Ich kenne ein Teil der Konstellation auch, nur mit etwas anderen Vorzeichen. Bei mir ist es die ältere Schwester, die immer eine offene Tür hatte und wo ich in jüngeren Jahren auch jeden Tag abhing als ich noch zuhause wohnte.
Sie hat auch eigene Familie, wohnt aber noch im Elternhaus und anders ist hier, dass sie mich als Kleine am liebsten ständig behütet wissen würde und die wollte mich am liebsten da bei sich einquartieren, dass man täglich aufeinander hängt. Da hatte ich dann doch andere Pläne und hab ein großes Bedürfnis nach Distanz und Individualität.
Meine Schwester hatte in dieser Familie viel übernommen (also Herkunftsfamilie) und alles spielte sich bei ihr ab.
Und ich wollte was eigenes, meine eigenen Bedingungen und einen Teil meiner Persönlichkeit kann ich in meiner Familie auch gar nicht leben und fühle mich dann da eher klein und unwohl.
Aber es gab eine Zeit, da brauchten wir uns irgendwie und da hab ich mich auch sehr abhängig und sehr unsicher gefühlt.
Mir hats nur später leid getan, dass wir uns nicht mehr differenzieren konnten - bzw sind wir ja - aber im Bewusstsein das klar zu bekommen und das auch zu akzeptieren, das ist eine Menge Arbeit.
Bei dir @Ronja009 vermute ich, dass es sich um starke Gewohnheiten handelt zwischen deinem Bruder und dir und ja, vielleicht auch eine Art Bequemlichkeit seinerseits.
Es gibt ja Männer, die bleiben auch bei der Mutter hängen zum essen, am Wochenende, für den Urlaub und da sind die schon gut über 40. Vielleicht bist du da in ähnlicher Weise eine Art vertrautes Ersatz Nest.
Ich denke, wenn du sehr klar auftrittst und klare Ansagen machst so und so kann und möchte ich das, dann wird er das wohl verstehen und vielleicht verdutzt, aber nicht beleidigt sein.
Ich weiß nicht, ob generelle Gespräche über die Art der Beziehung möglich sind (das ging bei mir eher nach hinten los und war zu abstrakt und überfordernd); aber so ganz konkrete Absprachen oder ganz konkrete unmittelbare Reaktionen deinerseits dürften auch schon Wirkung zeigen.
Also z B beim Besuch fragen: Wann kommst du denn das nächste Mal? Mit der Frage gibst du was vor, machst klar, dass das nächste Mal nicht selbstverständlich ist, und du kannst mit verhandeln.
Oder wenn er lamentiert, dann die genervte Reaktion deutlicher zeigen oder mit Humor abwimmelnd reagieren oder ähnliches, wo man sagt nee nicht schon wieder.
Oder mal eine gemeinsame Aktion vorschlagen, etwas neues für alle. Das kann allerdings auch eine schwierige Geburt werden, da ja alle gewohntes verlassen, aber es ist auch interessant.
Ich hab mich z B einmal überwunden, mit Schwester und Familie Samstags ins Gewerbegebiet zu fahren, obwohl ich sowas echt hasse, aber die da was brauchten, dafür hab ich sie dann später mitgenommen zu einer römischen Ruine da in der Nähe, wo man chillen konnte und es echt ruhig ist.
Oder ich hab dann mal auf einen Ort beharrt, der nicht immer im Umkreis meiner Schwester stattfindet, so wie sie es gewohnt ist und da wurde der Termin von ihrer Seite immer wieder ins unendliche verschoben, aber ich bin auch hart geblieben. Hab dann dafür beim nächsten Mal wieder einen Kompromiss gemacht.
Teilweise war das schon echt aufwühlend, die Verhältnisse da etwas zu verschieben, aber so langsam fühlt es sich auch besser an und ich fühle mich auch freier damit.
Dass meine Schwester nicht die ganze Zeit in meinem Kopf ist und ich nicht die ganze Zeit mir denke was will sie jetzt, muss ich jetzt dies wieder für sie, muss ich jetzt das.
Und wenn in einer guten Distanz eine Freiheit da ist, dann ist auch ein Kontakt wieder voll ok.
16.08.2024 16:58 •
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