Demütigung und Erniedrigung weiß.
Wie erklärst Du dir dann aber folgendes: Unser Vater hat nicht getrunken, ich habe ihn nicht einmal betrunken erlebt. Er hat weder gegen meine Mutter noch gegen uns Kinder die Hand gehoben, und er hätte sich lieber erschießen lassen, bevor er eines seiner Kinder missbraucht hätte. Er hat immer gearbeitet, für seine Familie vorbildlich gesorgt. Uns hat es an nichts gefehlt. Meine Mutter hat auch keinen Alk. getrunken, wir hatten noch nicht einmal so etwas wie eine Hausbar. Gut, sie nahm eine Zeitlang Tavor, war in psychiatrischer Behandlung, aber dieses war auf die Kapriolen meines Bruders zurückzuführen. Irgendwann hat sie sie von allein abgesetzt. Meinem Bruder wurde hier niemals Gewalt angetan. Und weißt Du, was aus ihm geworden ist, was er getan hat? All die Dinge, die ihm NICHT widerfahren sind, die tat er und tut er heute noch. Er fing an zu trinken, ist immer wieder zum Entzug, ist voll auf Diazepam, das führt er unterwegs in Tropfenform immer bei sich, um ständig einen Schluck daraus zu nehmen. Wenn das nicht abhängig ist, dann weiß ich auch nicht. Früher hatte er mich zum schlagen, zum Bedrohen und für das Allerschlimmste. Dann schlug er seine Lebensgefährtinnen, machte auch bei der einen vor ihren Kindern nicht Halt. Er ist von Grund auf gewaltbereit, er hat nicht einmal ausgelassen, die Hand gegen seine eigene Mutter zu heben, dass mein Vater dazwischen gehen musste...
Wie ist es für Dich erklärbar, dass ein Mensch Verhaltensweisen an den Tag legt, die ihm so in seiner eigenen Kindheit nicht in einem einzigen Punkt widerfahren sind? Im Gegenteil. Anstatt mir hilfreich zur Seite zu stehen, stellte meine Mutter sich vor ihn. Richtig wäre es umgekehrt gewesen, nicht der Schläger bedarf Schutz, sondern der oder die Geschlagene. Das ist jedenfall meine Sicht der Dinge. Einmal ist sie dazwischen. Da war ich drei Jahre alt, er neun. Bei diesem Altersunterschied bist du von vorneherein unterlegen. Sie kam dazu, als er mich im Wohnzimmer auf dem Boden liegen hatte. Er hatte mich mit einem Gürtel richtig geprügelt und wollte mich gerade mit einem Kissen ersticken. Ja, das erzählte sie oft, wie sie dazwischen ging und mich gerettet hat. Einmal, das war nach der Psychiatrie, da begann ich, teilweise mein Schweigen zu brechen, da sagte ich dann zu ihr: Dieses eine Mal, das hättest Du dir auch sparen können. Du hättest ihn sein Werk vollenden lassen sollen. Dann wäre ich verreckt gewesen, ihm wäre nichts passiert, da er noch nicht straffähig gewesen wäre und jeder, auch ich, hätte endlich seine Ruhe gehabt. Würdest Du im Nachhinein nicht auch so reagieren?
Ich kann ihn nicht verstehen, denke jedoch mittlerweile, dass ich an alledem Schuld habe, weil ich da war. Wäre ich nicht da gewesen, hätte er sich auch nicht so verhalten und wer weiß, ob sein Leben nicht anders, positiv verlaufen wäre, hätten meine Eltern nicht verkniffen, mich bewusst anzuschaffen. Ich habe einmal u.a. zu meiner Mutter gesagt, als ich diesen abgrundtiefen Selbsthass fuhr, dass sie sich damals anstatt mich zu produzieren, lieber mit meinem Vater eine gute Flasche Wein hätte reinpfeifen sollen, das wäre gescheiter gewesen.
Ich werde mir die Bücher besorgen und durchlesen, das verspreche ich dir. Du hast völlig Recht - es ist eine absolut berauschende Wirkung. Mein Therapeut fragte mich einmal, was ich an Selbstmord so gut fände. Ich antwortete ihm, dass es zum einen eine Möglichkeit ist, allem zu entfliehen, alles endlich abwerfen zu können, sich selbst nicht mehr ertragen zu müssen - aber dass es für mich auch einen gewissen Kick darstellt: andere haben mich ungefragt in diese Welt gesetzt und es ist für mich insofern ein absoluter Kick, weil ICH es dann beenden würde, könnte, wie auch immer. Exitus triumphalis. Es wäre auch ein Triumpf allen anderen gegenüber. Ich denke, du kennst folgendes Gefühl in etwa:
Damals hatte ich den Entschluss gefasst, nicht zum ersten Mal und nicht als Schnapsidee aus irgend einer Laune heraus. Das ist mit mir und in mir gewachsen, lange. Dann entschloss ich mich für die Methode mit Tabletten, suchte mir Infos zusammen über Wechselwirkungen und nach diesen Infos habe ich mir meine Mischung zusammen gestellt. Das brauchte natürlich Zeit, denn ich bekam logischerweise alles nur peu à peu zusammen, sonst wäre es ja vielleicht aufgefallen. Dann hatte ich endlich alles, was ich brauchte, zusammen und folgend setzte ich mir einen endgültigen Termin. Und vor diesem Termin habe ich mir noch diverse Aufgaben auferlegt. Ich wusch jedes Wäschestück, alles wurde gebügelt und in die Schränke geschichtet. Ich machte einen radikalen Hausputz, denn alles sollte in absoluter Ordnung und Sauberkeit hinterlassen werden. Keiner sollte im Nachhinein Mühe mit mir haben. Ich meldete mich per Fax u.a. bei der Krankenkasse und beim Finanzamt ab, natürlich am Wochenende mitten in der Nacht, weil ich wusste, dass es da niemand lesen und somit keine Polizei rufen kann. Dann entsorgte ich sämtliche Papiere im Papiercontainer. Druckte meinen Kunden ihre Unterlagen nebst Begleitschreiben auf, stapelte schön ordentlich alles nebeneinander. Ich hatte damals einen Büroservice. So weit mal zur Planung. Aber das goilste war: als ich alles, was ich dafür benötigte, zusammen und mir meinen Abkratztermin gesetzt hatte, da erlebte ich plötzlich eine s*mäßige Hochstimmung, eine regelrechte Euphorie. Meine Fresse, jeder, der dachte, er könne, egal wie, mir eins auswischen oder mir blöd kommen, ging mir sonst wo vorbei. Mich scherte das alles nicht mehr, denn ich hatte dieses Glücksgefühl, den Gedanken du kannst mir nichts mehr, du kannst mich samt all der anderen am soundsovielten gerne haben und meinem Sarg einen Tritt verpassen, damit er schneller in die Grube flutscht. Verstehst du? Es ist in der Tat ein berauschendes Gefühl. Man hat die Kontrolle über sich selbst, nicht andere. Selbstkontrolle, das ist für mich etwas sehr wichtiges. Ich kontrolliere mich, und nicht mehr andere.
Natürlich, die Energie, die man für das Leben eigentlich bräuchte, jagt man sich selbst auf Sparflamme. Fertig werden mit dem Leben, ich weiß immer noch nicht, wie, aber ich will es versuchen, irgendwie.
Ich weiß nicht, ob ich es schon geschrieben hatte, aber neulich musste ich bei der Arge zu der Amtsärztin. Und weißt du, was ich mich da getraut habe? Als sie mich hereinrief, sagte ich gleich, dass ich mich weder ausziehen noch anfassen lassen werde. Und blubb, sie meine, ob ich damit Probleme hätte, was ich bejahte und sie sagte, das sei okay, dann ginge es auch so, sie habe ja auch die Unterlagen meiner Hausärztin. Ich habe mich tatsächlich getraut, zu sagen, dass ich dieses auf keinen Fall will. Ich hatte die Kontrolle über mich und meinen Körper und wíe weit jemand gehen darf, selbst in der Hand. Und ich musste nichts über mich ergehen lassen, was ich nicht wollte. Auch das war für mich im Nachhinein ein kleiner Sieg. Ich kann nichts dafür, aber in dieser Beziehung habe ich immense Probleme, das fängt schon mit Arztbesuchen an, aber ich habe eine sehr gute Hausärztin, die sehr verständnisvoll und einfühlsam ist, und ich bin froh, dass sie da ist. Einer der Menschen, denen ich vertraue.
Weil du meinen Humor ansprachst. Ja, den habe ich. Immer noch oder auch erst recht. Das liegt wohl an den Genen, mütterlicherseits, bis zu einer Großtante. Die lieferte sich mal einen Eklat in der katholischen Kirche, zur Kommuniion. Nun, das liegt ja ein wenig über hundert Jährchen zurück... Sie bekam ein Stück trockenes und hartes Brot in den Mund geschoben. Agnes hieß sie. Und sie schrieb und dichtete, schrieb auch für die Leute in dem kleinen Dorf im Vogtland, aus dem sie stammte, Festzeitschriften wie zu Hochzeiten und so. Nun ja, nun war die heilige Kommunion, Hochfest, todernst. Sie hatte dieses trockene und harte Teil im Mund, wusste nicht, wohin damit und platzte heraus: Wie hart du bist Herr Jesu Christ, man kann dich kaum zerkatschen. (zerkatschen: ugs für zerkauen, das ist Vogtländisch). Da war der Skandal des Jahrhunderts. Sie ist sogar aus der Kirche geflogen. Schade, dass ich sie nicht mehr kennenlernen durfte. Aber Humor, den hatten wir alle immer noch, jeder auf seine Art, und wenn man noch so tief in der *Sch* saß. Damals war ich über viele Monate nur noch im Suizidforum unterwegs. Und plötzlich fand ich einen, der mit mir zusammen unsere speziellen newsflashs erstellte. Wir lästerten über die Gesellschaft ab, ich brachte meinen heißgeliebten Sarkasmus mit rein, und heftig. Plötzlich schrieben andere user zurück, dass es das erste Mal seit Monaten sei, dass sie wieder lachen können. Also war doch das ganze und das Forum nichts Falsches, wenn ich damit anderen für ein paar Minuten das Lachen wieder beibringen konnte, wenngleich ich selbst vorm PC saß und gleichzeitig Rotz zu Wasser heulte. Das ist paradox, aber es war tatsächlich so.
Meine Hausärztin meine neulich, dass ich aufgrund meines Asthmas und der angegriffenen Lunge, mich am besten gegen Grippe impfen lassen sollte, denn bei Menschen mit dieser Vorerkrankung würde diese in vielen Fällen tödlich verlaufen. *lol* Was besseres hätte sie mir nicht sagen können. Ich werde einen Teufel tun, und mich impfen lassen. Ich sagte nur zu ihr: na, das sind doch mal gute Neuigkeiten. Ich weiß, manchmal irritiere ich andere, aber manchmal kann ich mich nicht zurückhalten. Wie vor vielleicht anderthalb Jahren. Da hat sich mein eigener Hund, Kleinausgabe von Hannibal auf vier Pfoten, aus Wut darüber, dass ich ihn zur Ruhe bringen wollte, in meinem Arm festgebissen. Ich spürte richtig, wie das Fleisch aufplatzte und sein gesamtes oberes Gebiss immer tiefer hineinfuhr. Das war ein Schmerz, als wenn du eine offene Wunde im Schraubstock immer enger zudrehst. Und dieser Rotzlöffel guckt mich noch frech an. Ok, linke Hand genommen, Schnauze gelöst, ich kenne ja den Griff, habe ihm allerdings eine verpasst, denn das ging nun zu weit. Ich hatte eine schöne klaffende Wunde, man sah richtig das komplette Gebiss, alles offen, alles blutend. Also auf dem Nachhauseweg zur Apotheke, um Betaisadona in flüssiger Form zu kaufen. Ich bin da nicht so zimperlich, kippe das Zeug drauf und gut ist. Zudem stehe ich ja sowieso auf Schmerzen Alle meinten, ich solle die Hunde anbinden und mich sofort nebenan beim Arzt impfen lassen. Bla bla bla Der Apotheker meinte, mit Wundstarrkrampf sei nicht zu spaßen, das könne tödlich verlaufen. Na, so was kommt doch bei einer wie mir richtig gut an. Ich fragte ihn nur: Okay, sagen Sie mir bitte, wie lange die Inkubationszeit ist, damit ich weiß, wieviel Zeit mir ggf. noch bleibt, um Zuhause aufzuräumen. Oha, er tat auf geschockt, aber als er um die Ecke ging, musste er grinsen. Na so was... Also keine Impfung und ich lebe noch. Du siehst, auch das íst nicht mehr normal. Ich bringe mir den größten Dreck in offene Wunden in der Hoffnung, ich könnte eine Blutvergiftung bekommen und hopps gehen, aber nein, anscheinend meint mein Immunsystem, es müsse alles speichern und stets Fleißarbeit leisten. Aber ich werde irrgendwann einen Weg finden, es zur Weiterbildung auf die VHS zu schicken und dann, dann ist es nicht da, um zu helfen. Tricky, aber vielleicht klappt es ja.
Hoffe, du nimmst vor allem die letzten Zeilen nicht allzu ernst oder denkst nun, ich sei über Nacht dem totalen Wahnsinn verfallen oder würde unter dem Einfluss von Medis stehen. Nope. Ich bin immer so drauf, da brauche ich nix einwerfen und Alk. trinke ich sowieso nicht. Hatte nur das Bedürfnis, mich mal ein wenig auszutoben.
Nope, kommt noch was zum Schluss. Ich habe mir gerade meine alten Poesiealben hervorgekramt. Merkwürdig, dass ich ausgerechnet jetzt den Drang hatte, darin zu blättern. Der zweite Eintrag im grünen Album ist von meinem Papa: Wer mit dem Leben spielt, kommt nie zurecht; wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt immer Knecht! Das schrieb er mir am 6.4.1976.
Im Juli 1976 schrieb mir meine Deutschlehrerin: Der Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strome des Lebens. Ist es nicht so? Würde man auch noch den Humor verlieren, ich glaube, dann gäbe es nichts mehr, was man überhaupt noch verlieren könnte....
Tja, und im Februar 1977 schrieb mir ein Mitbewohner meiner damaligen Mathenachhilfelehrerin: Ich wünsche Dir, daß du Dir Deine Schlagfertigkeit auch dann noch erhalten kannst, wenn die Leute Dich mal zwingen wollen, erwachsen zu werden.
Klar, auf den Mund gefallen war ich nie. Und das mit dem Erwachsenwerden, das ist so eine Sache. Nicht umsonst ist eines meiner Lieblingslieder das von Nessaja, der Schildkröte aus Tabaluga, das kennst du sicher. In dem Trauerheftchen, welches ich für meine Mutter verfasst hatte, stellte ich ihr nebenbei die Frage, wann man eigentlich erwachsen sei. Ich weiß es bis heute nicht. Bedeutet erwachsen sein, wenn man volljährig ist? Oder eine entsprechende Körpergröße aufweist? Wenn man einen Beruf erlernt hat, arbeitet, eine eigene Familie gegründet oder ein Haus gebaut hat?
Wie definierst Du persönlich erwachsen sein? Wem oder was ist man dann er- oder entwachsen? Natürlich, es gibt Definitionen darüber, was erwachsen sein im juristischen Sinne bedeutet, man wird geschäftsfähig, darf ab einem gewissen Alter Autofahren. Aber ist man wirklich erwachsen, nur, weil man ab einem gewissen Alter bestimmte Rechte und Pflichten erwirbt, die sämtlich ausgedacht und erlassen sind von irdischen Institutionen? Verstehe mich nicht falsch, Gesetze sind etwas anderes, die muss es (leider) geben, damit habe ich auch kein Problem. Ich habe nur Probleme mit Begriffen wie erwachsen sein oder Liebe bzw. Gefühl. Das richtet in mir immer wieder oder immer noch ein totales Wirrwar an.
Nun aber gut. War wohl eher viel zu víel des Guten, aber mir ging und geht gerade so vieles durch den Kopf, hoffe, dass es mir niemand verübelt.
Liebe Grüße und einen schönen, angenehmen Mittwoch
*SUPERGaU*
10.12.2008 00:19 • #21