Hallo Sam1972,
darf ich dem Club der Langweiligen beitreten? Bevor ich auf deine Zeilen gestoßen bin, glaubte ich, die einzige mit dem Erfahrungshintergrund zu sein, den du sehr gut beschrieben hast. Allerdings begleitet mich das Gefühl der Andersartigkeit mit der Konsequenz, nicht in die Gesellschaft zu passen, bereits seit meiner Kindheit. Bis zum Erwachsenenalter gewann ich dann mehr Klarheit: Ich bin (jetzt 53jährig) auch früher nie in einer Disco gewesen - allein die Lautstärke hätte ich nicht ausgehalten. Auch sonst gab es keinen Bezug zu den Interessen anderer junger Leute: Rauchen, anderweitiger Substanzmissbrauch - nur um cool zu sein, dazuzugehören, von einer Partylocation zur anderen ziehen, das alles zeigte mir als Ruhe Liebende, Naturverbundene auf, wohl irgendwie falsch veranlagt zu sein - bzw. meine Umwelt zeigt es mir auf.
Meine Versuche, Bekanntschaften aufzubauen, erfolgten nicht übers Internet, sondern - wie vor dem Internetzeitalter - traditionell über die Zeitung. Das Ergebnis entsprach jedoch deiner Schilderung. Wir bleiben auf jeden Fall im Kontakt, bekam ich z. B. zu hören. Die einzige, die den Kontakt aufrecht erhielt, war stets ich, bis mir die einseitige Bemühung zu dumm wurde.
Was aber nützen die schönsten Bekanntschaftsanzeigen, wenn Leute nicht lesen können? Für kreative Betätigung verschiedener Art (z. B. gemeinsam kochen, Fremdsprachen auffrischen (in einem kleinen privaten Kreis), Gründung eines Chores oder einfach nur nett miteinander sprechen) suchte ich Interessenten. Weil ich aus Erfahrung wusste, dass auch gerne Männer antworten, die sich eine attraktive Partnerin an ihrer Seite wünschen, wählte ich meine Worte schon so, dass eben diese Gruppe sowie alle Notgeilen und allgemein nur auf Äußerlichkeiten fixierte Menschen m/w, sich möglichst nicht angesprochen fühlten. Was dann passierte, kannst du dir in etwa denken: Mit einem Mann konnte ich mich über mehrere Wochen gut per sms austauschen. Als ich ihn persönlich kennenlernte, fiel bei ihm die Kinnlade herab. Du bist ...(x)?, fragte er ungläubig. Sein Bild, das er sich während der schriftlichen Kommunikation von mir gemacht hatte, passte augenscheinlich nicht zu meiner natürlichen - selbstverständlich gepflegten, jedoch unmodischen Erscheinung (Jeans, Kapuzen-Shirt). Schließlich waren wir nur zu einem kleinen Spaziergang verabredet und nicht zu einem Theaterbesuch! Meine durch die deformierte Wirbelsäule entstandene unförmige Figur vergraulte meinen Begleiter wohl vollends. Nichts sah oder hörte ich jemals mehr von ihm - auch nicht, als ich nochmals eine sms absetzte.
Nun trauerte ich diesem Typen gewiss nicht hinterher; verärgert reagiert ich nur darauf, dass er sich auf mein Kontaktgesuch überhaupt gemeldet hatte. Die gegenseitige Enttäuschung wäre vermeidbar gewesen. Was denken sich solche Leute eigentlich?
Traurig finde ich allerdings, dass sich unsere Gesellschaft insgesamt - damit meine ich auch Psychologen und Soziologen - nicht mit diesem Verhaltensmuster auseinandersetzt, es hierüber keine Analyse gibt, die die Motivation aller oberflächlich Tickenden aufdeckt und dadurch Leidtragende wie dich und mich schon ein wenig entlasten würde.
LG
Quasinemo
p.s. Solltest du mir - auch wenn dein Beitrag schon 3 Jahre alt ist - antworten wollen (worüber ich mich freuen würde), sei bitte nicht erbost, wenn einige Zeit vergeht, bis ich wiederum reagiere! Das liegt dann daran, dass ich leider keinen eigenen Internetzugang habe.
11.07.2018 12:26 •
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