Pilongo
Ich war eeeewig nicht mehr hier im Forum, und wenn ich mich jetzt so durchklicke merke ich dass ich auch gar niemanden mehr kenne Egal, aber vielleicht ist ja genau DAS der Grund hier kurz eine Geschichte zu verfassen, denn ich weiß noch wie unglaublich hilfreich ich diese Mutmach-Geschichten hier in der Erfolgsecke fand.
Mein Kampf mit der Angst begann 2009. Einige Wochen nachdem mein Vater plötzlich gestorben war, und einige Wochen vor meinen Abiturprüfungen, hatte ich meine ersten Herzstolperer. Ich war perplex, ich hatte Panik. Ich lebte in ständiger Anspannung, die Attacken kamen öfter, ich begann meinen Körper zu beobachten. Jeder Herzschlag, jede kleine Veränderung im Puls, alles was aus der Reihe lief war für mich ein Zeichen genauer hinzuschauen. Und dadurch wurde meine Angst nur noch größer. Ich ging zur Ärztin, ließ mich durchchecken: Ich war natürlich pumperlgesund. Nur wollte ich das nicht glauben, denn wieso spielte mein Körper mir denn dann andauernd so üble Streiche?
Hier im Forum fand ich zum Glück rasch heraus dass mein Problem psychischer Natur war, ich fand mich in vielen Berichten wieder. Mein erster Weg führte mich also zu einem psychologischen Psychotherapeuten. Eine richtige Entscheidung, und ich hatte auch noch Glück, denn ich verstand mich gut mit ihm. Dazu muss ich sagen dass ich ihn rückblickend genial finde. Bei den Sitzungen selber ging es mir selten gut, denn manchmal sagte er mir sehr direkt dass dieser oder jener Gedanke mir nicht hilft, sondern schadet, und manchmal gingen die Gespräche so unter die Haut dass ich danach zitternd wie Espenlaub Heim gefahren bin oder in den Sitzungen heulen musste. Aber er übte auch mit mir mich zu entspannen, er sprach mit mir über meine Ängste, er half mir kleine Wochenziele zu finden. Er war echt ein super Therapeut! Auch wenn ich das erst im Nachhinein wirklich erkannt hab.
Auch hier im Forum fand ich viele Tipps, probierte fast Alles aus, verzweifelte, wenn ich manchmal ewig lang wach lag, schweißgebadet, wie ein Skla. meiner Angst. Ich bekam die Attacken Nachts, wenn ich allein war, Tagsüber, wenn ich irgendwo unterwegs war, Zuhause, im Laden, auf der Straße - ich kam mir ausgeliefert vor und ich hab das nicht verstanden. Ich bin dreimal sogar ins Krankenhaus gefahren weil ich einfach nicht glauben wollte dass es nur die Angst ist, weil ich Panik hatte ich müsste sterben wenn mein Herz noch länger so rast. Heute weiß ich dass auch das nur eine verschobene Selbstwahrnehmung war: Der menschliche Körper hält sehr viel mehr aus als Herzrasen, aber damals machte mir eben Alles Angst.
Ich kann nach all der Zeit gar nicht mehr sagen wann es wieder besser wurde, ich denke das war ein schleichender Prozess und das kann ich nicht an einem speziellen Tag oder Ereignis festmachen. Ich hab mein Leben Stückchenweise umgekrempelt. Ich hab die Angst manchmal provoziert, zum Beispiel indem ich Sport machte onbwohl ich wusste dass das Herz dann rast. Hinterher war ich fix und alle mit den Nerven, aber ich hatte auch innerlichen Druck abbauen können, das tat mir gut. Ich hab manchmal beim Staubsaugen gesungen um mich von der Angst abzulenken, ich lag manchmal Stundenlang wach wenn die Angst mich schüttelte, ich sagte manchmal Verabredungen ab um mich Daheim zu verstecken und manchmal zwang ich mich hinzugehen und normal zu sein so gut es eben ging. Es war ein Balanceakt, eine seltsame Mischung aus dem Meiden von Dingen die einfach noch unangenehm waren und dem Sich-selber-in-den-Arsch-treten weil ich wusste dass sich ohne Veränderung von mir selbst nichts tun würde. Der Therapeut hat mir große Hilfestellung gegeben, aber ich hab darüber hinaus auch selbst viel ausprobiert, weil mir klar war dass eine Krankheit die in mir drin entstanden ist auch nur von mir selbst wieder gelöst werden kann.
Einen großen Durchbruch gab es: Irgendwann, ich glaub es war beim Duschen, stolperte mein Herz wieder mal. Ich bekam Angst - sagte mir aber dann dass es nur die Angst ist, nichts Schlimmes. Dabei blieb es. Damals hab ich zum ersten Mal begriffen dass ich selber das war die diese Attacken provoziert hat. Dass die kleinen Stolperer und Unregelmäßigkeiten allein noch keine Attacken sind, sondern dass ich durch diesen Schreckmoment sie unbewusst erst ins Rollen brachte. Danach wurden meine Attacken deutlich weniger. Der nächste Schritt war dass ich meiner Angst einen Namen gegeben habe und ein Bild. Ich hab mir vorgestellt dass sie furchbar gruselig aussieht, wie eine Albtraumgestalt eben, schwarz und dunkel und entsetzlich entstellt. Aber in ihren Klauen hatte sie ein kleines rosa Briefchen von meinem Unterbewusstsein auf dem stand: Pass besser auf dich auf. Immer wenn die Angst mich anfiel hab ich mir vorgestellt dass sie nur so penetrant ist weil sie mir unbedingt diese Nachricht überbringen will, und hab dann mit ihr gesprochen so nach dem Motto: Danke liebe Angst, ich weiß du willst nur auf mich aufpassen, aber du schießt ziemlich über das Ziel hinaus, weißt du?! Das half, irgendwie. Ich hatte davon hier im Forum gelesen und den Tipp für mich selber übernommen. Und es funktionierte. Ich glaub bis heute dass es kein Patentrezept gegen Ängste gibt, denn sie sind so unterschiedlich wie die Menschen selber. Aber ich bin mir sicher dass man selbst ausprobieren und einen Weg finden muss der für einen persönlich gut ist. Und dazu muss man auch lernen besser auf sich zu achten.
Die Attacken wurden von da an deutlich weniger. Mein Therapeut hatte sich gefreut, sagte mir: Ja, wir können die Termine gerne auch ausdehnen. Sie rufen mich einfach an und dann machen wir einen, in zwei Wochen vielleicht? Ich sagte: Okay, kein Problem, mach ich! - Gesehen hab ich den Guten danach nie wieder Außer ein paar Monate später, um mich herzlich zu bedanken und ihm ein Dankeschön zu überreichen. Ich wusste es nicht, aber er hat wohl gespürt dass ich ihn nicht mehr brauche. Und so war es dann auch!
Inzwischen hat sich viel in meinem Leben verändert. Ich bin von Daheim ausgezogen, ziemlich weit weg sogar, ich studiere, ich hab seit ersten April (Nein, kein Scherz) einen Job an der Uni wo ich jetzt auch studiere. Der Freund meiner Schwester ist in unsere ehemalige gemeinsame Wohnung gezogen, Meine Mama, die ja Witwe war, hat sich frisch verliebt und wird ihren Jetzt-Verlobten diesen September heiraten Eine Phase in meinem Leben die mir damals wie das schrecklichste Schicksal auf Erden erschien ist jetzt, nach drei Jahren, eigentlich nicht viel mehr als ein böser Traum. Nur eines hab ich damals gelernt, und das mach ich noch immer: Nämlich wie man richtig auf sich selbst achtet. Hätte man mir, damals vor drei Jahren, als ich weder die Welt noch mein Leben noch meinen eigenen Körper verstand, gesagt wo ich in drei Jahren stehen werde, ich hätte das niemals geglaubt. Niemals. Und jetzt hab ich einen Job an der Uni, ein Studium das mir Spaß macht, meine Beziehung funktioniert so gut wie eh und je, ich hab mehr soziale Kontakte als jemals zuvor, meine arme Mama hat wieder Jemanden gefunden dem sie ihr Herz öffnen kann, und Alles ist irgendwie einfach tutti. Klar hab ich so meine Problemchen, wie Jeder andere auch, aber unter'm Strich kann ich sagen: Mir geht's gut.
Die Angst, das kann ich für mich sagen, geht nie ganz weg. Die bleibt, wie ein Mahnmal. Attacken sind es nicht, nicht diese Schweißausbrüche und Herzrasen und diese ganze Tour. Aber immer wenn ich z.B. meinen Sport nicht regelmäßig mache weil ich zu viel Stress habe, dann merk ich wie es mir die Brust zuschnürt. Immer wenn ich mich vor Dingen drücke die ich erledigen müsste, dann merk ich wie diese innere anspannung in mir wächst. Ich denke, aber ich bin ja kein Arzt, dass der Körper sich diese Art Aufmerksamkeit auf seine innere Befindlichkeit zu lenken, merkt. Und sie dann abruft wenn es einem schlecht geht, ohne dass man es direkt merkt weil man zu beschäftigt ist mit anderen Dingen. Ich nehme diese Beklemmung und die Unruhe inzwischen immer noch wahr, aber sie machen mir keine Angst mehr. Sie sind halt Zeichen. Dann geh ich wieder öfter zum Sport, powere mich aus, lass die Uni mal Uni sein und mach lieber was mit Freunden, und pflege einfach wieder diese innere Achtsamkeit die man im Alltag allzu leicht vergisst, gar Gefahr läuft zu verlernen.
Und ich fahre gut damit!
Ich hoffe dass vielleicht jetzt oder in einiger Zeit jemand dem es jetzt so schlecht geht wie es mir einmal ging, genau so wie ich damals keine Ruhe findet und alle Seiten dieses Unterforums durchsucht und dabei auf meinen Beitrag klickt. Und dann liest er ihn und denkt sich: Hey, es gibt also doch ein Licht am Ende des Tunnels! Und auch wenn der Weg bis dahin noch sehr weit erscheinen mag, so kann man sich doch sicher sein dass es Menschen gibt die die Angst hinter sich lassen und einfach wieder leben. Und man kann sich vornehmen, oder für den Anfang zumindest davon träumen, irgendwann auch so jemand zu sein.
Das würde mich sehr freuen!
06.04.2012 22:50 • • 14.07.2012 #1