Wie stärke ich mein Vertrauen in die neue Beziehung
Liebe Mitforende, ich werd jetzt, wenn Ihr diesen Beitrag zu Ende lest, einige Zeit von euch in Anspruch nehmen. Ich hoffe, dass Ihr euch diese nehmt und mir vielleicht eine Einschätzung zu meiner derzeitigen Situation geben könnt, die enorm vielschichtig ist. Mir fällt es nicht leicht folgende Zeilen zu schreiben, aber ich bin nervlich am Ende und finde derzeit keinen Therapieplatz, weswegen ich jetzt einfach einmal den Weg des Forums wähle, um auch meine Gedanken einmal zu verschriftlichen.
Kurz zu meiner Biografie: Ich bin 25 Jahre alt, habe nach meinem Abitur für fünf Jahre studiert und meinen Masterabschluss vor zwei Jahren erreicht. Seit meinem 19. Lebensjahr arbeite ich parallel und seit über drei Jahren auch auf einer Vollzeitstelle. Ich bin bei meiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, kenne meinen Vater nicht und habe sicherlich auch durch jene Aufwachssituation schon frühzeitig Verlustängste entwickelt.
Vor vier Jahren habe ich meine damalige Partnerin kennengelernt, mit der ich nach einem halben Jahr zusammen in eine Wohnung gezogen bin. Schon nach kurzer Zeit hat diese mich betrogen und ich über jenen Akt hinweggesehen. Doch seither herrscht Misstrauen in der Beziehung. Niemals von Glück geprägt habe ich sehr lange eine idealisierten Vorstellung festgehalten, welche keineswegs der Realität entsprach. Nun wurde diese Beziehung im Mai durch meine Ex-Partnerin beendet. Für mich brach zu jenem Zeitpunkt eine Welt zusammen. Doch der Verlust dieser Beziehung erwies sich kurze Zeit später als größtes Glück meines Lebens. Ich lernte über eine Online-App meine aktuelle Freundin kennen und durfte erstmals die Erfahrung wahrer Liebe machen. Liebe, die jeden Tag wächst und mich jeden Tag aufs Neue mit tiefer Dankbarkeit erfüllt. Uns trennen 200 Kilometer Distanz, weswegen wir uns meist nur am Wochenende von Freitag bis Sonntag sehen. Seit mehr als einem halben Jahr wechseln wir uns mit den regelmäßigen Besuchen ab und ich kann mich nicht erinnern, dass wir ein Wochenende ausgelassen haben. Seither haben wir viele gemeinsame Erlebensisse gesammelt, tausenden Erinnerungen vergoldet und extrem viel erlebt. Ich durfte ihre Familie frühzeitig kennenlernen, wir konnten Urlaube wahrnehmen und zuletzt ein bilderbuchhaftes Weihnachts- und Silvesterfest erleben.
Meine Freundin teilt die gleichen Interessen, die ähnliche Marotten und ähnliche Ängste. Wir lachen viel, aber wir weinen auch viel. Das ist für mich neu, da ich dies aus meiner vorheringen Beziehung nicht kannte. Ich glaube jedoch, dass die Fallhöhe durch die positiven Extrema höher ist und ich dadurch die Tiefen auch intensiver wahrnehme (Tiefen durch meine Gedanken, nicht durch Anlässe). Frühzeitig haben wir darüber gesprochen, dass wir perspektivisch in eine gemeinsame Wohnung in einer gemeinsamen Stadt ziehen wollen. Sie ist derzeit Studentin im Bachelor (der Master folgt) und ich bereits Arbeitnehmer.
Ich habe ein extrem ausgeprägtes - wahrscheinlich biographisch begründetes - Sicherheitsbedürfnis. Deswegen würde ich schon jetzt gerne planen, wie unsere Zukunft aussieht und an welchem Ort wir zukünftig sein werden. Doch wir können nicht planen: Weil meiner Freundin dies einerseits Stress (sicherlich weil Sie selbst Angst und Sorgen hat) bereitet und andererseits natürlich eine etwaige Planung letztlich auch von der möglichen zukünftigen Universität abhängig ist und hier eine Entscheidung erst im Juli fallen kann. Ich mache mir also massive Gedanken über Dinge, die wir erst in der Zukunft regeln können. Sie hat mir stets zu verstehen gegeben, dass sie zu Kompromissen bereit ist und ich bin dies ebenfalls. Gemeinsam haben wir aber beide stets zu verstehen gegeben, dass unsere Liebe größer als alles andere ist und wir beide alles für unsere gemeinsame Zukunft ermöglichen möchten.
Nun zu meinem großen Problem, das mich zerfrisst: Die Gedanken kreisen unaufhörlich. Meine Gedanken. Ein Karussel, das sich nicht aufhört zu drehen. Die Baustellen sind vielfältig.
1) Die Distanz zwischen uns bereitet mir Bauchschmerzen. Wir verbringen jedes Wochenende miteinander und haben zuletzt auch mehrere Wochen gemeinsam in einer Wohnung verbracht. Doch durch meine Erfahrungen des Betrugs, bin ich ein gebranntes Kind. So sehr ich meine Freundin liebe, es schwingt durch die Distanz immer die Angst vor einem erneuten Betrug mit. Auch wenn ich weiß, dass meine Ex-Freundin nicht meine derzeitige Partnerin ist, kann ich mich von der Angst nicht freimachen. DIES IST MEIN PROBLEM, NICHT DAS PROBLEM MEINER FREUNDIN. Ich weiß, dass ich an mir arbeiten muss - weiß aber derzeit nicht wie. Wie kann ich Vertrauen finden, obwohl es von ihr nicht missbraucht worden ist? Wie kann ich die Vergangenheit von der Gegenwart abgrenzen? Wie kann ich ihr gerecht werden? Sie hat diese Gedanken nicht verdient, sondern jegliche Liebe auf diesem Planeten.
2) Ich weiß, dass wir eine wundervolle Zukunft haben werden. Ich kann nur meine Ungeduld nicht bändigen. Ich habe das stete Gefühl, dass wenn ich nicht morgen Nägel mit Köpfen mache, dass ich das Warten nicht mehr aushalten kann. Ich will alles und das am liebsten gleich. Ich will meine Zukunft so sehr, dass ich mir meine Gegenwart mit Grübeln kaputtmache. Mit jener Ungeduld setze ich meine Freundin widerum unter Druck.
3) Ich weiß, dass wir eine wundervolle Zukunft haben werden. Ich habe aber furchtbare Angst davor, dass ich mir selbst im Weg stehe und auf unbewusste Art und Weise diese Beziehung gefährde. Ich möchte meine Freundin nicht bedrängen, aber ich habe das Gefühl, dass ich dies immer häufer mache - im Sinne einer Entscheidungserzwingung. Ich weiß, dass sie sich derzeit nicht räumlich binden kann und zeitgleich fällt ihr eine Trennung von ihrem derzeitigen Wohnort (auch wenn ein Wechsel unvermeidbar, auch im Sinne ihres eigenen Werdegangs, ist) schwer. Freunde, Erinnerungen, da hängt vieles dran. Doch ich A. will für meine eigene Sicherheit am liebsten morgen einen Mietvertrag auf dem Tisch haben - metaphorisch. Ich hasse mich für dieses Verhalten, habe aber teilweise das Gefühl, mich in jenen Gesprächssituationen nicht kontrollieren zu können.
4) Ich hasse Veränderungen. Seit je her. Auch wenn ich die Erfahrungen gemacht habe, dass nahezu alle Veränderungen in meinem Leben etwas positives zum Vorschein gebracht haben, sehne ich mich nach Kontinuität, Sicherheit und Beständigkeit. Ich habe Angst meiner Partnerin zu verlieren, ich habe Angst meinen Job zu verlieren, ich habe Angst vor so vielen Dingen und sehne mich nach Glück. Aber ich glaube ich habe es allen voran nicht in mir gefunden. Wie werde ich glücklich?
5) Mich plagen seit drei Jahren in sehr unregelmäßigen Abständen Panikattacken. Panikattacken, wenn es um das Thema Veränderung geht. Ob Jobwechsel, der Beinahkauf eines Hundes mit der Expartnerin oder auch wohnliche Veränderungen - ich leide brutal. Paradoxerweise wünsche ich mir mehr dennje die Veränderung, den Zusammenzug und die Zukunft mit meiner Partnerin, habe aber auch Angst davor, dass wenn es dann doch konkreter wird, ich wieder von den Panikattacken eingeholt werde. Wie werde ich hier Herr? Gerade bei den aktuellen Wartezeiten auf Therapieplätze. Ich sehe den Bedarf, kann aber nichts alleine verändern - zumindest so mein Gefühl.
6) Mir bereitet das alleine sein riesige Probleme. Ich habe derzeit Home Office, sehe meine Freundin an den Wochenenden, habe coronabedingt aber auch kaum andere Kontakte. Mir fällt im wahrsten Sinne des Wortes die Decke auf den Kopf. Dann geht das Gedankenkarussel wieder los, auch wenn viel zu tun ist auf der Arbeit. Aber diese Ruhe, dieses Alleinesein macht mich fertig. Auch fernabdessen konnte ich noch nie entspannen, geschweigedenn alleine sein. Wochenenden mussten immer voll sein, damit ich quasi den Raum, der mir sonst zum Grübeln bleibt, eliminiere. Ist ungesund und nur eine Verdrängungstaktik. Aber es hat mir geholfen. Nur muss ich dies jetzt angehen. Sonst klammere ich in Beziehungen auch zu sehr.
7) All diese Sorgen, Nöte und Ängste sind mir seit längerer Zeit bekannt und ich will sie angehen, sie auch durch externe Hilfe verbessern oder verändern. Ich will an mir arbeiten: Für mich und für meine Beziehung. Aber seit wenigen Tagen merke ich, dass diese Sorgen, Nöte und Ängste mich runterziehen und ich in eine depressive Verstimmung abzudriften drohe. Wie kann ich die Spirale (gerade in Corona-Zeiten) unterbrechen? Ich habe Angst in eine Depression und ein tiefes Loch abzurutschen. Heute, sonst würde ich wahrscheinlich hier nicht schreiben, habe ich das Gefühl ich stehe kurz vorm Fall.
Kurzum: Panikattacken, Angst vor Veränderung, Angst alleine zu sein, Angst die Liebe meines Lebens zu verlieren, Angst vor *beep* allem! Ich fürchte mich. Ich könnte diesen Text noch weiter ausbreiten. Aber diese Zeilen schreibe ich in Tränen und mit letzter Kraft. Ich fühle mich leer, ich fühle mich hoffnunglos und ich mich mag mich so keineswegs.
Viele Grüße und danke, wenn Ihr bis hierhin gelesen habt
Euer J.