Ich kann diese Gefühle und Gedanken auch sehr gut nachvollziehen. Geht mir bis heute so. Da kann einem jemand noch so oft versichern, dass man ja auch schön ist, wenn einem aber nach wie vor an allen Ecken und Enden peak perfection aka makellose glatte Haut, winzige Taillen und was weiß ich nicht noch alles um die Ohren gehauen wird. Es ist so schwer, sich davon nicht verunsichern zu lassen. Ich finde dieses Jeder ist schön! auch nicht sehr hilfreich. Es ist auf jeden Fall gut und in den meisten Fällen tatsächlich auch ernst gemeint, aber immer wenn mir jemand sowas gesagt hat, hab' ich mich so... wenig ernstgenommen gefühlt. Ja, danke, aber nein. Die Welt sagt mir genau das Gegenteil. Auf Magazinen sind nur makellose Körper. So seh' ich nicht aus, also - wie kann ich da schön sein, wenn DAS die allgemeine Definition von Schönheit ist?
Also, das vorab - ich nehm' dich ernst.
Nachdem das mit dieser erzwungenen Selbstliebe a la Ich bin schön! nie wirklich klappen wollte, habe ich begonnen, die Geschichte von der anderen Seite aufzurollen: so gut wie nichts von dem, was man um sich herum so sieht, ist die Realität. Es gibt vielleicht einige wenige Leute, die in der Hinsicht gesegnet sind, aber das sind wirklich die wenigsten. Starke Bildbearbeitung und Retusche(!), besonders vorteilhaftes (aber unbequemes) Posing und Lichteinstellungen sind halt Standard... sieht auf dem Foto ja hübsch aus, aber es ist eben nicht echt.
Vielleicht kannst du ja folgendermaßen beginnen: du musst dich nicht gleich superschön finden. All diese Sachen, die du an dir kritisierst, sind aber
normal. Nicht mehr und nicht weniger als völlig normal. Dehnungsstreifen, Besenreißer, Cellulite, Muttermale - alles normal. Hat jeder, in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen. Unsere Körper leben, sie tragen so vieles mit uns, und sie wirken Wunder. Du kannst Sachen machen, die dir Freude bereiten, du bist gesund. Schönheit sollte mMn nicht das wichtigste Charaktermerkmal sein und dieses Streben danach ist halt über Jahrzehnte auch wirklich in Wahn ausgeartet, was mehr als bedenklich ist. Du bist doch in erster Linie erst mal ein Mensch. Du hast Ziele, Gedanken, Interessen. All das macht dich zu dem, was du bist.
Aber wie gesagt - manchmal will man auch einfach nur mal hübsch sein, ich versteh' das. Dieses miese Gefühl und all die Unsicherheiten die du hast - ich glaube, das ist etwas, was man ein Leben lang
immer irgendwie mal hat, mal stärker, mal weniger stark, und das ist völlig in Ordnung und ebenfalls normal. Ich persönlich versuche mein Leben manchmal als ein Boot auf hoher See zu sehen. Manchmal stürmt's, man wird nass, und dann muss man erst mal wieder Wasser aus dem Boot rausschöpfen, damit man nicht untergeht. Ich glaube, derartige Unsicherheiten sind auch etwas, was man immer mal wieder rausschöpfen muss. Das Ziel ist, glaube ich, nicht, dass sie für immer verschwinden. Das Ziel ist, normal mit ihnen umgehen zu lernen, ohne, dass man sich direkt selbst fertigmacht.
Ich bezweifle, dass es Menschen gibt, die völlig frei von Unsicherheiten sind. Das vielleicht nur mal als kleine Ermutigung. Du hast durchaus die Möglichkeit, etwas an deiner Denkweise zu ändern. Das geht nicht von heute auf morgen, natürlich nicht, und es fühlt sich am Anfang auch erst mal so an, als würde man sich selbst etwas einreden. Ging mir zumindest so. Aber vielleicht hilft dir diese Art zu denken ja ebenfalls und vielleicht kannst du damit als Grundlage für dich erst einmal eine gesunde Basis an Selbstakzeptanz schaffen. Du hast deinen ganz eigenen Charakter und bist liebenswert, und dein Freund hat dich bestimmt nicht ohne jeden Grund gewählt!