Hallo Fraxizz,
mein herzliches Beileid zum Tode deines Vaters. Und ich meine es wirklich von Herzen!
Ich kann bestens nachvollziehen, wie ihr euch nun fühlt, wie du dich fühlst. Mein Vater ging vor 15 Jahren, und ich konnte bis heute nicht damit abschließen. Am 6. August dieses Jahres verstarb meine Mutter, also fange ich wieder da von vorne an, wo ich nie zu Ende kam.
Es ist, als würde man in ein Loch fallen, oder besser, als hätte jemand oder etwas einen da hinuntergestoßen. Es ist völlig normal, dass du jetzt verzweifelt bist. Trösten kann einen da keiner. Höchstens zuhören, aber das wollen auch die wenigsten.
Verabschieden können ist wichtig, und erscheint einem danach um so wichtiger, wenn man diese Gelegenheit nicht bekommen hat, zuweilen kommen dann auch Schuldgefühle. Bei meinem Vater war ich bis zur letzten Sekunden dabei. Bei meiner Mutter wurde mir dieses, warum auch immer, versagt. Genau eine Stunde und 37 Minuten vor dem Anruf des Krankenhauses war ich noch bei ihr auf der Intensivstation, sprach mit ihr, ging davon aus, dass es ihr etwas besser ginge, was mir auch eine Krankenschwester bestätigte. Dann der Anruf und die Worte des Arztes es tut mir leid.... Ich fing an, mit ihm zu diskutieren, sagte, das könne nicht sein und dass er da bestimmt was verwechselt, denn ich war ja eben noch da. Ich fuhr noch einmal ins KH, um mich zu überzeugen, dass es stimmt und um von ihr wenigstens so Abschied zu nehmen. Dass du dir wie gelähmt vorkommst, ist ganz normal. Das ging und geht mir nicht anders, vor allem in den ersten Wochen.
Wenn du vorab weißt, dass es bei dir sehr lange dauern wird, dann lasse es bitte einfach zu. Unterdrückte Trauer ist nicht gut. Lasse die Trauer zu und lasse deine Tränen zu! Einen Tag vor der Beisetzung hatte ich ein Gespräch mit dem Pfarrer, wegen dem Ablauf. Mir kamen wieder die Tränen, ich konnte einfach nicht mehr und entschuldigte mich bei ihm. Er sagte daraufhin: dafür brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Das ist völlig in Ordnung, denn - wo keine Trauer ist, wo keine Tränen sind, da war auch keine Liebe.
Vielleicht nimmst du dir diese Worte auch zu Herzen.
Und noch etwas würde ich gerne mit dir teilen:
als ich im KH war rief der Arzt den katholischen Seelsorger an. Er ging mit mir in die Kapelle und sprach mit mir. Er sagte zu mir, ich solle mir vorstellen, wie Gott seine Hände zu einer Art Korb formt und meine Mutter darinnen behütet, geborgen und ruhig schlafend darinnen ihre Ruhe gefunden hat. Dieses Sinnbild, diesen Gedanken finde ich sehr schön. Ich habe sogar eine kleine Engelsfigur aufgetrieben, die diesem fiktiven Bild sehr nahekommt. Es wäre schön, wenn auch du dir versuchen könntest, deinen Vater so wohl behütet vorzustellen. Mir half und hilft es, die Tränen sind zwar dann dennoch am laufen, aber das nehmen dir dein Vater und mir meine Mutter nicht übel...
Du wirst vielleicht auch Zeiten erleben, wo du gar nicht mehr weinen kannst. Wo du - wie du selbst schreibst - wie gelähmt bist. Wenn dieses so ist, dann mache dir keine Vorwürfe und denke nicht, dass du nicht traurig genug bist, denn es ist normal. Es wird auch irgendwann die Phase eintreten, wo du wütend wirst auf deinen Vater. Warum hast du mich/uns allein gelassen? Diese Frage stellte ich anfangs meinem Vater, machte ihm Vorwürfe, er habe nicht genug gekämpft. Und oft habe ich ihn gefragt warum hast du mich nicht gleich mitgenommen? Wahrscheinlich bist du jetzt mit deinen Gefühlen so durcheinander, dass du es nicht realisieren kannst oder willst. Dieses sind alles ganz normale Phasen der Trauer. Lasse deine Gefühle einfach zu und lass sie raus, wenn dir danach ist. Wenn du im Umfeld wirkliche Freunde hast, dann werden sie dir auch zuhören wollen, und sie werden auch nicht versuchen, dass du, wenn du weinen musst oder willst, dieses zu unterdrücken. Die, die dir jetzt, in der wohl schwersten Zeit, nicht zuhören und deine Trauer nicht akzeptieren wollen, sind auch keine echten Freunde...
Wenn du das Bedürfnis hast, dann schreib dir hier alles einfach von der Seele. Oder auch, wenn dir sonst niemand zuhört. Es ist immer gut, wenn man irgend einen Weg finden kann, um seinen Kummer, seine Trauer zum Ausdruck zu bringen. Ich bin zwar noch nicht lange hier in diesem Forum, aber nach dem, was ich hier lesen konnte, glaube ich, dass die meisten Menschen hier für dich und deine Situation Verständnis haben und dir auch zuhören werden.
Dir und deiner Mutter wünsche ich für die nächste Zeit alle erdenkliche Kraft und Unterstützung und dass es euch, dass es dir gelingt, mit dieser Situation irgendwie fertig zu werden. Das ist nicht einfach, das weiß ich, zumal ich auch noch mittendrin stecke und nicht so recht hinauskommen kann oder will. Aber vielleicht hilft es dir ja doch ein wenig, zu lesen, dass es auch andere vollkommen umwirft und dass die Gefühle, die sich einstellen werden, nicht unnormal sind...
Liebe Grüße an dich und deine Mutter!
06.12.2007 00:25 •
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