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Hallo,

ich weiß eigentlich gar nicht genau, warum ich diese Geschichte hier schreibe. Vielleicht schreibe ich diese Geschichte, weil ich mir vorstellen könnte, dass sich möglicherweise jemand darin wieder erkennt, nicht in der Geschichte, sondern in mir als Person, in meinem Verhalten, und es eventuell hilft, zu wissen, dass es nicht nur einem selber so geht.
Wahrscheinlich aber schreibe ich dieses hier, um mir selber damit zu helfen, alle meine Gedanken, die mich derzeit bestimmen, einfach nur raus zu lassen.

Um zu erklären, wie ich zu dem Menschen wurde, der ich jetzt bin, bedürfte es meiner ganzen Lebensgeschichte. Das würde ich niemandem einfach so zumuten.
Ich weiß, nicht nur aus meinen Erinnerungen, sondern auch aus Gesprächen mit meiner Mutter, dass ich früher ein gnadenloser Optimist war. Negative Gedanken haben für mich gar nicht existiert. Es gab eigentlich keinen bestimmten Auslöser dafür, dass sich dies im Laufe der Jahre geändert hat. Es war sicherlich die Vielzahl an Begebenheiten, die in einem Leben so auftreten, die bei mir dafür gesorgt haben, dass das positive Denken nach und nach verblasste. Das fatalste aber war, dass im Laufe dieser Zeit auch mein früher wunderbares Selbstbewusstsein einer totalen Zurückhaltung und Schüchternheit gewichen ist.

Ich habe mich in meinem Leben nach und nach zurückgezogen, nicht nur, dass ich meine Gedanken und Gefühle niemandem mehr offenbart habe, ich habe mich im Grunde genommen auch immer weiter von meinem sozialen Umfeld distanziert. Gefördert hat das dann auch noch zusätzlich mein beruflicher Werdegang. Ich habe viele Jahre lang Dinge gemacht, die mir gar nicht mehr die Zeit dazu ließen, diesen Weg in die Einsamkeit, den ich eingeschlagen hatte, zu bremsen. Nein, das soll keine Ausrede dafür sein, das heute alles so ist, wie es ist. Ich habe diesen beruflichen Werdegang auch nicht gezielt gesucht, um mich weiter zurückziehen zu können. Der Zufall wollte es halt so. Warum Zufall!? Zufall deshalb, weil ich nicht an Schicksal glaube.

Mein Vater sagte früher, als er noch lebte, oft zu mir, der Mensch sei nicht dafür geschaffen, alleine zu sein. Heute weiß ich, wie recht er hatte.

Früher gab es keinen Tag, an dem ich nicht die Hütte voll hatte oder mit anderen Leuten unterwegs war. Ich hatte nie Probleme damit, Menschen kennen zu lernen. Vorurteile waren mir egal und ich bin im Grunde genommen mit jedem gut klar gekommen. Ich habe einfach alle Menschen geliebt und ich glaube, das hat man gespürt.
Aber wie gesagt, das Leben hat mich mit all seinen Wendungen nach und nach von diesem Pfad abgebracht.

Was Einsamkeit in einem Menschen bewirkt, das sollte ich im Laufe der Jahre in aller Heftigkeit zu spüren bekommen.
Irgendwann fingen meine Gedanken plötzlich an, in die Vergangenheit zu wandern. Ich fing an, mich an die schönen Jahre in der Vergangenheit zurück zu erinnern und ich begann, meinen verpassten Gelegenheiten im Leben hinterher zu trauen. Dieses Leben in der Vergangenheit wurde immer schlimmer und ich zog mich immer weiter zurück. In meinen Gedanken lebte ich nur noch in der Vergangenheit. Ich rede hier nicht von Wochen oder Monaten, sondern von vielen Jahren.

Was passiert, wenn man sich immer weiter isoliert und mit seinen Gedanken nur noch im Vergangenen lebt!? Nach und nach wird alles grau, dunkel. Die Dinge, die einen Menschen in ein glückliches Leben führen, gehen verloren, Hoffnung, Fröhlichkeit, Unbeschwertheit.
Man würde dazu wohl sagen, dass ich schwer depressiv geworden bin. Ich mag das Wort „depressiv“ nicht. Es ist ja heute praktisch zu einem Modewort geworden, dass man Depressionen hat. Darum drücke ich es anders aus. Ich bin immer wehmütiger geworden, immer schwermütiger.
Ich habe diese Gedanken lange Zeit von mir gewiesen, da ich immer dachte, mir Frohnatur könne so etwas doch nicht wiederfahren. Ich dachte immer, es sei nur eine Phase, die bald wieder vergehen würde. Es wurde aber mit den Jahren immer schlimmer. Ich verlor immer mehr Energie, wurde immer antriebloser, hatte an nichts mehr Freude.
Ein kleines Beispiel; Ich bin immer für mein Leben gerne in der Natur spazieren gegangen. Als mein Leben anfing, diese fatale Wendung zu nehmen, wurden diese Spaziergänge zu einer heftigen Reise in meine Vergangenheit. Anfangs waren es nur kleine Erinnerungen, aber je weiter ich ging, umso stärker und schlimmer wurden diese Gedanken und wenn ich dann nach Stunden wieder zu Hause ankam, fiel ich in ein solches Loch, dass ich dachte, es reißt mir den Boden unter den Füssen weg.

Irgendwann fand ich eine andere Arbeit, einen Job, der mir wirklich Spaß macht und bei der ich viele nette Leute um mich herum habe. Die Zeit, in der ich dort bin, befreit mich für einige Stunden von meiner Last, aber sobald ich Feierabend habe, kommt die andere Seite Sekunde für Sekunde wieder mehr zum Vorschein und wenn ich dann meine Wohnung betrete und die Tür hinter mir schließe, ist es, als ob ein Gitter hinter mir zufällt und mich in meiner Einsamkeit einschließt. Jetzt wird manch ach so schlauer Mensch sagen, warum ich, wenn ich weiß, dass das passiert, nicht einfach rausgehe , unter Menschen, dass ich etwas unternehmen solle. Aber so einfach ist das nicht. Wenn man in den vielen Jahren, in denen das Leben solch einen Verlauf genommen hat, in eine so tiefe Schwermut fällt, dann hält einen dieses Gefühl so dermaßen gefangen, dass es einem jeglichen Antrieb nimmt, etwas gegen dieses Gefühl zu unternehmen. Man ergibt sich förmlich seiner Lethargie.

Dann passierte etwas, was mich zuerst zeitweise aus dieser Phase befreite und am Ende weiter zurück warf, als ich jemals zuvor war. Diese Sache ist der Anlass dafür, dass ich diese Geschichte hier schreibe

Ich lernte jemanden kennen. Wie sollte es in meiner Situation auch anders sein, über das Internet.
Es begann vorsichtiger Kontakt in einer Art Chat und irgendwann fingen wir an, miteinander zu telefonieren. Ich habe von Anfang an zu ihr gesagt, dass sie den Zeitpunkt bestimmen solle, an dem wir uns persönlich kennen lernen. Und es zog sich lange hin. Sie war, was dieses Kennenlernen betrifft, viel schüchterner, als ich. Und das wollte was heißen.
Nun ja, es dauerte ein Jahr, bis sie zu einem persönlichen Treffen bereit war.
Und jetzt bekam ich zu spüren, was in all den zurück liegenden Jahren wirklich aus mir geworden war. Dieses Wochenende bei ihr (wir wohnten weit voneinander entfernt) verlief mehr als unglücklich. Alle diese Umstände zu erklären, würde hier zu weit führen. Aber einer dieser Umstände war auf jeden Fall, dass ich in all den Jahren verlernt hatte, wie man mit einem Menschen umgeht, an den man sein Herz verliert. Aber habe ich wirklich mein Herz an sie verloren!?

Zwei Tage nach diesem Treffen sagte sie mir wortwörtlich am Telefon, dass sie sich eine Zukunft mit mir nicht vorstellen könne. Wenn ich mit einem realistischen Blick auf dieses Treffen zurück blicke, dürfte ich auch keine andere Aussage von ihr erwartet haben.

Diese Sache hat mich so hart getroffen, dass ich in das schlimmste Loch meines Lebens fiel. Bevor ich sie kennenlernte, war es schon schlimm, aber jetzt wurde es richtig hart. Es begann ein Wechselbad der Gefühle. Auf der Arbeit ist es einigermaßen ok, sobald der Arbeitstag vorbei ist, habe ich das Gefühl, die Welt bricht zusammen, Tag für Tag, Woche für Woche.

Hatte ich wirklich mein Herz an sie verloren!? Ich glaube, nein. Wäre dem wirklich so gewesen, hätte ich bei diesem Treffen anders reagiert, als ich reagiert habe. Offensichtlich nutzt mein Unterbewusstsein diese Geschehnisse, um mir die altbekannten Schuldgefühle, Minderwertigkeitsgedanken und diese negative Lebenseinstellung klar zu machen.
Früher dachte ich immer, ich würde diese Zeit schon irgendwie überstehen und es alleine packen, dort wieder heraus zu kommen, aber dann wurde es so schlimm, dass ich merkte, dass ich keine Chance habe, alleine einen Weg aus meiner Situation zu finden. Ich weiß nicht, wie ich es schaffe, meinen Arbeitsalltag so tadellos hinter mich zu bringen, aber außerhalb der Arbeit bin ich kaum in der Lage, meine Gedanken abzuschalten und zu entspannen. Ich denke an die Vergangenheit, an eine Zeit, als noch alles schön war. Ich denke daran, was ich alles im Leben hätte anders machen müssen und ich mache mir selber oft große Vorwürfe, Vorwürfe wegen der vielen verpassten Chancen im Leben. Man sitzt nur noch da und hat das Gefühl, man ist komplett hilflos und die Welt bricht vor einem zusammen. Man bekommt grundlos Herzrasen und Angst.

Es gibt nur 2 Menschen auf dieser Welt, mit denen ich über alles das, was in mir vorgeht und was mich bewegt, rede, meine Mutter und einen sehr guten Freund, der einzige, den ich in diesem Leben als wirklichen Freund ansehe, als das, was ich unter dem Wort Freund wirklich verstehe. Die Gespräche mit ihnen, wenn auch aufgrund der Entfernung nur telefonisch, haben mich meistens aus meiner Lethargie befreit. Ich schöpfte oftmals wieder Mut, wollte die Ärmel hochkrempeln und wieder glücklich werden, aber es ist immer nur eine Frage der Zeit, bis meine Gedanken wieder umkehren.

Ich habe das noch niemals jemandem gegenüber erwähnt, aber ich habe daran gedacht. Ich habe oft daran gedacht, einfach allem ein Ende zu setzen. Und diese Gedanken sind in ganz schlimmen Momenten auch sehr stark. Es ist eine gefährliche Gradwanderung. In einem Moment habe ich das Gefühl, wenn alles jetzt vorbei wäre, wäre ich alle meine Sorgen und Nöte für immer los, im nächsten Moment aber bekomme ich auch Angst vor dem Gedanken, dass wenn alles vorbei wäre, dies unwiederbringlich und endgültig ist. Ich glaube, dass ich tief in mir drin gar nicht möchte, dass alles vorbei ist. Da kommen mir meine Erinnerungen, die mir ansonsten eigentlich nur noch zur Trauer dienen, doch zu gute. Ich erinnere mich daran, dass es Zeiten gab, ich denen ich glücklich darüber war, leben zu dürfen. Und dann denke ich, dass das alles doch nicht einfach für immer vorbei sein kann. Ich denke daran, dass ich das gerne wieder erleben möchte. Und dann kämpfe ich gegen diese Gedanken an, dass es besser wäre, einfach allem ein Ende zu setzen. Ich möchte nicht aufgeben.

Eines aber habe ich begriffen. Alleine kann ich es nicht schaffen, aus diesem Leben wieder heraus zu kommen.

Die Gespräche mit den beiden Menschen, denen ich mich wirklich ganz offenbare, reichen nicht, um mir in meiner Situation zu helfen. Ich bin ihnen unendlich dankbar, dass sie immer und immer wieder dazu bereit sind, mir zuzuhören und dass sie immer wieder versuchen, mir Mut zu machen, aber ich musste einsehen, dass diese Telefonate nicht reichen, um mich aus meinem inneren Gefängnis zu befreien.

Es ist noch nicht lange her, da habe ich noch behauptet, professionelle Hilfe, also der Gang zu einem Psychologen, wäre das letzte, was ich in meinem Leben machen würde. Ich habe nie daran geglaubt, dass mir so etwas helfen könnte, aber ich fühlte mich immer hilfloser und ich merkte, dass ich bald etwas unternehmen müsse, irgendetwas, sonst zerbricht es mich. Ich bin tatsächlich zu einem Arzt gegangen und habe mir eine Überweisung für einen Psychologen geben lassen.
Mittlerweile habe ich einen Termin für ein Erstgespräch. Ich habe absolut keine Ahnung, was mich dort erwartet. Ehrlich gesagt kenne ich Psychologen nur aus den Medien. Ich habe keine Vorstellung davon, wie es eine Psychologin schaffen will, in meine inneren Gedanken vorzudringen und mir damit zu helfen, aber ich bin bereit, mich drauf einzulassen. Ich bin zu allem bereit, was mir eine Hoffnung gibt, aus meinem jetzigen Leben wieder heraus zu kommen.
Und ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich ganz viel Hoffnung auf diese Psychologin setze. Ich weiß sonst keine andere Lösung mehr. Ich sehe sie als meine letzte Hoffnung an.

Kann jemand, der in einer solchen Situation steckt, wie in jener, in der ich mich befinde, also in der größten Lebenskriese, in der man sogar das endgültige Ende als einen Ausweg in Erwägung zieht, anderen Menschen in ähnlichen Situationen einen Rat geben und Hoffnung machen? Ja, ich glaube, ich kann Dir einen Rat geben.

Gestehe Dir ein, dass Du es alleine nicht schaffen kannst. Vielleicht erkennst Du etwas von dem, was ich hier erzähle, in Dir wieder. Ich habe mir lange Zeit nicht eingestanden, dass ich es alleine nicht schaffen kann, aber meine Ängste wurden immer größer, die Dunkelheit um mich herum immer schwärzer, der Wunsch, alles einfach zu beenden immer häufiger. Aber ich bin noch nicht bereit, zu gehen. Ich möchte noch einmal erleben, was es heißt, sich glücklich zu fühlen. Ich möchte noch einmal lachen können, innerlich.
Du brauchst Menschen, denen Du Dich offenbaren kannst. Und wenn Du merkst, dass Dein privates Umfeld nicht ausreicht, um Dir zu helfen, dann lass Dir „professionelle“ Hilfe geben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sehr man über seinen eigenen Schatten springen muss, um sich dazu zu überwinden, sich einzugestehen, dass man es alleine nicht schaffen wird. Ich habe lange dazu gebraucht. Ich habe so lange gebraucht, bis der Abgrund, vor dem ich stehe, so tief geworden ist, dass mir klar wurde, es fehlt nur noch ein Schritt bis zum endgültigen Ende.
Glaubst Du wirklich, dass sich Deine Situation irgendwann von alleine ändern wird? Willst Du wirklich, dass alles einfach vorbei ist? Ich glaube, Du willst das nicht, denn wäre dem so, wärst Du jetzt nicht hier und würdest meine Geschichte hier nicht bis zum Ende lesen.

Ich bin am Tiefpunkt meines Lebens angekommen, aber ich bin nicht bereit, zu akzeptieren, dass das alles gewesen sein soll. Ich habe erleben dürfen, dass das Leben auch seine wundervollen Seiten hat und ich habe für mich beschlossen, dass ich diese wundervollen Seiten noch einmal erleben möchte, um jeden Preis. Es wird ein langer und harter Weg, dessen bin ich mir bewusst, aber der Wunsch, die Sonne wieder scheinen zu sehen, ist größer, als der, ins endgültige Dunkel abzutauchen.

Fragst Du Dich jetzt, wofür es sich denn noch zu leben lohnt? Ich werde es Dir sagen. Du gehst jetzt raus, irgendwo in die Natur, dorthin, wo Du ganz für Dich alleine bist. Dann wirst Du zum ersten Mal seit langer Zeit Deinem Kopf heben, Deinem Blick vom Boden abwenden und nach oben schauen, mitten in den Himmel, mitten in die Sonne. Erinnere Dich!
Weißt Du noch, wie schön es war, als Du gelacht hast? Ich erinnere mich daran. Und ich möchte wieder lachen, wie früher, als das Leben so wunderschön war.


Danke fürs Lesen.

27.06.2010 20:40 • 27.06.2010 #1


1 Antwort ↓

Zitat von -Mythos-:
Es gibt nur 2 Menschen auf dieser Welt, mit denen ich über alles das, was in mir vorgeht und was mich bewegt, rede, meine Mutter und einen sehr guten Freund, der einzige, den ich in diesem Leben als wirklichen Freund ansehe, als das, was ich unter dem Wort Freund wirklich verstehe.

Eben. Wirklich weiterbringen tut das Reden Dich auch nicht. Jedenfalls besteht die Gefahr, dass bei zuviel Reden das Reden zum Selbstzweck wird.

Ausserdem uiuiuiuiuii Mütter müssen auch nicht alles wissen.





Dr. Reinhard Pichler
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