„Immer hat man uns gesagt, dass die Liebe die Lösung für alles sei. Liebe bringe uns Sicherheit, Glück, Freude und Kraft. Nun lieben wir und fühlen uns trotzdem so elend wie nie zuvor. Man hat uns nicht gesagt, was passiert, wenn der Mensch, den wir lieben, uns nicht mehr liebt und verlässt.“
Nun habe ich mich auch eingereiht in die Gruppe derjenigen, die verlassen wurden und mit der Situation nicht zurechtkommen.
Meine Frau hat mich vor einigen Wochen verlassen. Für mich kam das völlig unerwartet und ich stehe immer wieder fassungslos vor dieser Tatsache.
Sylva und ich lernten uns vor 8 Jahren kennen. Wir waren beide Gesangsstudenten beim gleichen Professor und sollten bei einem Konzert ein gemeinsames Duett singen, was wir auch taten. Wir konnten uns nicht ausstehen. Sie fand mich langweilig und ich dachte, was eine Diva! So verloren wir uns wieder aus den Augen, bis wir uns ein Jahr später bei einem Meisterkurs in Hessen wieder sahen. In dieser Woche lernten wir uns näher kennen. Gegen Ende der Woche erhielt sie die Nachricht, dass ihre Großmutter nach einem schweren Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wurde und sehr geringe Überlebenschancen habe.
Ich riet ihr, sie müsse zu ihr fahren, sie würde es sich später nie verzeihen, und so kam es dann, dass wir beide durch halb Deutschland fuhren, und Sylva die ganze Nacht am Bett ihrer Großmutter blieb. Ich glaube, in dieser Nacht habe ich mich in sie verliebt. Ich habe es ihr damals natürlich nicht gesagt, ich hatte beinahe ein schlechtes Gewissen. Sylva entschied sich, am nächsten Tag wieder mit nach Hessen zu fahren, weil sie unbedingt auch das Abschlusskonzert mitsingen wollte. Und so fuhren wir zurück und unser Leben hätte vermutlich einen anderen Verlauf genommen, wenn nicht mein Wagen kurz vorm Ziel verreckt wäre. Der Wagen musste in die Werkstatt und ich musste einige Tage länger bleiben, und so blieben wir beide. Und verliebten uns. Ich wusste nicht, dass Sylva 12 Jahre jünger war. Aber es hat in all der Zeit nie eine Rolle gespielt. Wir hatten keine Ahnung, wie unsere Beziehung funktionieren sollte, wir wohnten beide 200 km von einander entfernt, aber irgendwie haben wir uns darauf eingelassen. Und es funktionierte toll! Wir zogen nach einigen Monaten zusammen, heirateten 2004 und es fühlte sich richtig an und es war bis heute die schönste Zeit in meinem Leben. Sylva studierte weiter, ich verdiente unseren Lebensunterhalt als Altenpfleger und studierte, so gut es ging, nebenher weiter. Es war immer unsere Idee, wenn Sylva erst mal ein Engagement bekommt, werde ich mich mehr um mein Studium kümmern können. Ich habe meinen Gesang immer als Ausgleich gesehen, das heißt nicht, dass ich nicht auch für mich wichtige Erfolge hatte und an verschiedenen Theatern gesungen habe. Aber ich hatte nie die große Ambition, es unbedingt hauptberuflich machen zu müssen. Für Sylva war es immer ein Lebensziel eine erfolgreiche Sängerin zu werden. Sie hat dafür hart gearbeitet und viele Niederlagen und Rückschläge einstecken müssen. Sie hat an zahlreichen Hochschulen vorgesungen, ohne dass sie genommen wurde. So studierte sie privat. Sie wurde von ihren Eltern finanziell unterstützt.
Ihre Eltern waren nie wirklich glücklich mit Sylvas Entscheidung mich zu heiraten. Sie sahen in mir von Anfang an eine Bedrohung für die Karriere ihrer Tochter, sie gaben mir oft das Gefühl, nicht „gut genug“ für ihre Tochter zu sein. Wenn ich von ihnen vorgestellt wurde, dann nicht als Altenpfleger, sondern als Tenor.
Wir hatten 2 Fehlgeburten. Die Reaktion der Eltern war nicht etwa, uns, bzw. Sylva in ihrem Schmerz beizustehen, sondern ein Schwall an Vorwürfen: “Denkt doch an Deine Karriere! Wie könnt ihr ans Kinderkriegen denken!“
Das hat uns beide eigentlich noch mehr zusammen geschweißt. Wir heirateten 2006 kirchlich, das wollten wir beide unbedingt.
Im vergangenen Jahr sang Sylva einem weltberühmten Sänger in x. (600 km von hier) vor, der sehr angetan von ihr war. Zunächst fuhr sie alle 3 Wochen für 2 Tage zu ihm, dass war finanziell und organisatorisch nicht anders möglich. Nachdem Sylva immer deutlichere Fortschritte machte, und der Lehrer seine Liebe für sie entdeckte, organisierte er ihr ein Gaststudium an der Hochschule und eine Wohngelegenheit bei Bekannten. Das war für uns eine enorme finanzielle Entlastung.
Und der Anfang vom Ende…
Sylva bekam das Angebot in einer Hochschulproduktion eine Hauptrolle zu singen. Während der Probenphase im Januar und Februar war sie sehr viel in x. und stürzte sich begeistert in ihre Arbeit. Von allen Seiten bekam sie Kritiken der Superlative. Und sie veränderte sich. Sie distanzierte sich immer mehr von mir. Wir sahen uns sowieso kaum noch, aber auch der telefonische Kontakt wurde immer weniger. Rituale, wie z.B. der Gute – Nacht – Anruf, oder SMS’E zwischendurch, oder das Schreiben einer Karte, „Liebesbeweise“, Mitbringsel…etc, reduzierten sich.
Sie lernte einen sehr renommierten Pianisten kennen, der nicht nur mit ihr probte, sondern auch häufig die Freizeit mit ihr verbrachte. Er ist so eine Art Pflegesohn der Familie, bei der Sylva wohnte. Aus ihren Erzählungen weiß ich, dass er bei ihren Mitstudenten sehr unbeliebt sei und sie dies gar nicht nachvollziehen könne. Er sei ein toller Mensch, von allen missverstanden. Darüber hinaus sei er für Sylva eine riesengroße Chance auf ihrer Karriereleiter, auch aufgrund seiner Kontakte. Ich entwickelte ein großes Misstrauen ihm gegenüber. Ich hatte den Eindruck, die Begeisterung für meine Frau war bei ihm nicht nur beruflicher Natur. Es machte mich misstrauisch, dass meine Frau sich plötzlich beim telefonieren zurückzog und alle Türen schloss. Das hatte sie vorher nie getan. Es machte mich misstrauisch, dass er recht oft anrief, immer auf dem Handy. Ich versuchte ihn bei der Premiere kennen zu lernen, er wich mir aus.
Ich litt zunehmend unter der Trennung, aber noch mehr darunter, dass ich den Eindruck bekam, dass sie selber gar nicht unter der Trennung litt. (Es war nicht das erste mal, dass wir für einen längeren Zeitraum getrennt waren, aber es fühlte sich ganz anders an.) Ich konnte verstehen, dass sie mich nicht anrief während der Probezeiten, aber sie tat es ja auch nicht – wie früher so oft – in ihrer freien Zeit. Sie reagierte nicht mal auf meine Bitte zurückzurufen, wenn etwas Dringendes vorlag. Sie fand für alles eine Erklärung, aber die für mich nicht nachvollziehbar waren.
Ich beobachtete wie eine Randfigur die Entwicklung. Natürlich freute ich mich für sie über ihren Erfolg, empfand aber auch die Kehrseite der Medaille. Ich war der einzige in ihrem Umfeld, der in dieser Situation nicht nur „Hurra“ geschrieen hat, weil ich bereits als unmittelbar Betroffener zu spüren bekam, was dieser plötzliche Erfolg auch für unsere Partnerschaft bedeutete, nämlich Entbehrung, Verzicht, Alleine sein, Meine Frau wird mir fremd.
Ich fühlte mich immer mehr an den Rand gedrängt. Verlassenheitsangst. Mich nicht mehr sicher in die Partnerschaft eingebunden. Es entstand das Gefühl, dass sie alles mit anderen bespricht. Und ich bei allen Dingen vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Aus unserem „Wir“ wurde immer mehr ein „Ich“.
Ich hatte einen Traum. Sylva und ich erklimmen einen Berg. Wir hängen beide an einem Seil. Sylva ist etwas weiter geklettert und ich bin noch etwas weiter unten und damit beschäftigt, uns abzusichern. Sie sieht den Gipfel und ruft mir zu: „Jetzt komm endlich! Schnell! Sonst muss ich Dich abschneiden. Du bist Ballast!“
Wir hatten zunehmend Konflikte wenn Sylva zuhause war, bei denen es oftmals darum ging, was wir machen, wenn Sie ein Engagement, hier oder dort bekommt, wie organisieren wir das. Ein anderes Thema war meine Eifersucht auf diesen Pianisten. Sie konnte es nicht nachvollziehen, ebenso wenig dass ich mich wie das 5. Rad am Wagen fühlte. Wir haben viel geredet und fanden irgendwie keinen gemeinsamen Nenner. Sie fühlte sich von mir geklammert, was ich bestimmt auch getan habe, zumindest von dem Augenblick an, an dem ich das Gefühl bekam, sie verlässt unsere Beziehung. Sie empfand unsere Gespräche als „Hamsterrad“, ich hingegen als notwendig, um Konflikte zu entschärfen. Mir ging es darum, sie zu verstehen.
Wenn wir früher gestritten hatten, konnten wir beide nicht lange damit leben, und versuchten beide irgendwie eine Lösung zu finden. Die Einlenkung kam von beiden Seiten. Und dann war es auch wieder gut.
Dies war diesmal ganz anders. Ich habe das Gefühl, das nur ich versucht habe, auf Sylva zuzugehen. Sie zog sich immer weiter zurück.
Um bildhaft ihre Gefühle darzustellen, benutze ich noch mal meinen Traum: Wir hängen beide an einem Seil. Sie sieht den Gipfel und möchte schnell weiter. Ich kann ihr nicht folgen, aus Angst abzustürzen, und klammer mich ganz fest an Sylva. Ich nehme ihr die Luft zu Atmen. Wir können nicht vor und zurück.
Wir hätten in dieser Phase Hilfe gebraucht.
Ich hatte in meinem Leben nie so eine starke Verlassensangst. Gleichzeitig empfand ich meine Situation auf der Arbeit als so belastend. Es hatte viel mit Tod und Sterben zu tun. Ich fühlte mich überfordert. Und vermisste meine Frau.
Mitte März stand Sylva vor mir und erschrak plötzlich. Sie fühlte eine körperliche Zerrissenheit. Sie sagte, eine Körperhälfte sei ganz heiß, die andere eiskalt. Außerdem fühlte sie Herzschmerzen, ähnlich wie bei einem Herzinfarkt.
Sie ist am nächsten Tag zu ihren Eltern gefahren. Sie sagte, sie brauche eine Auszeit. Sie kam nicht wieder. Nur um sich Kleidung zu holen, aber das tat sie in der Zeit als ich arbeitete. Sie sagte, sie müsse sich über ihre Gefühle klar werden, in ihr sei während der letzten Wochen und Monate so viel zerstört worden. Sie habe keine Zeit sich pausenlos mit unserer Ehe zu befassen. Sie habe nun wichtige Vorsingen und einfach keine Zeit. Sie sei erschöpft. Wir sahen uns am Dienstag nach Ostern. Sie teilte mir mit, dass sie sich von mir trenne, um aus diesem Vakuum herauszukommen. Sie wolle losgelassen werden, in der Hoffnung eine gemeinsame Basis wieder zu finden. Sie leide sehr unter der Trennung, aber sie sehe nur diese Möglichkeit. Sie fühle sich „erliebt“.
Ich bin immer wieder fassungslos. Ich habe ihr geschrieben, ihr auch vorgeschlagen, ob wir nicht eine gemeinsame Paartherapie machen wollen. Ich kann damit leben, dass sie eine Auszeit möchte, aber ich selber habe keine Hoffnung, dass dadurch irgendwelche Probleme gelöst werden.
Und bei allem Verständnis, dass sie in ihrer Situation zu ihren Eltern gezogen ist – wo sollte sie auch sonst hin – aber ausgerechnet ihre Eltern, die in mir immer nur „den Bürgerlichen“ gesehen haben. Ich habe es mir so gewünscht, dass sie einen anderen Ort oder andere Menschen für ihre Auszeit gewählt hätte.
Ich habe vor 14 Tagen einen nächtlichen Anruf meines Schwiegervaters erhalten. In einem 1:47 Stunden dauernden Monolog bedrohte er mich: „Lass die Hände von meiner Tochter, sonst lernst Du mich kennen!“ Eure Ehe war ja schön und gut, aber nun gehe es um wichtigere Dinge. Um die Karriere seiner Tochter. Er wolle sich nicht einmischen. Wir passen nicht zusammen. Der Altersunterschied sei zu groß. Ich alleine sei Schuld, dass die Ehe gescheitert ist. Ich habe sie nie unterstützt. Sie habe Angst vor mir, ich müsse mehr Verständnis aufbringen, sie sei mit ihren 28 Jahren noch nicht erwachsen etc...Er zitierte zum Teil wortwörtlich Sätze, die ich meiner Frau in meinen Briefen geschrieben habe.
(Ich habe immer eine latente Abneigung zu dieser Familie gehabt. Ich fühlte mich nie akzeptiert. Mich hat es abgestoßen, wenn ich miterlebte, wie sehr mein Schwiegervater seine Frau unterdrückte. Ein Pascha wie im Bilderbuch. Familienfeste waren für mich die Hölle! Nur derjenige der am lautesten redete, durfte reden. Aufgesetzte Etikette. Etepetete. Unnahbar, falsch, unaufrichtig, Geltungssüchtig…) Davon nehme ich gerne Abschied!
Zwei Tage später erhielt ich von meiner Frau eine E – Mail, von der ich nicht weiß, ob sie nicht von den Eltern diktiert wurde. Ich weiß es hört sich verrückt an, aber ich erkenne meine Frau nicht in diesem Brief. Ich erkenne in den Formulierungen ihre Mutter und in den Vorwürfen ihren Vater. Ich empfinde diesen Brief als eine einzige Verurteilung und Schuldzuweisung. Juristisch, eiskalt, verachtend, demütigend. Ich sei Schuld, ich sei krank, ich habe sie immer behandelt als kleines Mädchen, sie entmündigt usw. In diesem Schreiben teilte sie mir mit, dass sie sich nun für ein Jahr trenne, und wenn ich an einer Therapie festhalte, vielleicht noch Hoffnung bestehe. Sie wirft mir vor, ich habe die Trennung vorgeschlagen, sie habe sich gewundert, aber es schlussendlich akzeptiert. Und dass ist alles für mich so unfassbar, weil es einfach nicht stimmt. Ich rede und schreibe von nichts anderem, als dass ich eben eine Trennung nicht will und dass ich Hoffnung habe, dass es Möglichkeiten gibt, unsere Schwierigkeiten zu lösen…
Aber diese Hoffnung habe ich nun aufgegeben. Ich sehe im Augenblick überhaupt keine Grundlage mehr für eine gemeinsame Paartherapie, geschweige denn von einer gemeinsamen Zukunft, Ich empfinde ihr Verhalten als einzige Flucht. Ich kann die Entwicklung kaum ertragen und begreifen. Ich fasse es immer wieder nicht. Ich war in meinem Leben noch nie so verzweifelt und hilflos. Bis vor wenigen Wochen war ich der glücklichste Mann der Welt, und ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass sich das ändern würde. Und schon gar nicht so schnell.
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Ich bin so wütend zwischendurch und so verletzt, und doch vermisse ich meine Frau. Für ihre Karriere opfert sie alles, selbst ihre Ehe, und ich begreife nicht, warum sie beides nicht miteinander verbinden kann.
Sylva hat im Moment einen Mega – Erfolg. Die Leute um sie herum sprechen von Weltkarriere. Ich habe keine Ahnung. Ich habe alle Namen und Städte verändert in meinen Ausführungen hier, wer weiß, wie öffentlich meine Frau demnächst sein wird.
Ich finde es so schlimm, wie Menschen sich verändern, nur wegen des Erfolges. Vielleicht passen wir wirklich nicht mehr zusammen, auch wenn wir uns vor 1 1/2 Jahren noch hoch und heilig versprochen haben, dass wir auch die schlechten Zeiten gemeinsam durchstehen wollen... Und es zerreißt mir immer wieder aufs Neue mein Herz.
Ich habe mit einer Therapie begonnen, um alles irgendwie verarbeiten zu können.
Immanuel
Nun habe ich mich auch eingereiht in die Gruppe derjenigen, die verlassen wurden und mit der Situation nicht zurechtkommen.
Meine Frau hat mich vor einigen Wochen verlassen. Für mich kam das völlig unerwartet und ich stehe immer wieder fassungslos vor dieser Tatsache.
Sylva und ich lernten uns vor 8 Jahren kennen. Wir waren beide Gesangsstudenten beim gleichen Professor und sollten bei einem Konzert ein gemeinsames Duett singen, was wir auch taten. Wir konnten uns nicht ausstehen. Sie fand mich langweilig und ich dachte, was eine Diva! So verloren wir uns wieder aus den Augen, bis wir uns ein Jahr später bei einem Meisterkurs in Hessen wieder sahen. In dieser Woche lernten wir uns näher kennen. Gegen Ende der Woche erhielt sie die Nachricht, dass ihre Großmutter nach einem schweren Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wurde und sehr geringe Überlebenschancen habe.
Ich riet ihr, sie müsse zu ihr fahren, sie würde es sich später nie verzeihen, und so kam es dann, dass wir beide durch halb Deutschland fuhren, und Sylva die ganze Nacht am Bett ihrer Großmutter blieb. Ich glaube, in dieser Nacht habe ich mich in sie verliebt. Ich habe es ihr damals natürlich nicht gesagt, ich hatte beinahe ein schlechtes Gewissen. Sylva entschied sich, am nächsten Tag wieder mit nach Hessen zu fahren, weil sie unbedingt auch das Abschlusskonzert mitsingen wollte. Und so fuhren wir zurück und unser Leben hätte vermutlich einen anderen Verlauf genommen, wenn nicht mein Wagen kurz vorm Ziel verreckt wäre. Der Wagen musste in die Werkstatt und ich musste einige Tage länger bleiben, und so blieben wir beide. Und verliebten uns. Ich wusste nicht, dass Sylva 12 Jahre jünger war. Aber es hat in all der Zeit nie eine Rolle gespielt. Wir hatten keine Ahnung, wie unsere Beziehung funktionieren sollte, wir wohnten beide 200 km von einander entfernt, aber irgendwie haben wir uns darauf eingelassen. Und es funktionierte toll! Wir zogen nach einigen Monaten zusammen, heirateten 2004 und es fühlte sich richtig an und es war bis heute die schönste Zeit in meinem Leben. Sylva studierte weiter, ich verdiente unseren Lebensunterhalt als Altenpfleger und studierte, so gut es ging, nebenher weiter. Es war immer unsere Idee, wenn Sylva erst mal ein Engagement bekommt, werde ich mich mehr um mein Studium kümmern können. Ich habe meinen Gesang immer als Ausgleich gesehen, das heißt nicht, dass ich nicht auch für mich wichtige Erfolge hatte und an verschiedenen Theatern gesungen habe. Aber ich hatte nie die große Ambition, es unbedingt hauptberuflich machen zu müssen. Für Sylva war es immer ein Lebensziel eine erfolgreiche Sängerin zu werden. Sie hat dafür hart gearbeitet und viele Niederlagen und Rückschläge einstecken müssen. Sie hat an zahlreichen Hochschulen vorgesungen, ohne dass sie genommen wurde. So studierte sie privat. Sie wurde von ihren Eltern finanziell unterstützt.
Ihre Eltern waren nie wirklich glücklich mit Sylvas Entscheidung mich zu heiraten. Sie sahen in mir von Anfang an eine Bedrohung für die Karriere ihrer Tochter, sie gaben mir oft das Gefühl, nicht „gut genug“ für ihre Tochter zu sein. Wenn ich von ihnen vorgestellt wurde, dann nicht als Altenpfleger, sondern als Tenor.
Wir hatten 2 Fehlgeburten. Die Reaktion der Eltern war nicht etwa, uns, bzw. Sylva in ihrem Schmerz beizustehen, sondern ein Schwall an Vorwürfen: “Denkt doch an Deine Karriere! Wie könnt ihr ans Kinderkriegen denken!“
Das hat uns beide eigentlich noch mehr zusammen geschweißt. Wir heirateten 2006 kirchlich, das wollten wir beide unbedingt.
Im vergangenen Jahr sang Sylva einem weltberühmten Sänger in x. (600 km von hier) vor, der sehr angetan von ihr war. Zunächst fuhr sie alle 3 Wochen für 2 Tage zu ihm, dass war finanziell und organisatorisch nicht anders möglich. Nachdem Sylva immer deutlichere Fortschritte machte, und der Lehrer seine Liebe für sie entdeckte, organisierte er ihr ein Gaststudium an der Hochschule und eine Wohngelegenheit bei Bekannten. Das war für uns eine enorme finanzielle Entlastung.
Und der Anfang vom Ende…
Sylva bekam das Angebot in einer Hochschulproduktion eine Hauptrolle zu singen. Während der Probenphase im Januar und Februar war sie sehr viel in x. und stürzte sich begeistert in ihre Arbeit. Von allen Seiten bekam sie Kritiken der Superlative. Und sie veränderte sich. Sie distanzierte sich immer mehr von mir. Wir sahen uns sowieso kaum noch, aber auch der telefonische Kontakt wurde immer weniger. Rituale, wie z.B. der Gute – Nacht – Anruf, oder SMS’E zwischendurch, oder das Schreiben einer Karte, „Liebesbeweise“, Mitbringsel…etc, reduzierten sich.
Sie lernte einen sehr renommierten Pianisten kennen, der nicht nur mit ihr probte, sondern auch häufig die Freizeit mit ihr verbrachte. Er ist so eine Art Pflegesohn der Familie, bei der Sylva wohnte. Aus ihren Erzählungen weiß ich, dass er bei ihren Mitstudenten sehr unbeliebt sei und sie dies gar nicht nachvollziehen könne. Er sei ein toller Mensch, von allen missverstanden. Darüber hinaus sei er für Sylva eine riesengroße Chance auf ihrer Karriereleiter, auch aufgrund seiner Kontakte. Ich entwickelte ein großes Misstrauen ihm gegenüber. Ich hatte den Eindruck, die Begeisterung für meine Frau war bei ihm nicht nur beruflicher Natur. Es machte mich misstrauisch, dass meine Frau sich plötzlich beim telefonieren zurückzog und alle Türen schloss. Das hatte sie vorher nie getan. Es machte mich misstrauisch, dass er recht oft anrief, immer auf dem Handy. Ich versuchte ihn bei der Premiere kennen zu lernen, er wich mir aus.
Ich litt zunehmend unter der Trennung, aber noch mehr darunter, dass ich den Eindruck bekam, dass sie selber gar nicht unter der Trennung litt. (Es war nicht das erste mal, dass wir für einen längeren Zeitraum getrennt waren, aber es fühlte sich ganz anders an.) Ich konnte verstehen, dass sie mich nicht anrief während der Probezeiten, aber sie tat es ja auch nicht – wie früher so oft – in ihrer freien Zeit. Sie reagierte nicht mal auf meine Bitte zurückzurufen, wenn etwas Dringendes vorlag. Sie fand für alles eine Erklärung, aber die für mich nicht nachvollziehbar waren.
Ich beobachtete wie eine Randfigur die Entwicklung. Natürlich freute ich mich für sie über ihren Erfolg, empfand aber auch die Kehrseite der Medaille. Ich war der einzige in ihrem Umfeld, der in dieser Situation nicht nur „Hurra“ geschrieen hat, weil ich bereits als unmittelbar Betroffener zu spüren bekam, was dieser plötzliche Erfolg auch für unsere Partnerschaft bedeutete, nämlich Entbehrung, Verzicht, Alleine sein, Meine Frau wird mir fremd.
Ich fühlte mich immer mehr an den Rand gedrängt. Verlassenheitsangst. Mich nicht mehr sicher in die Partnerschaft eingebunden. Es entstand das Gefühl, dass sie alles mit anderen bespricht. Und ich bei allen Dingen vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Aus unserem „Wir“ wurde immer mehr ein „Ich“.
Ich hatte einen Traum. Sylva und ich erklimmen einen Berg. Wir hängen beide an einem Seil. Sylva ist etwas weiter geklettert und ich bin noch etwas weiter unten und damit beschäftigt, uns abzusichern. Sie sieht den Gipfel und ruft mir zu: „Jetzt komm endlich! Schnell! Sonst muss ich Dich abschneiden. Du bist Ballast!“
Wir hatten zunehmend Konflikte wenn Sylva zuhause war, bei denen es oftmals darum ging, was wir machen, wenn Sie ein Engagement, hier oder dort bekommt, wie organisieren wir das. Ein anderes Thema war meine Eifersucht auf diesen Pianisten. Sie konnte es nicht nachvollziehen, ebenso wenig dass ich mich wie das 5. Rad am Wagen fühlte. Wir haben viel geredet und fanden irgendwie keinen gemeinsamen Nenner. Sie fühlte sich von mir geklammert, was ich bestimmt auch getan habe, zumindest von dem Augenblick an, an dem ich das Gefühl bekam, sie verlässt unsere Beziehung. Sie empfand unsere Gespräche als „Hamsterrad“, ich hingegen als notwendig, um Konflikte zu entschärfen. Mir ging es darum, sie zu verstehen.
Wenn wir früher gestritten hatten, konnten wir beide nicht lange damit leben, und versuchten beide irgendwie eine Lösung zu finden. Die Einlenkung kam von beiden Seiten. Und dann war es auch wieder gut.
Dies war diesmal ganz anders. Ich habe das Gefühl, das nur ich versucht habe, auf Sylva zuzugehen. Sie zog sich immer weiter zurück.
Um bildhaft ihre Gefühle darzustellen, benutze ich noch mal meinen Traum: Wir hängen beide an einem Seil. Sie sieht den Gipfel und möchte schnell weiter. Ich kann ihr nicht folgen, aus Angst abzustürzen, und klammer mich ganz fest an Sylva. Ich nehme ihr die Luft zu Atmen. Wir können nicht vor und zurück.
Wir hätten in dieser Phase Hilfe gebraucht.
Ich hatte in meinem Leben nie so eine starke Verlassensangst. Gleichzeitig empfand ich meine Situation auf der Arbeit als so belastend. Es hatte viel mit Tod und Sterben zu tun. Ich fühlte mich überfordert. Und vermisste meine Frau.
Mitte März stand Sylva vor mir und erschrak plötzlich. Sie fühlte eine körperliche Zerrissenheit. Sie sagte, eine Körperhälfte sei ganz heiß, die andere eiskalt. Außerdem fühlte sie Herzschmerzen, ähnlich wie bei einem Herzinfarkt.
Sie ist am nächsten Tag zu ihren Eltern gefahren. Sie sagte, sie brauche eine Auszeit. Sie kam nicht wieder. Nur um sich Kleidung zu holen, aber das tat sie in der Zeit als ich arbeitete. Sie sagte, sie müsse sich über ihre Gefühle klar werden, in ihr sei während der letzten Wochen und Monate so viel zerstört worden. Sie habe keine Zeit sich pausenlos mit unserer Ehe zu befassen. Sie habe nun wichtige Vorsingen und einfach keine Zeit. Sie sei erschöpft. Wir sahen uns am Dienstag nach Ostern. Sie teilte mir mit, dass sie sich von mir trenne, um aus diesem Vakuum herauszukommen. Sie wolle losgelassen werden, in der Hoffnung eine gemeinsame Basis wieder zu finden. Sie leide sehr unter der Trennung, aber sie sehe nur diese Möglichkeit. Sie fühle sich „erliebt“.
Ich bin immer wieder fassungslos. Ich habe ihr geschrieben, ihr auch vorgeschlagen, ob wir nicht eine gemeinsame Paartherapie machen wollen. Ich kann damit leben, dass sie eine Auszeit möchte, aber ich selber habe keine Hoffnung, dass dadurch irgendwelche Probleme gelöst werden.
Und bei allem Verständnis, dass sie in ihrer Situation zu ihren Eltern gezogen ist – wo sollte sie auch sonst hin – aber ausgerechnet ihre Eltern, die in mir immer nur „den Bürgerlichen“ gesehen haben. Ich habe es mir so gewünscht, dass sie einen anderen Ort oder andere Menschen für ihre Auszeit gewählt hätte.
Ich habe vor 14 Tagen einen nächtlichen Anruf meines Schwiegervaters erhalten. In einem 1:47 Stunden dauernden Monolog bedrohte er mich: „Lass die Hände von meiner Tochter, sonst lernst Du mich kennen!“ Eure Ehe war ja schön und gut, aber nun gehe es um wichtigere Dinge. Um die Karriere seiner Tochter. Er wolle sich nicht einmischen. Wir passen nicht zusammen. Der Altersunterschied sei zu groß. Ich alleine sei Schuld, dass die Ehe gescheitert ist. Ich habe sie nie unterstützt. Sie habe Angst vor mir, ich müsse mehr Verständnis aufbringen, sie sei mit ihren 28 Jahren noch nicht erwachsen etc...Er zitierte zum Teil wortwörtlich Sätze, die ich meiner Frau in meinen Briefen geschrieben habe.
(Ich habe immer eine latente Abneigung zu dieser Familie gehabt. Ich fühlte mich nie akzeptiert. Mich hat es abgestoßen, wenn ich miterlebte, wie sehr mein Schwiegervater seine Frau unterdrückte. Ein Pascha wie im Bilderbuch. Familienfeste waren für mich die Hölle! Nur derjenige der am lautesten redete, durfte reden. Aufgesetzte Etikette. Etepetete. Unnahbar, falsch, unaufrichtig, Geltungssüchtig…) Davon nehme ich gerne Abschied!
Zwei Tage später erhielt ich von meiner Frau eine E – Mail, von der ich nicht weiß, ob sie nicht von den Eltern diktiert wurde. Ich weiß es hört sich verrückt an, aber ich erkenne meine Frau nicht in diesem Brief. Ich erkenne in den Formulierungen ihre Mutter und in den Vorwürfen ihren Vater. Ich empfinde diesen Brief als eine einzige Verurteilung und Schuldzuweisung. Juristisch, eiskalt, verachtend, demütigend. Ich sei Schuld, ich sei krank, ich habe sie immer behandelt als kleines Mädchen, sie entmündigt usw. In diesem Schreiben teilte sie mir mit, dass sie sich nun für ein Jahr trenne, und wenn ich an einer Therapie festhalte, vielleicht noch Hoffnung bestehe. Sie wirft mir vor, ich habe die Trennung vorgeschlagen, sie habe sich gewundert, aber es schlussendlich akzeptiert. Und dass ist alles für mich so unfassbar, weil es einfach nicht stimmt. Ich rede und schreibe von nichts anderem, als dass ich eben eine Trennung nicht will und dass ich Hoffnung habe, dass es Möglichkeiten gibt, unsere Schwierigkeiten zu lösen…
Aber diese Hoffnung habe ich nun aufgegeben. Ich sehe im Augenblick überhaupt keine Grundlage mehr für eine gemeinsame Paartherapie, geschweige denn von einer gemeinsamen Zukunft, Ich empfinde ihr Verhalten als einzige Flucht. Ich kann die Entwicklung kaum ertragen und begreifen. Ich fasse es immer wieder nicht. Ich war in meinem Leben noch nie so verzweifelt und hilflos. Bis vor wenigen Wochen war ich der glücklichste Mann der Welt, und ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass sich das ändern würde. Und schon gar nicht so schnell.
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Ich bin so wütend zwischendurch und so verletzt, und doch vermisse ich meine Frau. Für ihre Karriere opfert sie alles, selbst ihre Ehe, und ich begreife nicht, warum sie beides nicht miteinander verbinden kann.
Sylva hat im Moment einen Mega – Erfolg. Die Leute um sie herum sprechen von Weltkarriere. Ich habe keine Ahnung. Ich habe alle Namen und Städte verändert in meinen Ausführungen hier, wer weiß, wie öffentlich meine Frau demnächst sein wird.
Ich finde es so schlimm, wie Menschen sich verändern, nur wegen des Erfolges. Vielleicht passen wir wirklich nicht mehr zusammen, auch wenn wir uns vor 1 1/2 Jahren noch hoch und heilig versprochen haben, dass wir auch die schlechten Zeiten gemeinsam durchstehen wollen... Und es zerreißt mir immer wieder aufs Neue mein Herz.
Ich habe mit einer Therapie begonnen, um alles irgendwie verarbeiten zu können.
Immanuel
18.04.2008 13:17 • • 18.04.2008 #1
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