Gast
ganz kurz mein Hintergrund: Habe gerade eine Beziehung zu einer Borderlinerin beendet. Wir waren eben zusammengezogen, wollten heiraten. Sie wurde schwanger (gewünscht). Dann Atomkrieg, Rauswurf, Auszug. Lebe wieder allein. Kurze Zeit später die Nachricht dass das Kind gestorben ist (10te Woche. ich weiß kommt oft vor in dieser Zeit - dennoch zwei Geschichten, die ich jetzt mal weglasse, aus denen klar wird, dass sie daran nicht unbeteiligt war)....
soll hier nur heißen: ich weiß so ungefähr wovon du sprichst.
mir fällt in deinem Text folgendes auf:
du behauptest mehrfach dich mit Borderline sehr gut auszukennen - gleichzeitig lehnst du ebenfalls mehrfach für dich selbst professionelle Hilfe ab.
Halt ich mit Verlaub für einen Widerspruch: wer derart intensiv mit Borderlinern zu tun hat braucht Hilfe. Selbst Profis wissen das - jeder gute Borderlinetherapeut geht in Supervision. Und beinah jeder Angehörige glaubt eine Zeit lang mit all dem klar zu kommen, weil er sich echt auskennt. das gehört zur struktur der BL/Co-Beziehung dazu...
Auf mich wirkt das leider klassisch: Ich will dich echt überhaupt nicht anmachen - ich selbst hab das keinen deut besser hingekriegt: Aber du schreibst viel über Borderline und nichts darüber, was dich in diese Beziehung getrieben hat, nichts darüber, was dich darin gehalten hat, nichts darüber, warum du dich auf Ehe und Elternschaft trotzdem eingelassen hast.
Ich habe den Eindruck, dass du deine eigenen Probleme noch nicht aus dem Schatten der Borderline-Probleme herausgelöst hast.
Du brauchst Hilfe - wollen wir wetten? Und das ist ja auch völlig normal und nichts ehrenrühriges. Und sich eine Therapie zu suchen, die dann auch was nützt gehört zum Prozess dazu.
Damit du verstehst was ich meine kurz eine Beschreibung, wie ich das bei mir selbst empfinde (das kann sich bei dir natürlich anders verhalten): Ich habe erst jetzt nach ca 2 Monaten völligen Kontaktabbruchs ganz langsam das Gefühl dass ich meine eigene kleine Tagesordnung wieder entdecke: Depressivität - darunter liegend Kontaktschwierigkeiten, darunter liegend: die tief sitzende Überzeugung nicht selbst für das sorgen zu können, was ich brauche.
Ich weiß dass mir die BL-Beziehung geholfen hat die Depression zu überwinden - und mich dann wieder hineingestoßen hat, als die Chancenlosigkeit überhand nahm. Ich weiß, dass ich damit ohne Betäubungsmittel vor dem viel älteren Problem meiner Kontaktschwäche stehe. Die Einsamkeit macht mich fast panisch. Ich habe das Gefühl mich in der Einsamkeit als Person aufzulösen. Ich weiß, dass ich in diesem Zustand auch für eine normale Beziehung nicht in der Lage wäre - schon gar nicht für eine BL-Beziehung, in der man ein Meister der Autonomie sein muss.
Ich finde es gut dass du hier schreibst: eben über deine Einsamkeit - das kann ja ein erster Schritt sein, deine eigenen Probleme ins Zentrum deiner Überlegungen und deines Handelns zu stellen.
ich habe aus erster Ehe drei Söhne; ich habe Monate hinter mir, in denen ich jeden Tag darüber nachdenken mußte, welches Verhältnis ich zu meinem neuen Kind einnehmen kann. All das, was für dich jetzt Realität ist, mußte ich für möglich halten. Deswegen bewegt mich das sehr, was du beschreibst.
Mir war klar, dass ich es auf keinen Fall zulasse, dass das Kind zum Element dieser Machtspiele wird. (Ein Grund mehr mich nicht mehr gegen die 180te Trennung zu wehren). Ich bin auf keine einzige Provokation in dieser Richtung eingegangen. Sie hat mir damit gedroht, dass sie mich als Vater verschweigt, dass ich mein Kind nie zu sehen bekomme. Gleichzeitig mußte ich damit rechnen, dass sie irgendwann vor der Tür steht, mir das Kind in die Hand drückt und wieder verschwindet....
Mein Eindruck bei dem was du schreibst: Du läßt dich verstricken. Du läßt zu, dass das Machtspiel zwischen euch über den Hebel deiner berechtigten Sorge um das Kind weiterläuft. Du bist dadurch nach wie vor verstrickt in ihre Entlastungs-Strategien. Sie läßt dich leiden, weil ihr das ihre Spannungen nimmt. Du läßt das zu; warum? Hier gibt es nur eine Antwort in deiner eigenen Psychodynamik!
Dein Reflex wird jetzt sein: Spinnt der? Soll ich mein Kind austrocknen lassen?. Aber nochmal: ALLES was sie in die Hand bekommt, um dich zu kontrollieren wird sie hemmungslos nutzen. Du verschärfst dieses gefährliche Spiel, wenn du das mit dir machen läßt.
Du mußt loslassen. DAS ist das einzige was hilft. Lass sie GANZ los. Lass die Beziehung zu deiner BL GANZ los und - so hart das klingt und ist - lass auch deine Tochter los. Kämpfe NICHT. Sei vorbereitet auf JEDE Möglichkeit, stelle dein Leben darauf ein, deine Tochter jederzeit auffangen zu können. Klar pass auf sie auf - aber mit Abstand. Aber kämpfe nicht drum. Nimm dankbar, was du an Kontakt ohne Kampf bekommen kannst an. Es ist schön ein Kind zu haben - auch wenn es weit weg ist. und sie wird ihren weg zu dir finden, weil du sie liebst. Du kannst sie nicht vor allem schützen, was jetzt kommt. Sie wird die Borderline-Hölle mit abbekommen. Das ist so - egal was passiert. Du kannst ihr nur vormachen wie das geht: Distanz wahren, FÜR DICH SELBST SORGEN, ihr ein Nest bauen, auch wenn sie vielleicht erst in Jahren sich darin einkuscheln wird.
Das ist ganz sicher kein juristischer Rat - ich meine nicht deinen Sorgerechtsprozess. Aber wenn du dich aufgrund kühler Fakten zu einem solchen Vorgehen entschlossen hast: dann bleib, was das angeht, auch kühl. Und umso wichtiger ist es, dass du dich nicht verstricken läßt. Nutz die Profis zur Entlastung und halte Gefühle von Triumph, Rache, Recht haben etc da raus. Du kennst ja sicher das Drama-Dreieck: Nicht Retter, nicht Opfer, nicht Verfolger sein: sonst bist du verstrickt und verstärkst die Eskalation. Und Eskalation ist gefährlich. Richtig gefährlich, wenn du bereits beschreibst, dass du den Eindruck hast, dass deine Tochter körperlich in Gefahr ist.
Du mußt damit rechnen, das auch das eine Botschaft an dich ist. Ein Bild in dem sie dir zeigt, wie du ihr inneres Kind austrocknen läßt.
Das mußt du unterbrechen unbedingt - und das ist bei derart existentiell Angst machenden Gewaltspielen sehr sehr schwer und deshalb, mein lieber, noch mal: Du brauchst Hilfe. Jetzt. Hol sie dir.
ein klein bißchen trösten will ich dich auch noch: hatte ein Gespräch mit einem Freund, der Kinderpsychologe ist. Er berichtete mir von einer Einrichtung für Borderline-Mütter. Er meinte, dass für viele Frauen der Kinderwunsch auch eine Heilungsfantasie ist, dass sich der Wunsch gesund sein zu können sich darin verbirgt, der Wunsch für sich selbst so sorgen zu können, wie für das Kind. Und das funktioniert natürlich nicht. Aber das Scheitern daran ist eben dann doch oft Anlass sich zum erstenmal wirklich effektive Hilfe zu holen. Und er sagt, es geht in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dann auch gut.
Ich glaube nicht daran dass das stimmt, was du schreibst: Dass Borderline nicht heilbar sei und in jedem Fall für alle Angehörigen nur Unerträgliches dabei herauskommt. (mag für dich im Moment eine hilfreiche Grenzziehung sein...). Ich glaube dass BL sehr sensibel zugewandte und engagierte Mütter werden können - wenn sie sich denn auf den Prozess einlassen.
Dazu gehört die Erfahrung des Scheiterns. Lass sie scheitern und hilf ihr nicht. Auch nicht damit, dass du dich zum Aggressor stilisieren läßt.
Vertraue auf deine Liebe zu deinem Kind - dann brauchst du nichts erzwingen.
hallo cathy,
mich hat sehr bewegt, was du schreibst. wie schwer muß das sein in Beziehungen zu stecken, die so belastend sind - und die du nicht beenden kannst.
Mein Gott ich hab das jetzt zwei Jahre mitgemacht und bin völlig am Boden - und du kennst das schon dein ganzes Leben. Puh.
Man spürt dir an, dass du keinen hasserfüllten Blick hast, dass du liebevoll und sorgend denken kannst und trotzdem abgegrenzt für dich. Davor habe ich allerhöchsten Respekt - ich kann höchstens ansatzweise ahnen, wie schwer es gewesen sein muss, zu so einer Haltung zu kommen, wieviel du anderswo lernen mußtest, um dein eigenes Leben zu leben.
Ja macht mir Hoffnung. Dass ich das Tal in dem ich stecke auch durchschreiten werde und daran wachsen - und nicht daran draufgehen. Danke für deine Offenheit und Anteilnahme und das Weitergeben deiner Erfahrung...
09.11.2007 11:05 • #41