Liebe Obscuria,
dein Thema und der sich aufspannende Austausch haben mich nun dazu bewogen, mich hier anzumelden. Ich kann seit Monaten kaum schlafen und bin verzweifelt auf der Suche nach Lösungen.
Es ist natürlich auch mein Thema. Ich kann dich sehr gut nachfühlen und dir - wie andere bereits zuvor - bestätigen, dass du nicht alleine bist. Und das tut auch mir sehr gut, zu sehen, dass einfach so viel Ähnlichkeit in den Erfahrungen besteht. Das bestärkt die Hoffnung, dass es dafür ebenfalls einen Lösung gibt. Und wenn nicht, dann zumindest eine Erklärung. Vielleicht ermöglicht diese dann ja den ersten Schritt hin zur der Weiterentwicklung, die wir benötigen, um dann auch den 2., 3., 4. Schritt usw. zu tun und irgendwann dort anzukommen, wo wir sein möchten.
Deine Schilderungen kommen mir sehr bekannt vor: in der Schulzeit als Alien bezeichnet zu werden, starke anfängliche Begeisterung bei anderen (Gruppen), um dann scheinbar aus heiterem Himmel fallen gelassen bzw. ersetzt zu werden, verschiedenste Versuche der Freundschaftsanbahnung und schließlich ein Ohnmachtsgefühl und eine Handlungsunfähigkeit, die den Kreislauf irgendwie am Leben halten. Kurz gefasst. Und kurz kann ich auch nicht wirklich. Seichte Themen sind nicht mehr meins, weil meine Themen so dringlich sind, dass sie des Ausdrucks bedürfen. Weil sie in Dauerschleife abgespielt werden und erstmal raus müssen, bevor das Alltägliche wieder einziehen kann.
Was ich bereits erkannt habe: Wegen mangelnder positiver Sozialkontakte habe ich keine Energie mehr. So wird nun jeder kleinste Kontakt derart lebensnotwendig, dass ihm eine extreme Bedeutung zukommt. Und wenn dann die Wertschätzung ausbleibt, frisst es wieder die aufkeimende Hoffnung auf. Dann dauert es wieder einige Zeit, bis ein neuer Versuch gestartet werden kann.
Ich habe kein Problem damit, im Hintergrund zu sein. Ich möchte nur selbstverständlich dazugehören und wissen, dass ich gesehen und wertgeschätzt werde und sozusagen festes Ensemblemitglied bin. Mein einstiges soziales Umfeld hat in den letzten Jahren kollektiv beschlossen, mich aus ihrem Leben zu streichen. Der Grund ist, dass ich bis heute Probleme habe, mit bestimmten extremen Herausforderungen umzugehen, die von anderen Menschen an mich herangetragen wurden und aufgrund dessen heftige Wut, Angst und Ohnmacht angesammelt habe. Ich habe zeitweise noch drei Menschen um mich, die dies aus unterschiedlichen Zwängen heraus sein müssen. Wenn wir alle könnten, wie wir wollten, würden wir uns zum aktuellen Zeitpunkt gegenseitig verlassen. Aber das würde dann tatsächlich Existenzen komplett zerstören. Hier gilt es für mich auch, die Beziehungen auf eine freundschaftliche Ebene zu bringen.
Ich möchte dir nicht sagen, wie du dich verhalten sollst, um Freunde zu halten. Denn ich habe auch Menschen gefragt, was ich vielleicht falsch mache. Und einige sagten, ich solle so sein und andere sagten genau das Gegenteil. Wortwörtlich. Im Grunde kann ich es niemandem recht machen. Das heißt dann für mich: Das muss ich auch gar nicht. Ich denke, ich selbst muss mit mir leben können. Und dass die Lösung auch nur in mir selbst liegen kann. Nur ich selbst kann handelnd tätig werden. Nur ich selbst kann einen kleinen Schritt nach dem anderen tun. Und die Landkarte meines Inneren wird mir hoffentlich den Weg weisen.
Das heißt für mich nun: Es muss auf der Welt doch irgendwo Menschen geben, mit denen auch ich freundschaftlich verbunden sein darf. Und diese gilt es zu finden. Woher bekomme ich die Energie, mich nach ihnen auf die Suche zu machen? Aus sozialer Interaktion. Und was raubt mir meine Energie? Dass ich gefühlt 1000 offene Baustellen habe, die noch ungelöst sind. Was tue ich? Ich suche mir Menschen und ich beseitige eine Baustelle nach der anderen zumindest soweit, dass sie mir nicht mehr den Schlaf raubt.
Den Ansatz von Elisabeth71 finde ich sehr spannend: 200 Stunden bis zur Freundschaft! Den ersten Schritt können wir ja bereits sehr gut, aber dann heißt die Aufgabe im Grunde: Diese Zeit zu überbrücken und danach immer noch gut miteinander sein. Und in Ermangelung von anderen Menschen, würde ich für mich erstmal den erstbesten Menschen in Erwägung ziehen, den ich im Spiegel sehe. Sind wir denn eigentlich mit uns selbst befreundet?
200 Stunden mit anderen sind ja erstmal schwer hinzubekommen. Und mit uns selbst? Wenn man 8 Stunden Schlaf herausrechnet, dann kann die Spanne von mindestens 12,5 bis hin zu 200 Tagen reichen (je nachdem, ob man pro Tag mit einer oder bis zu 16 Stunden Freundschaftszeit rechnet).
Ich freue mich über den hier möglichen Austausch, in dem wir ja vielleicht diese Schritte hin zu zeitweise dauerhafteren freundschaftlichen Kontakten probeweise gehen könnten. Und wer weiß, vielleicht kann man sich dann ja irgendwann - nach etlichen Stunden Forenzeit - sogar als Freunde bezeichnen?
Ohne Entschuldigung für den langen Text
Dafür mit vielen Grüßen und den besten Wünschen für einen schönen und motivierenden Abend,
wienenneichmich
Gerade eben •
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