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Liebe Mitglieder,

ich bedanke mich schonmal im Voraus für die Antworten auf meinen Beitrag und hoffe, dass ich euch künftig auch durch meinen Input bereichern kann. Derzeit plagt mich eine wahrhaftig ätzende innere und körperliche Anspannung.

Letztere kann ich mehr und mehr aus einer Kombination zwischen täglichem Ausdauersport, Faszientraining und regelmäßige Saunagänge bewältigen. Ersteres ist schwer abzuschalten. Mir ist bewusst, dass die körperliche Anspannung die psychische Anspannung bedingt. Zumindest habe ich in den Jahren nach meiner PT verstanden, dass ich zu vermehrtem Grübeln neige, wenn ich die soeben genannten körperlichen Maßnahmen längere Zeit schleifen lasse. Wenn ich diese aber konsequent durchziehe, wird es besser, aber meine Psyche hindert mich immernoch ganz schön an meiner Alltagsbewältigung (Arbeit, Haushalt, Aufrechterhaltung sozialer Kontakte,. ).

Mir gelingt die geistige Entspannung nicht. Für Meditation bin ich (ich gebe es offen zu und arbeite daran) noch nicht bereit. Das fühlt sich komisch an. Inzwischen bin ich aber dazu im Stande täglich Tagebuch zu schreiben. Im Zuge dessen zeigt sich immer mehr, dass ich eine Art Grübelzwang habe. D.h. ich habe panische Angst davor, mein Gehirn in einen Ruhemodus zu versetzen. Ich denke, sobald ich mit dem Grübeln aufhöre, geht die Welt unter und ich habe nichts unter Kontrolle. Das ist aber paradox, weil mir das Grübeln bislang nichts als (seelischen) Schmerz gebracht hat und mich nicht voranbringt. Dennoch halte ich an dieser Grundüberzeugung fest, dass Nichtdenken dem Tod gleichkommt (ist etwas überzogen dargestellt, spiegelt aber tatsächlich die Intensität meiner Angst wider).

Das alles führt dazu, dass ich mir in meinen Gedanken laut STOPP zurufe, sollte ich eine Grübelspirale auch nur im Ansatz identifizieren. Aber auch das löst Stress bei mir aus, weil ich dann jedweden Gedanken abschalte. Aus meinem Selbststudium nach der PT weiß ich aber, dass das Gehirn nuneinmal immer läuft und Gedanken nun einmal auftauchen. Ich möchte gerne diese Balance finden zwischen normale Gedanken zulassen und als solche identifizieren/Grübeln eindämmen.

Versteht ihr mein Problem? Ich hoffe, es ist irgendwie deutlich. Ich habe ständig das Gefühl, alles in meinem Kopf ist wirr, weshalb ich befürchte, meine Situation nicht richtig verschriftlichen zu können.

Danke!

24.04.2023 12:14 • 24.04.2023 x 2 #1


3 Antworten ↓


Servus dk94 und ein nachträgliches Willkommen!

Ich finde, Du beherrscht es sehr gut Deine Situation zu beschreiben und ich kenne diese Grübelkiste selber leider auch.

Zitat von dk94:
D.h. ich habe panische Angst davor, mein Gehirn in einen Ruhemodus zu versetzen. Ich denke, sobald ich mit dem Grübeln aufhöre, geht die Welt unter und ich habe nichts unter Kontrolle. Das ist aber paradox, weil mir das Grübeln bislang nichts als (seelischen) Schmerz gebracht hat und mich nicht voranbringt. Dennoch halte ich an dieser Grundüberzeugung fest, dass Nichtdenken dem Tod gleichkommt (ist etwas überzogen dargestellt, spiegelt aber tatsächlich die Intensität meiner Angst wider).

Nichtdenken bedeutet, philosophisch gesprochen, die Abwesenheit von Ich und Welt, aber nicht den Tod. Was der Tod ist kann ein Lebender nicht wissen. Obschon von einigen Fachleuten behauptet wird, dass Nichtdenken unmöglich ist, können fortgeschrittene Meditierende durchaus davon berichten.

Grübelzwänge können auch als zikuläre Kausalität verstanden werden:

1. Man entwickelt eine Frage, auf die es - vermeintlich - keine abschließende, vollumfänglich klärende Antwort geben kann.

2. Man versucht, durch ständiges Abwägen die Antwort zu finden.

3. Man etabliert die Gewissheit, dass das Abwägen selbst einen gewissen Wert in der Beilegung des Problems hat.

4. Man entwickelt eine Abhängigkeit von der Grübelei bei gleichzeitigem Verblassen der ursächlichen Problematik.

Erstmal muss diese Entwicklung klar erkannt und genannt werden. Es geht nicht mehr um die Sache, sondern es eine geistige Abhängigkeit. Grübelei wird fälschlicherweise als Kontrolle missverstanden. In Wahrheit ist es die völlige Abwesenheit von Kontrolle - der Grübelzwang kontrolliert den Grübler!

Was richtig ist: man kann auf Befehl Gedanken nicht einstellen. Doch man kann zurück zu den Ursprüngen gehen. Zugegeben sind viele Themen im Leben sehr komplex und bedürfen in der Tat einer hinlänglichen Beschäftigung.

Der Grübelzwang wird meistens deshalb (völlig unbewusst!) entwickelt, um uns aus der Verantwortung zu nehmen! Das Grübeln ersetzt das konkrete Handeln.

Daraus folgt: handle!

Mach Dir schriftlich einen sauberen, ausführlichen Überblick über die Problematik. Sammle alle nötigen Fakten, mach Dir Listen mit pro und contra etc., entwirf Lösungswege und konkrete Vorgehensweisen (To-do-Listen).

Und dann komme ins Tun. Sobald Du beginnst, das eigentliche Thema wirklich aktiv anzugehen, entziehst Du den Zwangsgedanken jegliche Grundlage.

A


Wie geht man mit einem Grübelzwang um?

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@moo Vielen Dank, für diese ausführliche Antwort. In der Tat grüble ich viel über Probleme, die mir zu Kopf steigen, weshalb ich nicht vorankomme.

Es kommt aber noch dieses zwanghafte Denken während der Ruhephasen hinzu. Vermutlich weil ich die wegen des Grübelns ungelösten Probleme mit in die Ruhephasen verschleppe...

Zitat von dk94:
Es kommt aber noch dieses zwanghafte Denken während der Ruhephasen hinzu. Vermutlich weil ich die wegen des Grübelns ungelösten Probleme mit in die Ruhephasen verschleppe...

Das ist m. E. die normale Entwicklung - ähnlich wie bei Süchten, die irgendwann jede freie Minute in Beschlag nehmen.

Mir hilft bei Problemen oft, mir sofort zu sagen, dass ich damit nun erstmal eine Weile lang leben muss und keine Antwort darauf weiß. Das ist dann keine Opferhaltung sondern eher eine geduldige Demut. Du kannst sogar versuchen, das bei Deiner (ziellosen?) Grübelei anzuwenden: Ich kann die Grübelei nicht beenden!

Mit der Akzeptanz der Machtlosigkeit schwindet auch streckenweise die Kontrollsucht. Je öfter man das erlebt, umso schwächer wird die Zwangsstruktur. Es gibt ein Ende des Zwangs und es liegt oft zum Loslassen nahe...





Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl
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