ich beschäftige mich schon einige Zeit mit mir und meiner Lebensgeschichte und hoffe, hier wertvolle Anregungen / Tipps zu erhalten.
Meine Situation:
Ich, männlich, lebe in einer festen Beziehung und habe zwei Kinder. Beruflich bzw. finanziell geht es mir (sehr) gut, ich habe studiert, habe einige Hobbies, die mir Freunde machen (Lesen, Sport usw.). Von äußerer Betrachtung her gibt es zunächst keinen Grund zur Besorgnis. Das ist aber nur die eine Seite.
Die andere Seite sieht leider so aus, dass ich seit ca. Anfang 20 immer wieder an Depressionen (mal ist es besser, mal weniger gut) leide. Das Ausmaß war hier immer jedoch so, dass ich meinen Alltag fast immer bewältigen konnte, im Beruf meine Leistung brachte, auch, wenn mir das oft wahnsinnig viel Energie abverlangte. Weiterhin habe ich folgende Probleme an mir identifiziert: Ich habe bis heute starke Probleme damit, neue Beziehungen einzugehen (habe deshalb auch fast keine Freunde), als Grund für mich habe ich Angst vor Ablehnung identifiziert (obwohl ich weiß, dass es objektiv keinen Grund dafür gibt). Trotzdem steckt die Angst vor Ablehnung sehr tief in mir. Weiterhin habe ich eine Angst vor Autoritätspersonen entwickelt, kann auch schlecht Nein sagen im beruflichen Kontext. Auch bin ich nie mit mir zufrieden, möchte ständig mehr erreichen usw. Ich bin ein Mensch, der stark von äußerer Bestätigung abhängig ist.
Mir ist auch bekannt (von meinen Eltern), dass meine Schwester ebenfalls an einer psychischen Störung leidet, hier in geht es in Richtung Zwangsstörung / Angststörung.
Wir beide waren bereits (unabhängig voneinander) in psychotherapeutischer Behandlung. In meinen Fall hatte ich leider das Gefühl, nicht richtig ernst genommen zu werden während der Therapie. Vermutlich, weil ich nie aufgrund von Depressionen krank geschrieben war und die Probleme (Grübelzwang, stark mangelndes Selbstwertgefühl, ständige Unzufriedenheit mit sich selbst, Zwang zur Perfektion usw.) nie so gravierend waren, dass ich deshalb auf der Arbeit ausgefallen wäre. Ich wurde als minderschwerer Fall abgestempelt, manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, meine Therapeutin glaubt kein Wort von dem, was ich erzähle.
Nun habe ich in meiner Biografie etwas nachgeforscht. Vieles, was man als Kind erlebt, erscheint ja normal. Man denkt nicht darüber nach. Man kennt es einfach nicht anders. Allerdings hatte ich immer schon das Gefühl, dass mir meine Eltern, inbesondere mein Vater, kaum Selbstwertgefühl vermittelt haben. Ich möchte hier klarstellen, dass es mir nicht darum geht, jemanden anzuklagen oder einen Schuldigen zu finden. Ich weiß mittlerweile mit ziemlicher Sicherheit (von meiner Mutter), dass das, was mein Vater weitergegeben hat, er vermutlich auch genau so (oder noch deutlich schlimmer) als Kind selbst erlebt hat. Ich möchte allerdings bestimmte Mechanismen verstehen, um für mich einen Weg zu finden, endlich nach vorn zu schauen, mehr Selbstwertgefühl entwickeln, weniger von äußerer Form der Anerkennung abhängig zu sein. Und natürlich, um meinen Kindern ein guter Vater zu sein.
Wenn ich aus heutiger Sicht darüber reflektiere, bleibt mir folgendes Verhalten meines Vaters im Gedächtnis:
- stark autoritäres Verhalten, Rechthaberei (andere Standpunkte werden ignoriert und wenn das Gegenüber klar im Recht ist, wird schnell das Thema gewechselt), Neigung zu Wutausbrüchen bei Unpässlichkeiten.
- Als Kind wurde ich nie wirklich gelobt, es wurde hingegen oft auf andere (z. B. Gleichaltrige) verwiesen, die z. B. dieses oder jenes erreicht hatten (ich habe das immer als Ablehnung meinerseits erlebt, auch wenn es so nicht verbalisiert wurde). Mir wurde nie gesagt, was ich gut kann. Ständig wurden Vergleiche gezogen.
- In Situationen, in denen ich z. B. häusliche Arbeiten ausführen / meinem Vater zur Hand gehen musste, fühlte ich mich ständig negativ kontrolliert, ich hatte immer Angst davor, Fehler zu machen. Auch wurde mir oft gesagt Dies und jenes kannst du nicht. Lass es sein. Z. b. Aus dir wird sicherlich mal kein . .
- Emotionen waren zwischen mir und meinem Vater nie ein Thema. Ich kann mich tatsächlich nicht dran erinnern, jemals von meinem Vater in den Arm genommen worden zu sein. Selbst heute ist es mir unmöglich, mit ihm über Emotionen zu sprechen. Ich würde einfach kein Wort über die Lippen bringen. Ich kann mit ihm über Politik, Wirtschaft oder den Beruf sprechen, aber nicht über Gefühle.
Mütterlicherseits habe ich immer sehr viel Liebe und Anerkennung erhalten, aus heutiger Sicht manchmal schon fast zu viel. Meine Mutter hat mich nie bis kaum kritisiert, auch wenn ich Mist gebaut habe. Aus heutiger Sicht meine ich fast, sie wollte das Verhalten meines Vaters damit kompensieren. Allerdings hat sie meinem Vater früher auch keine Schranken gesetzt, auch hat sie selbst viel Abwertung von ihm erfahren.
Abgesehen davon wäre es jedoch völlig unangebracht und ungerecht zu sagen, dass alles schlecht gewesen wäre. Unsere Eltern haben immer versucht, uns vieles zu bieten, es gab gemeinsame Unternehmungen, Urlaub, gemeinsame Fest usw.
Ich habe heute eine normale Beziehung zu meinem Vater, auch, weil ich weiß, dass er in seiner Kindheit vermutlich genau die gleichen Dinge erlebt hat. Selbst habe ich mit ihm nie darüber gesprochen. Allerdings stelle ich selbst heute hin und wieder noch fest, dass es mir nach Gesprächen mit ihm nicht immer gut geht, besonders dann, wenn man unterschiedlicher Meinung ist. Mein Vater ist völlig unfähig, Kritik zu ertragen. Trete ich ihm gegenüber, ist ständig so eine unterschwellige Wut / ein Trotz in mir, die ich lange nicht klar verstehen konnte.
Würdert ihr aufgrund meiner Schilderungen sagen, dass mein Vater narzistische Züge aufweist? Oder läuft dies noch im Rahmen von Probleme gibt es in jeder Familie, keine Kindheit ist perfekt.?
Nochmals, ich möchte nicht anklagen, ich möchte verstehen, möchte wissen, warum ich heute so bin, wie ich bin, warum ich Depressionen entwickelt habe, warum meine Schwester ebenfalls psychische Probleme hat. Und wissen, was ich aus heutiger Sicht tun kann. Nicht zuletzt möchte ich bestimmte Dinge (siehe oben) auf keinen Fall so an meine Kinder weitergeben.
30.06.2024 13:29 • • 11.09.2024 #1