Ach Sans, mit solchen Fragen beschäftigt sich jeder im Leben irgendwann. Manch einer schon mit recht jungen Jahren, manch einer scheinbar nie.
Ich nehm mir da immer einen wunderbaren Philosophen zu Herzen, der es auf den Punkt bringt: Things just happen. So what the hell.
Allein dass man auf der Welt IST weil man sich als einziges Spermium gegen alle anderen Spermien durchgesetzt hat ist schon unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto. Und trotzdem gibt es dich und mich. Wenn das mal kein glücklicher Zufall ist. Wir sind Alle schon Gewinner, einfach weil wir sind. Also machen wir das Beste draus.
Wieso die wenige Zeit mit sinnlosem Suchen verbringen, wenn man sowieso nur durchschnittlich 70 Jahre hier ist? Nö, die Zeit nutze ich lieber sinnvoll.
(Das ist meine derzeitige Lösung für den Sinn des Lebens. Mal schauen, wie lang ich gut damit fahren kann.)
Freilich kannst du jetzt noch weitere Monate nicht zum Therapeuten gehen und mit dir hadern. Du könntest alternativ dazu aber auch einfach in den Ferien in die Klinik fahren und schauen, was passiert. Verlieren kannst du nur wenig. Ich hatte in der 9ten Klasse eine Banknachbarin, die war auch zwei Wochen in einer psychosomatischen Klinik wegen Depressionen und Angstzuständen. Und sagte noch zwei Jahre später, dass das das Beste war, was sie jemals hätte machen können. Sie hat sich am Anfang gewehrt, konnte sich Anderen nicht öffnen, wollte auch nicht reden. War auch ein Außenseiter und hat oft nicht gewusst, wie es weiter gehen soll oder wozu Alles gut sein soll. Ich saß zwar nur fünf mal die Woche neben ihr, aber hab mitbekommen, dass sie auch Zuhause Probleme hatte. Sie hat sich auch ab und zu selbst verletzt. Die zwei Wochen in der Klinik haben sie sehr verändert. Als sie dann wieder in Mathe neben mir saß dachte ich fast, ich hätte einen anderen Menschen neben mir. Zwar war ihre Familie immer noch schwierig und in der Schule war sie trotzdem nicht beliebter als vorher, aber ihre innere Einstellung hatte sich verändert, sie konnte endlich reden, auch mal Gefühle raus lassen. Der ganze Druck, den sie über Jahre hinweg angesammelt hatte, der war endlich weg. Und das hat ihr schon geholfen, positiver nach Vorne zu schauen.
Ich rate dir auch immer noch dazu, in der Schule diversen Projekten beizutreten, die angeboten werden. Freiwilligen außerschulischen Aktivitäten, die sind kostenlos und machen noch dazu Spaß und man findet dort schnell Freunde.
Solche freiwilligen Arbeiten in der Schule waren es, die auch mich aus meiner Isolation heraus geholt haben. Ich war lange Zeit ein Außenseiter und fand alles schei. und wusste nicht, was das überhaupt soll und was das bringt und was ich falsch gemacht hatte, damit ich so bestraft werde. Aber Jammern und Daheimhocken bringt halt nix. Da konnte ich in noch so vielen Foren und Communities aktiv sein (denn mit 14/15 war ich nur im Internet unterwegs) aber in der Schule hatte ich trotzdem keine Freunde. Erst, als ich angefangen hab, nicht mehr nur über mich selber zu jammern und mich bei Anderen auszukotzen darüber, wie schlecht es mir doch geht, sondern mich auch mal für Andere interessiert habe, erst, als ich angefangen hab, mich zu engagieren und gemeinsam mit Anderen für etwas Größeres zu arbeiten, erst ab da wurde es immer besser.
Plötzlich war nicht mehr Alles schei., die Anderen waren nicht mehr assozial, und ich war kein Außenseiter mehr, sondern wurde in Ruhe gelassen, dann akzeptiert, und am Ende sogar von den Meisten gemocht. Anders als bei meiner Freundin hat bei mir eine schlichte Veränderung der äußeren Umstände dazu geführt, dass ich auch innerlich wieder mit mir im Reinen war. Bei ihr war es die innere Einstellung, die sich verändert hat, so dass sie mit den äußeren Umständen besser zurecht kommen konnte. (Aber auch sie ist dann einem kirchlischen Jugendverein beigetreten, der ihr bis zum Abitur sehr gut getan hat.) Es gab noch viel, was ich päckchenweise in meiner Jugend abgearbeitet hab, aber allein schon nicht mehr gemobbt zu werden, ein Teil in der Klassengemeinschaft zu werden und sinnvolle Beschäftigung zu haben, alleine das hat mir damals schon geholfen, aus meiner dunklen Phase heraus zu kommen.
Es gibt viele Möglichkeiten, was zu verändern, viele Wege, die du gehen könntest. Du musst sie einfach mal gehen anstatt dich jeden Tag auf's neue im Jammertal deines Lebens zu verlieren. Mitleid tut zwar vorübergehend gut, bringt aber auf lange Zeit gesehen nichts. Nachgrübeln über Sinnfragen ist auch okay, aber wenn man zu viel nachdenkt, verpasst man das, was schön ist im Leben.
Ich hab wie du in deinem Alter auch viele viele dunkle Phasen gehabt, aber das geht vorbei. Allerdings erst, wenn man selber aktiv wird und was dagegen tut. Vom Warten allein verändert sich leider nichts. Ich hab wie du damals auch den Weg über den Psychologen versucht, allerdings erfolglos. Ich dachte am Ende oft an Selbstmord (wollte das aber meiner Familie nicht antun) und ich hab jede Nacht nur noch 3h geschlafen, weil ich so Angst hatte vor dem Horror, der mich in der Schule erwartet, vor dem Mobbing. Ich war andauernd krank, mein Immunsystem war total im Keller, und ich blieb auch sowieso lieber Zuhause als mir die Hölle in der Schule anzutun. Ich bin zur Schulpsychologin, die mir fast zwei Stunden lang zugehört und dann ein Buch über PME gegeben hat. Toll, dacht ich mir, du blöde Kuh, was soll mir das bitte nutzen? Dann hab ich versucht einen Termin beim richtigen Therapeuten zu bekommen, da hab ich dann eine Stunde lang geheult und trotzdem keinen neuen Termin bekommen. Wurde aber auf die Warteliste gesetzt. Na danke. Da dacht ich mir dann: Danke, auf Erwachsene kann man sich doch eh nicht verlassen. Therapie und so, Alles Mist!
Und dann hab ich selber nach einer Lösung für mich gesucht. Und das hat komischerweise auch funktioniert. Meistens ist Alles gar nicht so schwer, wie es aussieht. Meistens reichen schon ganz kleine Sachen, damit es voran geht. Aber voran gehen muss man selber. Auch, wenn man meint, dass Andere das für einen regeln sollten. Irgendwann muss man lernen, sich selber um sein Leben zu kümmern.
Deswegen, so schwer es einem in dem Alter auch fällt: Kümmern und für dich sorgen, das machst jetzt du. Andere können nicht (mehr) dafür sorgen, dass es dir gut geht. Das geht vielleicht noch mit 5 Jahren, wenn die Mama die Barbie mit Feenflügeln kauft, die man so gerne haben will. Oder wenn die Mama zur kleinen Schwester sagt: Nein, hör auf deiner Schwester an den Haaren zu ziehen, das macht man nicht! Da ist man dann glücklich, weil Andere dafür sorgen, dass es einem gut geht und sich kümmern.
Aber irgendwann geht das nicht mehr, dass man sich beim Leben und beim Glück auf Andere verlassen kann. Irgendwann muss man das selber machen. Und an dem Punkt bist du jetzt so langsam angelangt glaub ich. Das heißt nicht, dass du Alles alleine machen musst, das schafft man auch nicht. Hilfe kann man immer bekommen, egal wie alt man ist und egal wohin man geht. Aber das Hingehen, das Kümmern, das muss man selber übernehmen.
Ich hab diese Phase mit dem Erwachsenwerden selber recht verzögert erlebt, aber es ist noch nicht zu lange her, so dass ich mich noch recht gut daran erinnern kann, wie es mir damals ging. (Und bis auf die letzten Jahre ging's mir dabei eigentlich immer schlecht. Und trotzdem geht's mir heute gut.) Ich weiß nicht, ob meine persönlichen Erfahrungen dir weiter helfen können. Ich würd mich aber freuen, wenn's so wäre.
Liebe Grüße,
Bianca