Hallo zusammen!
Ich heisse Moni, bin 26 Jahre alt und leide seit vielen Jahren an einer wachsenden Zahl von Ängsten. Gestern habe ich endlich den Mut aufgebracht, mir Hilfe bei einem Arzt zu suchen, da ich das Gefühl habe, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, ohne dass mein Leben ernsthaften Schaden nehmen wird, alles quasi vor die Wand fahren wird. Zum Glück ist mir noch ein gewisser pragmatischer Selbsterhaltungstrieb geblieben, der mich vor dem kompletten Zusammenbruch zum Handeln zwingt. Aber am besten fange ich von vorne an zu erzählen, wobei der Anfang bekanntlich das Schwerste ist (seit etwa 45min tippe ich immer wieder Text ein, den ich dann lösche - obwohl die Gedanken ständig um das gleiche kreisen, fällt es seltsamerweise schwer sie auszuformulieren).
Bis zu meinem 13. Lebensjahr (in etwa) war ich ein sehr selbstbewusstes, extrovertiertes, aufgeschlossenes Kind, das es liebte, im Mittelpunkt zu stehen und Aufmersamkeit zu bekommen. Ich wusste, was ich leisten kann und wollte es auch zeigen.
Nach und nach schlich sich dann plötzlich Verunsicherung ein, z.B. wollte ich auf keinen Fall mehr laut vor anderen vorlesen und ich bekam langsam das Gefühl, von anderen beobachtet und bewertet zu werden. Ich fing an, meine Handlungen zu hinterfragen und vorab zu planen, handelte immer seltener imspulsiv oder spontan. Ich wurde introvertierter und in der Öffentlichkeit gehemmter und zurückhaltender. Ich bekam plötzlich Angst davor, etwas falsch zu machen und ausgelacht oder abgelehnt zu werden.
Bis zu meinem 16. Lebensjahr steigerte sich dieses defensive Verhalten immer mehr. Meine mündliche Beteiligung in der Schule wurde immer schwächer, weshalb ich mich von einer überdurchschnittlichen hin zu einer mittelmäßigen Schülerin entwickelte. Es war ein Horror für mich, vor einer großen Gruppe zu reden, besonders, wenn ich unverhofft drangenommen wurde. Auch die Benotung im Sportunterricht vor versammelter Mannschaft war ein Graus: So erinnere ich mich beispielsweise an eine Situation, bei der ich immer wieder bei der Grätsche über einem quergestellten Kasten mit den Füßen hängengeblieben und mit dem Gesicht voran auf die Matte gefallen bin. Die Klasse hat sich köstlich amüsiert (wohl auch zu recht, denn es muss schrecklich lächerlich ausgesehen haben) und der Sportlehrer ist verzweifelt, da er es einfach nicht begreifen konnte, warum ich als eigentlich sportliche Schülerin nicht über diesen Kasten komme, weshalb ich es immer wieder probieren musste. Irgendwann hat er es dann doch aufgegeben und mir mein Gnaden-Ausreichend bescheinigt.
Hinzu kamen schon zu dieser Zeit körperliche Beschwerden, wie starke Magenschmerzen und Übelkeit und extremes Schwitzen besonders unter den Achseln, was ich durch entsprechende Kleidung etc. zu verstecken versucht habe, da es auf keinen Fall entdeckt werden durfte.
Mit dem Wechsel in die Oberstufe haben sich diese Symptome noch weiter verstärkt. Da sich der alte Klassenverband nun aufgelöst hat und viele neue Mitschüler dazu kamen, habe ich versucht, mich im Unterricht nahezu unsichtbar zu machen und so gut wie gar nicht mehr geprochen - wenn ich musste, war es einsilbig. Die anderen Mitschüler haben dies als Arroganz ausgelegt, weshalb ich nicht sonderlich beliebt war. Als ich volljährig wurde, bin ich kaum noch zur Schule gegangen, sondern habe mich den Vormittag über irgendwo auf eine Parkbank gesetzt oder im Keller versteckt oder den Eltern erzählt, ich hätte schulfrei. Irgendwann habe ich deswegen großen Ärger mit der Schule bekommen und meine Versetzung war durch die Unmenge an Fehlstunden gefährdet. Allerdings konnten mich meine sehr guten Leistungen in den Klausuren retten, die mir trotz aller Fehlstunden zum Glück noch möglich waren. Allerdings war ich bei den Mitschülern nun ganz unten durch, da sie nicht verstehen konnten, weshalb ein offenbar dummer (denn im Unterricht sagte ich kaum was) und dazu noch fauler Mensch, der nie zur Schule kommt, nicht der Schule verwiesen wird. Auch einige Lehrer fühlten sich durch mein Verhalten wohl persönlich angegriffen und bezeichneten mich als destruktiv und verweigernd und meinten, mich durch persönliche verbale Angriffe im Unterricht und mangelhafte Noten maßregeln zu können.
Ich habe mich sehr mies gefühlt, weil ich einfach nicht gegen meine irrationalen Ängste ankämpfen konnte, obwohl ich merkte, dass sie mir einiges verbauten. Dazu kamen noch die Schuldgefühle, dass ich nicht nur mich, sodern vor allem auch die Erwartungen anderer enttäusche: Nicht nur Mitschüler und Lehrer waren ein Problem, sondern meine Eltern ließen ebenfalls ziemlich deutlich erkennen, wie enttäuscht sie von meinem unverständlichen Handeln sind und dass sie sich eigentlich etwas anderes von mir erhofft haben. So konnten sie es beispielsweise überhaupt nicht begreifen, wieso sie mir einen Führerschein bezahlt haben, ich mich aber nach bestandener Prüfung weigere, alleine zu fahren. Denn schließlich fährt ja jeder Idiot Auto! (Aber nicht jeder Idiot hat Angst, sich selbst oder andere Menschen tot zu fahren.)
Von meinen Ängsten erzählt habe ich niemandem, auch nicht meinen wenigen Freunden, die ich zu der Zeit noch hatte. Es war mir einfach viel zu peinlich zu offenbaren, dass ich einfach nicht in der Lage bin, meine Gefühle zu beherrschen, ich wollte nicht als Psycho gelten - zumal ich bei vorsichtigem Antasten an dieses Thema von allen Seiten immer sofort gehört habe:Ach, stell dich nicht so an - Angst hat jeder mal! Da war ich dann doch lieber die arrogante, einfältige, seltsame Einzelgängerin.
Zu dieser Zeit habe ich so ziemlich jeden Tag geweint und mich unglaublich einsam gefühlt. Ich habe fast täglich heimlich getrunken, kaum etwas gegessen und wenn, dann nur Ungesundes, ich habe angefangen zu rauchen und mich auch selbst verletzt, war also alles in allem mir selbst gegenüber sehr destruktiv, aber immer so, dass es niemand bemerkt hat; ich habe auch über Selbstmord nachgedacht, aber dann hätte ja alle Welt gewusst, dass ich nicht normal gewesen bin. Außerdem hatte ich immer die Hoffnung, dass alles wieder gut wird.
Irgendwie habe ich die Schulzeit hinter mich gebracht und sogar mein Abitur geschafft. Ich habe mir eingeredet, dass jetzt ein neuer Lebensabschnitt beginnt und ich noch einmal von vorn beginnen kann. Ich habe es geschafft, mich allein an einer Universität einzuschreiben und bin sogar zu Hause ausgezogen, denn irgendwie wollte ich nicht mehr mit meiner Familie zusammenleben, da ich es ihnen wohl innerlich ziemlich übel genommen habe, dass sie nicht bemerkt haben, was in mir vorgeht oder dass ich mich verändere, sondern mir deswegen bloß Vorwürfe gemacht haben - obwohl mir dieses böse Verhalten zu der Zeit gnädigerweise von ihnen verziehen wurde, denn immerhin habe ich das angestrebte Ziel (Abitur) doch noch erreicht und darf sogar studieren: da muss man sich als Eltern schließlich nicht mehr für seine Brut schämen!
Wie dem auch sei, lief das erste Semester überraschend gut: Ich war zwar immer noch still, schaffte es aber immerhin so weit über meinen Schatten zu springen, dass ich Anschluss fand (u.a. meinen jetzigen Ehemann). In den Seminaren war ich extrem angespannt, musste mich aber nicht zu Wort melden, sondern konnte meine Leistung durch Klausuren oder Hausarbeiten erbringen.
Ab dem zweiten Semester ging der Horror aber wieder von vorne los: In meinem Zweitfach wurde es obligatorisch, zur Studienleistung ein Referat zu erbringen. Ich sollte also vor ca. 50 völlig fremden Menschen eine halbe Stunde lang frei reden! Die Angst öffentlich zu versagen, ausgeliefert zu sein und beobachtet zu werden, war sofort wieder da. Mit der Angst im Hinterkopf stellte ich mich trotzdem der Herausforderung und war unglaublich erleichtert, es hinter mich gebracht zu haben - und meiner Meinung nach auch besser als gedacht. Allerdings haben mich im Nachhinein Kommilitonen auf meinen Vortrag angesprochen und meinten, wie lustig aufgeregt ich doch gewesen sei bzw. wie aggro ich auf Rückfragen reagiert hätte. Ich war natürlich am Boden zerstört und fühlte mich in meinen schlimmsten Vorstellungen darüber, wie ich auf andere Leute wirke, dass sie mich negativ bewerten, vollauf bestätigt. Ab da wurde es von Vortrag zu Vortrag schlimmer: Ich fing an zu stottern, meine Hände begannen zu zittern, ich konnte nicht mehr frei sprechen, sondern musste ablesen und konnte niemanden ansehen (weshalb ich u.a. auch von einigen Kommilitonen und Professoren ob meiner inkompetenten Vortragsweise gerügt wurde). Also versuchte ich fortan, mithilfe dummer Ausreden um Referate herumzukommen (was manchmal auch klappte) oder mich mit Valium, das ich heimlich von meiner Mutter gemopst hatte, ruhig zu stellen (was allerdings nie klappte: während des Vortrages war mein Puls trotzdem auf 180 und das Herz raste wie verrückt; kaum war ich fertig, bin ich dafür fast im sitzen eingeschlafen). Die Angst davor, vor allen Menschen auszurasten war schließlich so groß, dass ich diesen Studiengang nach abgeschlossenem Bachelor aufgegeben habe und nur noch mein Erstfach im Master studiere, obwohl ich weiß, dass dadurch meine beruflichen Chancen wesentlich schlechter ausfallen.
Mittlerweile hat sich in mir ein schrecklicher Angststau gebildet. Ich habe nicht nur Redeangst vor großen oder auch kleinen Gruppen, Angst beobachtet und bewertet zu werden, Angst Auto zu fahren, sondern ich fürchte mich vor fast allen lapidaren Dingen: Ich gehe ungern alleine vor die Tür, ich meide Amtsbesuche, Restaurantbesuche, Arztbesuche und alle Gelegenheiten, in denen es auffallen könnte, dass ich vor Angst zittern muss (denn das passiert jetzt immer und nicht nur die Hände sind betroffen, sondern oft bekomme ich Ganzkörperschüttelfrost), ich bezahle ungern selbst an der Kasse und wenn, dann nur mit abgezähltem Geld, was ich schnell hinlegen kann - per Karte mit Unterschrift geht gar nicht. Ich telefoniere nicht mit fremden Menschen oder Behörden und selbst der Email Verkehr fällt mir immer schwerer, da ich vor dem Öffnen des Posteingangs unglaublich nervös werde (selbst als ich anfing, diesen Text zu verfassen, habe ich gezittert wie Espenlaub). Nachts kann ich oft nicht einschlafen, weil ich über meine Zukunft nachdenken muss, die für mich eine einzige Schreckensvision ist oder weil ich Panik davor habe, dass meinem Mann etwas Schlimmes zustoßen könnte und ich mein Leben nicht allein bewältigen kann. Morgens fehlt mir oftmals der Antrieb, überhaupt aus dem Bett zu kriechen zum einen, weil ich total übermüdet bin, zum anderen, weil ich diffuse Ängste habe, z.B. dass per Post eine Schreckensnachricht a lá Sie müssen ins Gefängnis angekommen ist. Mittlerweile hat sich dazu noch so etwas wie Klaustrophobie gesellt: Als ich vor einigen Monaten zum MRT musste, habe ich in der Röhre einen kompletten Aussetzer gehabt mit Zitteranfällen am ganzen Körper (es waren schon eher Zuckungen), Herzrasen, Schweißausbrüchen, ich konnte kaum Atmen, in meinem Kopf wurde es flau und ich habe nur noch weiß gesehen - ich dachte ernsthaft ich muss sterben. Ich habe mich dann krampfhaft an den Gedanken geklammert, dass mir nichts passieren kann, schließlich befinde ich mich in einem Krankenhaus und dass ich jederzeit auf den Notknopf drücken kann, obwohl dann jeder gewusst hätte, dass ich durchgedreht bin, weshalb ich es nicht getan habe. Die Arzthelferin hat es aber spätestens dann doch bemerkt, als ich nach der Untersuchung nicht von dem Gerät runter konnte, weil meine Kniegelenke immer nachgegeben haben.
Diese vor allem körperlich sehr extreme Angstsituation hat mich dann doch sehr schockiert, weil sie sozusagen einen neuen Maßstab gesetzt hat. Jetzt habe ich natürlich Angst davor, dass mir sowas öfter passiert, besonders in der Öffentlichkeit. Vor ein paar Wochen kam diese Panik nochmal in einem engen Tunnel, in dem wir kurz warten mussten und von hinten immer mehr Menschen nachkamen. Ich hab's nicht mehr ausgehalten und musste raus, dann ging es schlagartig besser.
Zu den Ängsten, die immer weitere Bereiche meines Lebens beeinträchtigen, haben sich zusätzlich körperliche Symptome gesellt, die wohl eine seelische Ursache haben, da nie etwas Organisches festgestellt werden konnte: Ich habe mehrmals die Woche Kopfschmerzen, mein Augenlid zuckt regelmäßig, ich habe täglich Magenschmerzen und/oder Darmkrämpfe bzw. Unterbauchschmerzen, sehr oft Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Herzrasen, eine kaum noch vorhandene Libido und neuerdings Zahnschmerzen (laut Zahnärztin stressbedingt).
Dieser ganze Rattenschwanz ist zu einer richtiggehenden Negativspirale geworden, die natürlich auch Einfluss auf mein soziales Umfeld hat. Eigene Freunde habe ich keine mehr, irgendwann war es für mich einfach zu anstrengend, ständig Ausreden zu erfinden, weshalb man dieses oder jenes nicht tun kann. Die Freunde wiederum hatten verständlicherweise nicht ständig Lust, mir hinterher zu rennen und sich reglmäßig eine Abfuhr einzufangen. Ein einfaches Beispiel: Wenn ich gefragt wurde, ob ich Lust auf Disco hätte, war meine Antwort Disco ist sch... und da gehen nur Assis hin. Die ehrliche Antwort wäre gewesen: Ich habe Angst davor, in Gegenwart anderer Menschen zu tanzen und beobachtet zu werden, was man aber natürlich nicht sagt und anderen lieber mit einer Lüge vor den Kopf stößt.
Die einzigen sozialen Kontakte außerhalb der Familie sind die Freunde meines Mannes, die ich auch gerne mag und mich nach langer Zeit auch normal also gelöst ihnen gegenüber verhalten kann. Allerdings mache ich mir Sorgen, dass mir auch hier die Angst wieder dazwischen funkt: Als wir vor kurzem auf einer Hochzeit geladen waren, habe ich mich dort so schrecklich unwohl gefühlt, dass ich meiner Angst den ganzen Abend lang nicht Herr werden konnte, selbst nach einer gehörigen Portion Alk.. Ich habe so stark gezittert, dass ich kaum essen geschweige denn, mir unbeschadet etwas vom Buffett holen konnte, ins Gästebuch schreiben konnte ich auch nicht und auf dem Begrüßungsfoto vermochte ich nicht freundlich zu gucken, weil ich meine Mundwinkel nicht unter Kontrolle halten konnte, außerdem musste ich mich an meinem Mann festklammern, weil mein Arm plötzlich zu Seite hin ausgeschlagen hat.. Schließlich habe ich mich entweder aufs Klo oder nach draußen verkrümelt, damit ich wenigstens keinen Herzinfarkt erleide, falls ich aufgefordert werde, an Hochzeitsspielen teilzunehmen. Das war mir im Nachhinein auch alles so peinlich und tat mir furchtbar leid, weil ich doch keinesfalls die blöde Zicke sein will, die anderen den schönsten Tag ihres Lebens verdirbt, aber ich kann doch auch nicht ins Mikro sagen: Übrigens - wundert euch nicht über mein Verhalten, ich hab bloß schreckliche Angst vor euch allen.
Ich glaube, ich bin an einem Punkt angelangt, an dem es so einfach nicht mehr weiter gehen kann. Die Angst wirkt schon zu lange auf mein Leben ein und macht mich nach und nach kaputt. Nicht nur, dass sie auf Dauer schädigend auf meinen Körper einwirkt, was natürlich nicht in meinem Interesse liegt (obwohl sich ehrlicherweise manchmal ein kleiner, grausamer Teil in mir wünscht, körperlich richtig krank zu sein, so dass ich die ganze Bringschuld ein für alle mal los bin). Ich muss auch dahingehend etwas ändern, dass die Angst mich nicht mehr bezüglich meiner Entscheidungen kontrollieren kann. Irgendwann kann ich mein Studium nicht noch länger hinauszögern, ich kann nicht weiterhin darauf hoffen, dass sich irgendwann durch Zauberhand alles zum Guten wendet. Ich will nicht mehr aller Welt zeigen müssen, dass ich Angst habe - denn nicht nur die Angst an sich ist ein besch... Gefühl, sondern es ist so verdammt erniedrigend, dass jeder unwichtige Zausel in meinen Gedanken zu einer Art unheilvoller Gottheit erhoben wird, die es schafft, mir mein Leben zur Hölle zu machen. Ich möchte einfach wieder normal leben können und normal fühlen. Ich möchte mich nicht länger verkriechen, sondern mein Leben aktiv gestalten und meine Möglichkeiten nutzen. Ich möchte meinem Mann eine gute Lebenspartnerin und keine Last sein; und irgendwann möchte ich auch Kinder haben und für sie eine starke Mutter sein können.
Deshalb habe ich beschlossen, den Schritt zu wagen und mich zu offenbaren - zumindest den dafür zuständigen Ärzten und meinem Mann, der bis vor zwei Wochen von meinem enormen Angstproblem in dem Ausmaß auch nichts wusste (ich gab vor, sehr schüchtern und spleenig bzw. kauzig zu sein, aber welche Angst in mir getobt hat, habe ich nie erzählt, bis es mir einfach alles zu viel wurde und aus mir heraugebrochen ist; irgendwie glaubt man immer, dass einen keiner verstehen kann und man ganz allein mit seinem Problem fertig werden muss), und ich muss sagen, dass dieser erste Schritt schon unglaublich erleichternd war. Jetzt hoffe ich, dass die kommende psychologische und psychiatrische Behandlung mir helfen kann, obwohl ich bei der unüberblickbaren Fülle an Therapeuten und der langen Wartezeiten schon am liebsten wieder einen Rückzieher machen möchte. Aber zum Glück stehe ich nicht mehr alleine da und habe in meinem Partner eine große Unterstützung. Außerdem fällt es einem wesentlich schwerer wieder aufzugeben, wenn man anderen von seinen Absichten erzählt hat; ein Rückzieher wäre dann folglich sowas wie ein Vertragsbruch.
Ich entschuldige mich für diesen wortgewaltigen Ausbruch bei jedem, der es geschafft hat, so weit zu lesen. Aber manche Dinge müssen einfach irgendwann raus. Außerdem finde ich es sehr erleichternd zu lesen, dass es viele Menschen gibt, die ähnlich fühlen und man zumindest ein klein wenig seiner egozentrische Sichtweise entfliehen kann. Ich hoffe, dass mir auch ein solcher Austausch mit Leidensgenossen helfen kann, einen Weg zurück in die Normalität zu finden.
Ich heisse Moni, bin 26 Jahre alt und leide seit vielen Jahren an einer wachsenden Zahl von Ängsten. Gestern habe ich endlich den Mut aufgebracht, mir Hilfe bei einem Arzt zu suchen, da ich das Gefühl habe, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, ohne dass mein Leben ernsthaften Schaden nehmen wird, alles quasi vor die Wand fahren wird. Zum Glück ist mir noch ein gewisser pragmatischer Selbsterhaltungstrieb geblieben, der mich vor dem kompletten Zusammenbruch zum Handeln zwingt. Aber am besten fange ich von vorne an zu erzählen, wobei der Anfang bekanntlich das Schwerste ist (seit etwa 45min tippe ich immer wieder Text ein, den ich dann lösche - obwohl die Gedanken ständig um das gleiche kreisen, fällt es seltsamerweise schwer sie auszuformulieren).
Bis zu meinem 13. Lebensjahr (in etwa) war ich ein sehr selbstbewusstes, extrovertiertes, aufgeschlossenes Kind, das es liebte, im Mittelpunkt zu stehen und Aufmersamkeit zu bekommen. Ich wusste, was ich leisten kann und wollte es auch zeigen.
Nach und nach schlich sich dann plötzlich Verunsicherung ein, z.B. wollte ich auf keinen Fall mehr laut vor anderen vorlesen und ich bekam langsam das Gefühl, von anderen beobachtet und bewertet zu werden. Ich fing an, meine Handlungen zu hinterfragen und vorab zu planen, handelte immer seltener imspulsiv oder spontan. Ich wurde introvertierter und in der Öffentlichkeit gehemmter und zurückhaltender. Ich bekam plötzlich Angst davor, etwas falsch zu machen und ausgelacht oder abgelehnt zu werden.
Bis zu meinem 16. Lebensjahr steigerte sich dieses defensive Verhalten immer mehr. Meine mündliche Beteiligung in der Schule wurde immer schwächer, weshalb ich mich von einer überdurchschnittlichen hin zu einer mittelmäßigen Schülerin entwickelte. Es war ein Horror für mich, vor einer großen Gruppe zu reden, besonders, wenn ich unverhofft drangenommen wurde. Auch die Benotung im Sportunterricht vor versammelter Mannschaft war ein Graus: So erinnere ich mich beispielsweise an eine Situation, bei der ich immer wieder bei der Grätsche über einem quergestellten Kasten mit den Füßen hängengeblieben und mit dem Gesicht voran auf die Matte gefallen bin. Die Klasse hat sich köstlich amüsiert (wohl auch zu recht, denn es muss schrecklich lächerlich ausgesehen haben) und der Sportlehrer ist verzweifelt, da er es einfach nicht begreifen konnte, warum ich als eigentlich sportliche Schülerin nicht über diesen Kasten komme, weshalb ich es immer wieder probieren musste. Irgendwann hat er es dann doch aufgegeben und mir mein Gnaden-Ausreichend bescheinigt.
Hinzu kamen schon zu dieser Zeit körperliche Beschwerden, wie starke Magenschmerzen und Übelkeit und extremes Schwitzen besonders unter den Achseln, was ich durch entsprechende Kleidung etc. zu verstecken versucht habe, da es auf keinen Fall entdeckt werden durfte.
Mit dem Wechsel in die Oberstufe haben sich diese Symptome noch weiter verstärkt. Da sich der alte Klassenverband nun aufgelöst hat und viele neue Mitschüler dazu kamen, habe ich versucht, mich im Unterricht nahezu unsichtbar zu machen und so gut wie gar nicht mehr geprochen - wenn ich musste, war es einsilbig. Die anderen Mitschüler haben dies als Arroganz ausgelegt, weshalb ich nicht sonderlich beliebt war. Als ich volljährig wurde, bin ich kaum noch zur Schule gegangen, sondern habe mich den Vormittag über irgendwo auf eine Parkbank gesetzt oder im Keller versteckt oder den Eltern erzählt, ich hätte schulfrei. Irgendwann habe ich deswegen großen Ärger mit der Schule bekommen und meine Versetzung war durch die Unmenge an Fehlstunden gefährdet. Allerdings konnten mich meine sehr guten Leistungen in den Klausuren retten, die mir trotz aller Fehlstunden zum Glück noch möglich waren. Allerdings war ich bei den Mitschülern nun ganz unten durch, da sie nicht verstehen konnten, weshalb ein offenbar dummer (denn im Unterricht sagte ich kaum was) und dazu noch fauler Mensch, der nie zur Schule kommt, nicht der Schule verwiesen wird. Auch einige Lehrer fühlten sich durch mein Verhalten wohl persönlich angegriffen und bezeichneten mich als destruktiv und verweigernd und meinten, mich durch persönliche verbale Angriffe im Unterricht und mangelhafte Noten maßregeln zu können.
Ich habe mich sehr mies gefühlt, weil ich einfach nicht gegen meine irrationalen Ängste ankämpfen konnte, obwohl ich merkte, dass sie mir einiges verbauten. Dazu kamen noch die Schuldgefühle, dass ich nicht nur mich, sodern vor allem auch die Erwartungen anderer enttäusche: Nicht nur Mitschüler und Lehrer waren ein Problem, sondern meine Eltern ließen ebenfalls ziemlich deutlich erkennen, wie enttäuscht sie von meinem unverständlichen Handeln sind und dass sie sich eigentlich etwas anderes von mir erhofft haben. So konnten sie es beispielsweise überhaupt nicht begreifen, wieso sie mir einen Führerschein bezahlt haben, ich mich aber nach bestandener Prüfung weigere, alleine zu fahren. Denn schließlich fährt ja jeder Idiot Auto! (Aber nicht jeder Idiot hat Angst, sich selbst oder andere Menschen tot zu fahren.)
Von meinen Ängsten erzählt habe ich niemandem, auch nicht meinen wenigen Freunden, die ich zu der Zeit noch hatte. Es war mir einfach viel zu peinlich zu offenbaren, dass ich einfach nicht in der Lage bin, meine Gefühle zu beherrschen, ich wollte nicht als Psycho gelten - zumal ich bei vorsichtigem Antasten an dieses Thema von allen Seiten immer sofort gehört habe:Ach, stell dich nicht so an - Angst hat jeder mal! Da war ich dann doch lieber die arrogante, einfältige, seltsame Einzelgängerin.
Zu dieser Zeit habe ich so ziemlich jeden Tag geweint und mich unglaublich einsam gefühlt. Ich habe fast täglich heimlich getrunken, kaum etwas gegessen und wenn, dann nur Ungesundes, ich habe angefangen zu rauchen und mich auch selbst verletzt, war also alles in allem mir selbst gegenüber sehr destruktiv, aber immer so, dass es niemand bemerkt hat; ich habe auch über Selbstmord nachgedacht, aber dann hätte ja alle Welt gewusst, dass ich nicht normal gewesen bin. Außerdem hatte ich immer die Hoffnung, dass alles wieder gut wird.
Irgendwie habe ich die Schulzeit hinter mich gebracht und sogar mein Abitur geschafft. Ich habe mir eingeredet, dass jetzt ein neuer Lebensabschnitt beginnt und ich noch einmal von vorn beginnen kann. Ich habe es geschafft, mich allein an einer Universität einzuschreiben und bin sogar zu Hause ausgezogen, denn irgendwie wollte ich nicht mehr mit meiner Familie zusammenleben, da ich es ihnen wohl innerlich ziemlich übel genommen habe, dass sie nicht bemerkt haben, was in mir vorgeht oder dass ich mich verändere, sondern mir deswegen bloß Vorwürfe gemacht haben - obwohl mir dieses böse Verhalten zu der Zeit gnädigerweise von ihnen verziehen wurde, denn immerhin habe ich das angestrebte Ziel (Abitur) doch noch erreicht und darf sogar studieren: da muss man sich als Eltern schließlich nicht mehr für seine Brut schämen!
Wie dem auch sei, lief das erste Semester überraschend gut: Ich war zwar immer noch still, schaffte es aber immerhin so weit über meinen Schatten zu springen, dass ich Anschluss fand (u.a. meinen jetzigen Ehemann). In den Seminaren war ich extrem angespannt, musste mich aber nicht zu Wort melden, sondern konnte meine Leistung durch Klausuren oder Hausarbeiten erbringen.
Ab dem zweiten Semester ging der Horror aber wieder von vorne los: In meinem Zweitfach wurde es obligatorisch, zur Studienleistung ein Referat zu erbringen. Ich sollte also vor ca. 50 völlig fremden Menschen eine halbe Stunde lang frei reden! Die Angst öffentlich zu versagen, ausgeliefert zu sein und beobachtet zu werden, war sofort wieder da. Mit der Angst im Hinterkopf stellte ich mich trotzdem der Herausforderung und war unglaublich erleichtert, es hinter mich gebracht zu haben - und meiner Meinung nach auch besser als gedacht. Allerdings haben mich im Nachhinein Kommilitonen auf meinen Vortrag angesprochen und meinten, wie lustig aufgeregt ich doch gewesen sei bzw. wie aggro ich auf Rückfragen reagiert hätte. Ich war natürlich am Boden zerstört und fühlte mich in meinen schlimmsten Vorstellungen darüber, wie ich auf andere Leute wirke, dass sie mich negativ bewerten, vollauf bestätigt. Ab da wurde es von Vortrag zu Vortrag schlimmer: Ich fing an zu stottern, meine Hände begannen zu zittern, ich konnte nicht mehr frei sprechen, sondern musste ablesen und konnte niemanden ansehen (weshalb ich u.a. auch von einigen Kommilitonen und Professoren ob meiner inkompetenten Vortragsweise gerügt wurde). Also versuchte ich fortan, mithilfe dummer Ausreden um Referate herumzukommen (was manchmal auch klappte) oder mich mit Valium, das ich heimlich von meiner Mutter gemopst hatte, ruhig zu stellen (was allerdings nie klappte: während des Vortrages war mein Puls trotzdem auf 180 und das Herz raste wie verrückt; kaum war ich fertig, bin ich dafür fast im sitzen eingeschlafen). Die Angst davor, vor allen Menschen auszurasten war schließlich so groß, dass ich diesen Studiengang nach abgeschlossenem Bachelor aufgegeben habe und nur noch mein Erstfach im Master studiere, obwohl ich weiß, dass dadurch meine beruflichen Chancen wesentlich schlechter ausfallen.
Mittlerweile hat sich in mir ein schrecklicher Angststau gebildet. Ich habe nicht nur Redeangst vor großen oder auch kleinen Gruppen, Angst beobachtet und bewertet zu werden, Angst Auto zu fahren, sondern ich fürchte mich vor fast allen lapidaren Dingen: Ich gehe ungern alleine vor die Tür, ich meide Amtsbesuche, Restaurantbesuche, Arztbesuche und alle Gelegenheiten, in denen es auffallen könnte, dass ich vor Angst zittern muss (denn das passiert jetzt immer und nicht nur die Hände sind betroffen, sondern oft bekomme ich Ganzkörperschüttelfrost), ich bezahle ungern selbst an der Kasse und wenn, dann nur mit abgezähltem Geld, was ich schnell hinlegen kann - per Karte mit Unterschrift geht gar nicht. Ich telefoniere nicht mit fremden Menschen oder Behörden und selbst der Email Verkehr fällt mir immer schwerer, da ich vor dem Öffnen des Posteingangs unglaublich nervös werde (selbst als ich anfing, diesen Text zu verfassen, habe ich gezittert wie Espenlaub). Nachts kann ich oft nicht einschlafen, weil ich über meine Zukunft nachdenken muss, die für mich eine einzige Schreckensvision ist oder weil ich Panik davor habe, dass meinem Mann etwas Schlimmes zustoßen könnte und ich mein Leben nicht allein bewältigen kann. Morgens fehlt mir oftmals der Antrieb, überhaupt aus dem Bett zu kriechen zum einen, weil ich total übermüdet bin, zum anderen, weil ich diffuse Ängste habe, z.B. dass per Post eine Schreckensnachricht a lá Sie müssen ins Gefängnis angekommen ist. Mittlerweile hat sich dazu noch so etwas wie Klaustrophobie gesellt: Als ich vor einigen Monaten zum MRT musste, habe ich in der Röhre einen kompletten Aussetzer gehabt mit Zitteranfällen am ganzen Körper (es waren schon eher Zuckungen), Herzrasen, Schweißausbrüchen, ich konnte kaum Atmen, in meinem Kopf wurde es flau und ich habe nur noch weiß gesehen - ich dachte ernsthaft ich muss sterben. Ich habe mich dann krampfhaft an den Gedanken geklammert, dass mir nichts passieren kann, schließlich befinde ich mich in einem Krankenhaus und dass ich jederzeit auf den Notknopf drücken kann, obwohl dann jeder gewusst hätte, dass ich durchgedreht bin, weshalb ich es nicht getan habe. Die Arzthelferin hat es aber spätestens dann doch bemerkt, als ich nach der Untersuchung nicht von dem Gerät runter konnte, weil meine Kniegelenke immer nachgegeben haben.
Diese vor allem körperlich sehr extreme Angstsituation hat mich dann doch sehr schockiert, weil sie sozusagen einen neuen Maßstab gesetzt hat. Jetzt habe ich natürlich Angst davor, dass mir sowas öfter passiert, besonders in der Öffentlichkeit. Vor ein paar Wochen kam diese Panik nochmal in einem engen Tunnel, in dem wir kurz warten mussten und von hinten immer mehr Menschen nachkamen. Ich hab's nicht mehr ausgehalten und musste raus, dann ging es schlagartig besser.
Zu den Ängsten, die immer weitere Bereiche meines Lebens beeinträchtigen, haben sich zusätzlich körperliche Symptome gesellt, die wohl eine seelische Ursache haben, da nie etwas Organisches festgestellt werden konnte: Ich habe mehrmals die Woche Kopfschmerzen, mein Augenlid zuckt regelmäßig, ich habe täglich Magenschmerzen und/oder Darmkrämpfe bzw. Unterbauchschmerzen, sehr oft Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Herzrasen, eine kaum noch vorhandene Libido und neuerdings Zahnschmerzen (laut Zahnärztin stressbedingt).
Dieser ganze Rattenschwanz ist zu einer richtiggehenden Negativspirale geworden, die natürlich auch Einfluss auf mein soziales Umfeld hat. Eigene Freunde habe ich keine mehr, irgendwann war es für mich einfach zu anstrengend, ständig Ausreden zu erfinden, weshalb man dieses oder jenes nicht tun kann. Die Freunde wiederum hatten verständlicherweise nicht ständig Lust, mir hinterher zu rennen und sich reglmäßig eine Abfuhr einzufangen. Ein einfaches Beispiel: Wenn ich gefragt wurde, ob ich Lust auf Disco hätte, war meine Antwort Disco ist sch... und da gehen nur Assis hin. Die ehrliche Antwort wäre gewesen: Ich habe Angst davor, in Gegenwart anderer Menschen zu tanzen und beobachtet zu werden, was man aber natürlich nicht sagt und anderen lieber mit einer Lüge vor den Kopf stößt.
Die einzigen sozialen Kontakte außerhalb der Familie sind die Freunde meines Mannes, die ich auch gerne mag und mich nach langer Zeit auch normal also gelöst ihnen gegenüber verhalten kann. Allerdings mache ich mir Sorgen, dass mir auch hier die Angst wieder dazwischen funkt: Als wir vor kurzem auf einer Hochzeit geladen waren, habe ich mich dort so schrecklich unwohl gefühlt, dass ich meiner Angst den ganzen Abend lang nicht Herr werden konnte, selbst nach einer gehörigen Portion Alk.. Ich habe so stark gezittert, dass ich kaum essen geschweige denn, mir unbeschadet etwas vom Buffett holen konnte, ins Gästebuch schreiben konnte ich auch nicht und auf dem Begrüßungsfoto vermochte ich nicht freundlich zu gucken, weil ich meine Mundwinkel nicht unter Kontrolle halten konnte, außerdem musste ich mich an meinem Mann festklammern, weil mein Arm plötzlich zu Seite hin ausgeschlagen hat.. Schließlich habe ich mich entweder aufs Klo oder nach draußen verkrümelt, damit ich wenigstens keinen Herzinfarkt erleide, falls ich aufgefordert werde, an Hochzeitsspielen teilzunehmen. Das war mir im Nachhinein auch alles so peinlich und tat mir furchtbar leid, weil ich doch keinesfalls die blöde Zicke sein will, die anderen den schönsten Tag ihres Lebens verdirbt, aber ich kann doch auch nicht ins Mikro sagen: Übrigens - wundert euch nicht über mein Verhalten, ich hab bloß schreckliche Angst vor euch allen.
Ich glaube, ich bin an einem Punkt angelangt, an dem es so einfach nicht mehr weiter gehen kann. Die Angst wirkt schon zu lange auf mein Leben ein und macht mich nach und nach kaputt. Nicht nur, dass sie auf Dauer schädigend auf meinen Körper einwirkt, was natürlich nicht in meinem Interesse liegt (obwohl sich ehrlicherweise manchmal ein kleiner, grausamer Teil in mir wünscht, körperlich richtig krank zu sein, so dass ich die ganze Bringschuld ein für alle mal los bin). Ich muss auch dahingehend etwas ändern, dass die Angst mich nicht mehr bezüglich meiner Entscheidungen kontrollieren kann. Irgendwann kann ich mein Studium nicht noch länger hinauszögern, ich kann nicht weiterhin darauf hoffen, dass sich irgendwann durch Zauberhand alles zum Guten wendet. Ich will nicht mehr aller Welt zeigen müssen, dass ich Angst habe - denn nicht nur die Angst an sich ist ein besch... Gefühl, sondern es ist so verdammt erniedrigend, dass jeder unwichtige Zausel in meinen Gedanken zu einer Art unheilvoller Gottheit erhoben wird, die es schafft, mir mein Leben zur Hölle zu machen. Ich möchte einfach wieder normal leben können und normal fühlen. Ich möchte mich nicht länger verkriechen, sondern mein Leben aktiv gestalten und meine Möglichkeiten nutzen. Ich möchte meinem Mann eine gute Lebenspartnerin und keine Last sein; und irgendwann möchte ich auch Kinder haben und für sie eine starke Mutter sein können.
Deshalb habe ich beschlossen, den Schritt zu wagen und mich zu offenbaren - zumindest den dafür zuständigen Ärzten und meinem Mann, der bis vor zwei Wochen von meinem enormen Angstproblem in dem Ausmaß auch nichts wusste (ich gab vor, sehr schüchtern und spleenig bzw. kauzig zu sein, aber welche Angst in mir getobt hat, habe ich nie erzählt, bis es mir einfach alles zu viel wurde und aus mir heraugebrochen ist; irgendwie glaubt man immer, dass einen keiner verstehen kann und man ganz allein mit seinem Problem fertig werden muss), und ich muss sagen, dass dieser erste Schritt schon unglaublich erleichternd war. Jetzt hoffe ich, dass die kommende psychologische und psychiatrische Behandlung mir helfen kann, obwohl ich bei der unüberblickbaren Fülle an Therapeuten und der langen Wartezeiten schon am liebsten wieder einen Rückzieher machen möchte. Aber zum Glück stehe ich nicht mehr alleine da und habe in meinem Partner eine große Unterstützung. Außerdem fällt es einem wesentlich schwerer wieder aufzugeben, wenn man anderen von seinen Absichten erzählt hat; ein Rückzieher wäre dann folglich sowas wie ein Vertragsbruch.
Ich entschuldige mich für diesen wortgewaltigen Ausbruch bei jedem, der es geschafft hat, so weit zu lesen. Aber manche Dinge müssen einfach irgendwann raus. Außerdem finde ich es sehr erleichternd zu lesen, dass es viele Menschen gibt, die ähnlich fühlen und man zumindest ein klein wenig seiner egozentrische Sichtweise entfliehen kann. Ich hoffe, dass mir auch ein solcher Austausch mit Leidensgenossen helfen kann, einen Weg zurück in die Normalität zu finden.
25.09.2010 00:20 • • 27.09.2010 #1
5 Antworten ↓