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Hallo,

manche Menschen sind alleinstehend, haben aber Freunde; andere sind ohne
Freunde, aber haben einen Partner. Dann gibt es noch solche wie mich,
die jahrelange Sehnsucht nach einer Beziehung mit einem Freundeskreis
mit Radius Null vereinen. Von den dreißig erlebten Sonnenumrundungen
waren die letzten zehn die einsamsten.

Alles wäre vorzüglich, wenn ich denn damit glücklich wäre, doch der
Schmerz des Alleinseins, die Qual der Einsamkeit, die Angst vor der
Zukunft sind wohl kaum das gesuchte Lebensglück. An dieser Stelle spare
ich mir die Beschreibung dessen, was ein Jahrzehnt der Einsamkeit an
Gefühlen auslöst; wie sehr man sich doch inbesondere auf die Wochenenden
freut und gerne andere Menschen in glücklicher Zweisamkeit an sich
vorbeischreiten sieht, wird euch in ähnlicher Weise bekannt sein.

Einen Hang zum Einzelgängertum hatte ich schon immer. Ich hatte
Interessen, mit denen ich mich alleine beschäftigen konnte, und Kontakte
– wohlgemerkt Kontakte, nicht mehr – zu anderen Menschen pflegte ich
eher nach Laune. Ernsthafte Versuche, Freundschaften aufzubauen,
scheiterten immer, ohne daß ich den Grund zu nennen vermag. Zum Teil
wird es daran liegen, daß ich mit meinen Interessen und Hobbys nicht
massenkompatibel bin; sie sind auch nicht dazu geeignet, Kontakte zu
finden, außer man lebte in einer Großstadt, wo selbst „Randhobbys“ und
ausgefallener Geschmack vertreten sind. Ich möchte mich nicht hervortun,
denn keineswegs rede ich von Besonderheiten: nur scheint die Welt lieber
Fußball zu schauen, wo ich ein Buch lesen; findet Gefallen daran, sich
vom Fernsehen berieseln zu lassen, wohingegen ich meine Zeit lieber
anders verbringe; scheint Kommerz und Konsum zum Maß der Dinge zu
erheben, gegen die ich aber eine Abneigung hege. So fehlen gemeinsame
Themen für Gespräche und gemeinsame Interessen für Unternehmungen –
wenn es denn überhaupt bis zu diesem Punkte käme.

Neben Gesprächen, und seien sie nur am Telefon, habe ich derzeit eine
riesige Sehnsucht nach einer Beziehung. Ich suche Vertrautheit,
Geborgenheit, Zärtlichkeit, jemanden, mit dem zusammen man gerne und in
unbesorgter Zufriedenheit einschläft und aufwacht, mit dem man freudig
dem Tage entgegensieht und diesen mit Unternehmungen zu füllen weiß. Ich
habe große Angst, für immer alleine zu sein und mich einmal fragen zu
müssen, wieso das Leben an mir vorbeistrich.

Obwohl ich mich nicht für dumm oder unsagbar häßlich halte, mit meinen
Gedanken, Ansichten und Interessen zufrieden bin, nagen die Einsamkeit,
das gefühlte Ungewolltsein doch am Selbstwertgefühl wie eine
ausgehungerte Biberfamilie im Birkenwald. Warum schaut mich keine an?
Warum bin ich seit so langer Zeit einsam? Warum finde ich das Glück
nicht? Warum hat so ein Typ wie der da drüben so eine Freundin? Nun, wer
würde sich solche Fragen nicht stellen!

Und eines stört mich an meiner Lage besonders: die Ironie der
Einsamkeit, die darin besteht, daß man mit der Einsamkeit keineswegs
alleine ist. Irgendwo erleidet jemand die gleichen Ängste und Gefühle,
die es nicht geben müßte, würde man sich kennen.

29.05.2009 23:19 • 01.06.2009 #1


8 Antworten ↓


Hallo Holdseligkeit

Herzlich Willkommen hier im Forum.

Bei mir sind es bereits 50 Sonnenumrundungen, die ich mehr oder weniger alleine erlebt habe. Früher gab es noch Freunde, aber ein Lebens- oder Liebespartner gab es noch nie.

Dein letzter Satz gefällt mir sehr gut, wir sind mit unserer Einsamkeit nicht alleine, es gibt wirklich viele von uns.
Ich habe im Internet (Foren) Menschen kennengelernt, die mir sehr geholfen haben, und die mich (im Denken und im Herzen) auch weniger einsam fühlen lassen.

LG, omega

A


Allein mit der Einsamkeit

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Hallo!

Es liegt gewiss nicht an deinen Interessen, dass du einsam bist.
Denn wir teilen genau die gleichen Interessen
In die Glotze zu schauen ist für mich der reinste Horror, diese passive Berieselung kann ich nicht ab. Das ist nicht erst seit Kurzem so, ich hab noch nie viel Fern geschaut, konnte in der Schule nie über die trendigenFernseh-Serien reden, weil ich sie einfach nicht kannte. Ich hab in meiner wohnung nicht einmal einen Fernseher, und vermisse ihn auch nicht. Gute Filme anschauen oder gezielt gute Serien, das mach ich gerne, allerdings nur auch Englisch, da ich dadurch mein Englisch verbessere -und natürlich auch weil's Spaß macht
Aber dadurch gehe ich auch nie mit Anderen weg oder ins Kino, und ich schau immer so ausgefallene Filme und Serien, die eh keiner kennt.
Also Gesprächsstoff bietet das nicht.
Als Hobbies hab ich Lesen, Schreiben, Fotografie und Bogenschießen.
Das sind Alles Hobbies, die man alleine macht.
Wären es also nur die Interessen, dann müsste ich auch generell in Einsamkeit leben.
Aber so ist das nicht. Ich komme in der Schule mit Jedem zurecht, kann mich sowohl mit den Außenseitern als auch mit den Coolen super unterhalten, unternehme auch was mit den Leuten, die ich gerne mag, und war seit 5 Jahren immer in einer Beziehung. Klar, manchmal gab es Phasen, da wollte ich lieber Single sein als mich von jemandem abhängig zu machen, und dann hatte ich Phasen, da hab ich mir einfach One-Night-Stands rausgepickt und gegönnt, wenn mir danach war. Und dann kamen wieder Phasen, wo ich was Ehrliches und Treues gebraucht hab, und deshalb hab ich sei über 2 Jahren wieder einen Freund, mit dem ich seitdem durch dick und dünn gehen kann.
Su siehst also: Nicht die Interessen machen dich einsam, das ist Schwachsinn. Vermutlich musst du einfach lernen, etwas mehr aus dir heraus zu gehen. Ich weiß aber selber, dass das im echten Leben oftmals schwer fällt. Deshalb rate ich Leuten, die über ihre Einsamkeit klagen, oft, sich doch mal bei Kontaktbörsen oder in Foren anzumelden, wo sie Leute finden, die auch einsam sind, oder Leute, die zumindest ihre Hobbies und Interessen teilen. (In Fan-Foren etwa.)
Denn sowas verbindet halt einfach.
Zudem ist es im Internet so viel leichter, Kontakte zu knüpfen, denn da sind die Menschen ohne Vorbehalte und ohne Vorurteile, da ist man in der Regel nicht so befangen wie in echt. Oft fällt es auch leichter, aus sich rauszugehen, denn man weiß ja: Entweder, der findet mich cool und mag mich, oder nicht. Dann seh ich ihn halt nie mehr.
Und so isses halt auch. Man hat nichts zu verlieren, man kann quasi nur gewinnen.
Hab meinen jetzigen Freund auch im Internet kennen gelernt -obwohl er nur 40 Minuten Zugfahrt von mir entfernt wohnt.
Wir wussten beide nicht, ob was Festes draus wird, waren ganz offen, haben nichts voreinander verborgen und haben uns einfach aufeinander eingelassen -und set zwei Jahren klappt's super.
In dem Sinne kann einem das Internet also echt hilfreich sein.

Achja, Fußball schau ich übrigens auch nicht, und überhaupt mach ich garkeinen Sport und bin auch kein Fan von Sportschauen, ich fahre jeden Tag 30 Minuten Fahrrad -das war's


Ich wünsche Dir Alles Gute,
Pilongo

Tag,

recht interessant was du schreibst, Holdseligkeit. 30 Jahre Einsamkeit stell ich mir echt hart vor, Respekt für so viel Durchhaltevermögen. Hoffentlich wird sich das in den nächsten 30 Jahren massiv ändern, das wünsch ich dir

Kann mich mit deinen Gedanken teilweise ganz gut identifizieren, ich denke mal was jeder andere Einsame mit Sicherheit auch leicht könnte.
Okay, hier schreibt nur ein Halbstarker mit wenig Lebenserfahrung, aber vielleicht kann ich ja doch weiterhelfen... Was ich mich frage: Wärst du denn nur bereit mit Leuten zu verkehren, die ähnliche Hobbies/Interessen/Ansichten haben wie du?

Klar, für Freundschaft muss man irgendwie schon Gemeinsamkeiten haben, aber ich hab so das Gefühl, dass nicht nur die anderen Leute mit deinen Beschäftigungen wenig anfangen können, sondern auch du nicht wirklich offen bist für ihre. Wie es aussieht bist du also eher auf Kontakte aus mit denen du sofort einen gemeinsamen Nenner finden kannst. Ich will jetzt hier nich was falsches sagen und ich kenne dich ja nicht persönlich, doch könnte es sein, dass du möglicherweise deine Interessen auf einer höheren Stufe siehst als die der anderen? Dein Beitrag hier ist sehr gut geschrieben und formuliert. An deinem guten Deutsch will ich gar nicht rummeckern, aber ist es vielleicht so, dass du auch etwas geschwollen redest und dadurch ein bisschen hochgestochen wirkst auf manche (nur eine Vermutung). Eventuell sind ja Leute von dir etwas abgeschreckt und haben das Gefühl, dass du dich zu sehr von der Gesamtheit abgrenzen willst, weil du ja den Konsum und Kommerz so verabscheust

Desweiteren denke ich sowieso, dass z.B. TV keine so eklatant große Rolle spielt (allerhöchstens für die Jugendlichen^^), als dass ganze Freundschaften davon abhingen. Letztlich kommt es doch immer auf das rein menschliche zwischen den Personen an, oder?
Man kann sagen ich bin ein ziemlich gegensätzlicher Typ im Vergleich zu dir. Zwar schau ich mir auch nicht den ganzen Müll an, der täglich im Fernsehen läuft oder besitze Markenklamotten, aber trotzdem betreibe ich ne Menge Medienkonsum, bin nur im Internet und habe selber das unerfüllte Bedürfnis mal mit jemandem einfach nur vor der Glotze zu hocken und Fußball zu schauen...
Ich bezweifle, dass man allein durch massenkompatible Lebenseinstellungen automatisch Freunde findet. Meinem Eindruck nach liegt es z.B. bei mir wohl eher an der Ausstrahlung, meiner gewöhnungsbedürftigen Interaktionsfähigkeit bzw. mangelndem Kommunikationsgeschick usw., dass niemand mit einem was zu tun haben will.

Zudem was du im letzten Absatz schreibst kann ich nur zustimmen. Es gibt echt so viele Einsame... denen man wahrscheinlich nie begegnen wird.
Und generell sage ich mir immer: Da draußen sind noch so viele, irgendwo muss doch mal einer für mich dabei sein.

Gruß

Zitat von Holdseligkeit:
daß ich mit meinen Interessen und Hobbys nicht massenkompatibel bin

Dir fehlt die leidenschaftliche Ausübung Deiner Interessen. Wenn der Biber trotz, lecker Bäumen ausgehungert ist, dann nur weil er Angst hat, ihm könnte ein Baum auf den Kopf fallen.

Eine Beziehung braucht Leidenschaft. Ein Hobby eigentlich auch, aber das ist eben das Schicksal des Hobbys, wenn diese fehlt.

Vielen Dank für eure Antworten! Ich habe selbstverständliche alle
gelesen und mich über jede einzelne gefreut, aber kann nicht auf alle in
gleichem Umfang eingehen.

Zitat von omegaman:
Bei mir sind es bereits 50 Sonnenumrundungen, die ich mehr oder weniger alleine erlebt habe.

Vermutlich auch ungewollt? Das klingt hart – und man gewöhnt sich ja
leider nicht daran, jedenfalls meiner Erfahrung nach nicht.

Zitat von Pilongo:
Es liegt gewiss nicht an deinen Interessen, dass du einsam bist. Denn wir teilen genau die gleichen Interessen

Es sind nur Beispiele – natürlich zutreffende –, aber konkreter wollte
ich nicht werden. Natürlich liegt es nicht an den Interessen und Hobbys,
aber sie können erschweren, Kontakte aufzubauen oder zu pflegen. Gerade
wenn man schon einsam ist, also niemanden für Unternehmungen hat, fragt
man sich ja, was man machen könnte, auch um andere Leute kennenzulernen
oder einfach aus dem Hause zu kommen.

Nun habe ich damit anscheinend ohnehin Probleme, auch wenn niemand
versteht, wieso das so ist. Es sind eben alles nur Puzzle-Teile.

Zitat von Mensch90:
30 Jahre Einsamkeit stell ich mir echt hart vor, Respekt für so viel Durchhaltevermögen. Hoffentlich wird sich das in den nächsten 30 Jahren massiv ändern, das wünsch ich dir [...] Was ich mich frage: Wärst du denn nur bereit mit Leuten zu verkehren, die ähnliche Hobbies/Interessen/Ansichten haben wie du?

Danke Dir. Aber es sind „nur“ 10 Jahre, was aber eigentlich gar nichts
ändert. In den zwanzig Jahren davor störte mich das nicht so sehr, es
war erträglich.

Ob ich nur mit Leuten mit ähnlichen Hobbys und Interessen verkehren
würde? Nein, ich bin eigentlich ein offener und neugieriger Mensch, aber
Gemeinsamkeiten müssen schon existieren. Zudem reichen kleine
Handlungen, um gegen meine Ideale zu verstoßen und sich uninteressant zu
machen, etwa wenn jemand ständig mit seinem Handy herumläuft. Doch aus
das ist nur eines der „populäreren“ Beispiele, mit dem ich nicht alleine
stehe. (Deswegen wähle ich es hier, es hat weniger Wiedererkennungswert.)

Zitat von Mensch90:
doch könnte es sein, dass du möglicherweise deine Interessen auf einer höheren Stufe siehst als die der anderen?

Eine interessante und gute Beobachtung. Es ist zwar nicht ganz
richtig, aber zumindest auf meine Ansichten bin ich recht stolz, und sie
stehen höher als solche der unkritischen, gedankenlosen oder
alltäglichen Weltbilder.

Ob jemand gerne kocht, sich für Blumen begeistert oder Modelle baut: bei
allem kann ich verstehen, daß es einen Reiz auf jemanden ausübt. Wer es
dann noch versteht, seine Begeisterung in Worte zu fassen, der hat mich
als Zuhörer sicher.

Anders etwa, wenn mich jemand für das neueste Album von XY aus den
Charts begeistern möchte – etwas verallgemeinert –, denn ich habe so
meine Ansichten über die Musikindustrie, ihre Politik und ihre Lobby.
Das gibt Minuspunkte, ist aber allein noch kein Grund, keinen Kontakt zu
suchen. Vielleicht bin ich da etwas prinzipienfester und von meinen
eigenen Ansichten voreingenommener, was es mir sicherlich schwerer
macht, doch ist es auch nicht mehr als ein Puzzle-Teil. Es gehört zudem
zu meinem Charakter, und ich möchte das keinesfalls ändern.

Zitat von Mensch90:
Eventuell sind ja Leute von dir etwas abgeschreckt und haben das Gefühl, dass du dich zu sehr von der Gesamtheit abgrenzen willst, weil du ja den Konsum und Kommerz so verabscheust

Damit hingegen, daß ich mich von der Gesamtheit abgrenze, liegst Du
richtig. Würden aufgebaute Kontakte deswegen schnell wieder kaputtgehen,
also dann, wenn man sich ein wenig kennt und beurteilen kann, wäre das
vielleicht der Grund, aber bis dahin kommt es erst gar nicht. Ich suche
auch keinen großen Freundeskreis, sondern einige, wenige, gute Freunde
– und nur eine Partnerin.

Das verkleinert aber nur meine Chancen, sollte aber nicht das Problem
sein. So sehr schrecke ich auch nicht ab, und offensichtlich ist es auch
nicht sofort. Die Schwierigkeiten liegen dann wohl eher darin, auf andere
Menschen zuzugehen. Ich bin in kleinen Gruppen offen und geschwätzig,
aber ich lasse andere den ersten Schritt machen.

Zitat von ixmugl:
Dir fehlt die leidenschaftliche Ausübung Deiner Interessen.

Also bei meinen Interessen und Hobbys fehlt sie nicht. Glücklicherweise,
denn so kann ich mich oft und lange beschäftigen. Ich nehme zwar auch
Antidepressiva und bin manchmal nicht gerade gut gelaunt, habe dann auch
zu nichts Lust, aber das hat mit den Hobbys nichts zu tun.

Ich war übrigens wegen der Depressionen und Einsamkeit in Therapie, in der
der Psychologe feststellte, daß ich mich sehr gut selbst verstehe. Tja,
das wußte ich auch schon vorher – das spricht für das Ergebnis –, aber
einen anderen Nutzen hatte die Therapie leider nicht. Sie half mir nur
insofern, daß ich jemandem zum Reden hatte.

Woher kam die Depression?

Von der Einsamkeit. Die sind gute Partner und ergänzen sich gegenseitig: die Einsamkeit kann zu Depressionen führen, und Depressionen zu Einsamkeit. Bei mir war die Einsamkeit aber zuerst da, fünf Jahre später etwa kamen die Depressionen hinzu und die Angst, das Leben zu verpassen. Man wird eben älter und damit die Einsamkeit bedrohlicher.





Dr. Reinhard Pichler
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