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Hallo an Euch,

Ich bin noch nicht lange mit meinem Freund zusammen.

Er hatte bis vor knapp zwei Jahren eine Beziehung zu einer Frau, die nach dreinmonatiger Beziehung zu ihm an Krebs erkrankt ist.
Er pflegte sie drei Jahre bis zu ihrem Tod.

Da sie zusätzlich auch eine schwere Angststörung hatte, war die Zeit bis zu ihrem Tod nach seiner Aussage geprägt von unfassbar viel Leid, Schmerzen, Panikattacken uvm.

Er hat ihr in allen Lebenslagen zur Seite gestanden und so, wie ich das heraushöre, über alle Maße für sie getan, was er könnte.
Meiner Meinung nach ist er dabei völlig auf der Strecke geblieben! (Familie und Freunde von ihr haben nur sehr wenig von all ihrem Leidensweg erlebt)

Da die beiden die gesamte Corona Zeit fast ausschließlich alleine auf der Palliativstation verbringen mussten, gibt es niemanden, mit dem mein Freund sich über die vielen schlimmen Situationen austauschen kann bzw. die überhaupt wissen, was seine Ex und er durchgemacht haben.

Nun hat er oft wiederkehrende Gedanken an diese Extremsituationen und sagt, dass er zu 90% schlechte Dinge denkt, auch weil die gute Zeit mit ihr ja lediglich drei Monate waren.

Aber er will sich auch bewusst an die schlechten Dinge erinnern, damit sie mit all ihrem Leid nicht vergessen wird.
Sie tut ihm unfassbar leid, weil sie so viel durchmachen musste und jetzt die schönen Dinge des Lebens nicht mehr erleben darf.

Gleichzeitig sieht er nicht, dass auch er sehr viel durchlitten hat und seine Freundin beim Sterben zu begleiten ja auch wahnsinnig viel Kraft genommen hat.

Er nimmt sich auch jetzt noch total zurück und meint, er müsse alles alleine aushalten. Therapeutische Hilfe irgendeiner Art will er auf keinen Fall.

Er denkt, dass er diese Trauerarbeit alleine machen muss und es irgendwann nach und nach besser wird.

Dass dies alles auch mich belastet und ich ihm nicht helfen kann, belastet ihn dann auch noch.
Aber gar nicht drüber reden und nur so zu tun als ob alles gut wäre, ist nicht meine Art.
Ich bin seine Partnerin, will ihn natürlich nicht so leiden sehen, weiß aber auch nicht, wie ich mich am besten verhalten soll.

Habt ihr einen freundlichen Rat?

14.08.2024 23:58 • 23.08.2024 x 1 #1


12 Antworten ↓


Zitat von Stella8642:
Ich bin seine Partnerin, will ihn natürlich nicht so leiden sehen, weiß aber auch nicht, wie ich mich am besten verhalten soll.

Du könntest Ihm einfach zugestehen was er will, beziehungsweise nicht will und wenn Du das nicht kannst, wäre die Partnerschaft eben mal zu überdenken, bezüglich dessen was man vom Partner will und was man selbst will. Und ob gewisse Zugeständnisse an den Anderen möglich sind oder nicht.

A


Hat mein Freund ein Trauma?

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Sorry, damit kann ich irgendwie nichts anfangen.
Ich gestehe ihm zu, dass er trauert. Selbstverständlich...
Aber ich sehe, dass er sehr leidet und möchte ihm gern zur Seite stehen, aber weiß nicht wie

Zitat von Stella8642:
Aber ich sehe, dass er sehr leidet und möchte ihm gern zur Seite stehen, aber weiß nicht wie

Da du diejenige bist, die ihm wohl am nächsten steht, wird jemand völlig fremder dir da auch keine Tipps geben können. Kurzum, wenn du nicht weißt wie, wer sonst sollte das wissen können.

@Stella8642
Zur Therapie kannst du ihn nicht „zwingen“, wenn er nicht will.
Und du kannst ihm nicht mehr beistehen als zuhören und ihm seine trauerzeit lassen.
Aber;
Ich finde es auch von ihm nicht richtig, wenn er da noch so viel mit zu kämpfen hat, dass er sich in eine neue Beziehung begibt. Klingt hart aber: er hat gerade andere Baustellen und überhaupt nicht die Kapazitäten, sich um eine neue Beziehung zu kümmern.

Du kannst nicht mehr machen als das, was du schon machst. Der Rest muss jetzt von ihm kommen.

Ich kann dir aber nur den guten Rat geben: bitte gib dich nicht dafür auf.
Eine Beziehung sollte ein geben und nehmen sein und nicht von Tag 1 von nicht verarbeiteter Trauer gesteuert sein.
Weil dann ist so ne Beziehung sehr schnell ne einseitige Sache.
Weil er so mit sich selbst beschäftigt ist, dass er überhaupt keine Kapazitäten frei hat, um auch -einer Beziehung entsprechend- zu geben. Sowas wird schnell zum Energiesauger.

Daher eben auch meine Meinung, dass er eigentlich in einer Beziehung aktuell nichts zu suchen hat, solange die Trauer noch so sehr seinen Alltag beeinflusst, wie du es hier darstellst.
Oder sind es nur kurze Momente, wo er so abrutscht?
Weil hier liest es sich so als würde 90% euer Beziehung und seines Lebens von dieser Trauer und diesem Ereignis beeinflusst.
Sollten es nur kurze Momente sein und ansonsten führt ihr eine wundervolle, erfüllende Beziehung, dann hat das ganze keinen pathologischen Krankheitswert, sondern ist normal und würde auch mit Therapie immer so bleiben.

@WayOut
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Ja, ich habe mir auch einige Gedanken darüber gemacht, in wie weit er bereit ist für unsere Beziehung.
Und er ist in der allermeisten Zeit mir sehr zugewandt und auf jeden Fall glücklich mit mir und ich mit ihm.
Es sind nur die Momente, die ich mitbekomme, die ihn belasten, auch Momente, die mir dann zu schaffen machen.
Es ist für mich eine ganz neue Situation. Bisher habe ich mit ganz anderen Problemen in Beziehung zu tun gehabt und mir ist bewusst, dass ich nicht seine Probleme lösen muss, soll und will.
Aber unterstützen möchte ich ihn gerne, wenn er das auch möchte.
Ich hoffe, dass er seiner Trauer einen guten Raum geben kann.

Hallo, also
ich finde es erstmal gut, dass du so verständnisvoll bist und ihm den Rücken stärkst.
Was er da durchgemacht hat, das kann einen wirklich auch umhauen,
aussaugen und seine tiefen Spuren hinterlassen.

Aber: In meinen Augen klingt es schon sehr danach, dass sein Zustand, seine Vergangenheit eure Beziehung ziemlich belastet.
Das ist auhc verständlich. Allerdings glaube ich nicht, dass das einfach nur mit Zeit zu heilen ist. Wäre es eine normale Trauer, dann vielleicht. Aber da hängt ja viel mehr dran.

Was ich dann eben schwierig finde, dass er leidet, du leidest (daher finde ich den Rat, dass man ihm zugesteht, was er braucht und wenn man selbst nicht gut damit kann, dann eben wieder geht, gar nicht so verkehrt, verstehe aber auch, dass du das nicht willst oder dir das gar grausam vorkommt) und ihr im Prinzip gar nicht richtig dazu kommt, ein miteinander aufzubauen und zu genießen.


Nun sagst du, er lehnt eine Therapie ab. Das ist sehr schade. Denn für mich liest sich das so, dass es eben diese beachtlichen Probleme gibt, ihr beide im Miteinander und er auch für sich davon arg beeinträchtigt seid und
er sich nicht helfen lassen möchte.

Und du selbst bist schon mitten drin, dass du diese Rolle übernimmst. Und das ist absolut GIFT für eine Beziehung.

Wie hier schon gesagt wurde, er muss etwas dafür tun, dass es ihm besser geht.

Du kannst ihn unterstützen, aber du kannst weder für ihn zu einer Therapie gehen noch
dich für ihn damit auseinander setzen noch die Therapeutenrolle übernehmen.

Eine Therapie ist ne große Sache, wenn auch meist sehr hilfreich.

Wie sieht es denn aus mit einer Selbsthilfegruppe aus? Für Trauernde.... für trauernde Angehörige ... .sowas gibt es ja. Das kann ja auch schonmal ein wenig helfen und vor allem auch DICH entlasten.


Ansonsten würde mir noch einfallen, dass ihr vielleicht mal ein paar Sitzungen Paartherapie macht.
Und die Sache dort besprecht. Bei einem Therapeuten oder ein paar Sitzungen Supervision erstmal....
damit einfach mal von außen jemand sich die Situaton ansieht, du wiederum entlastet bist und es einfach auhc eine Einschätzung gibt.


Irgendwas sollte er tun. Bei so einer Paarsache wärest du mit drin und es ist sehr wahrscheinlich, dass das für ihn auhc nicht ausreicht, aber dann wäre erstmal was passiert.

Aber nochmal, bitte bitte versuche nicht du, ihm da jetzt Entlastung zu geben und zu helfen, dir das alles anzuhören mit miti zu leiden, während er sich keine Hilfe sucht bzw. eben selber aktiv wird.

Das wird nach hinten los gehen. Ich wünsche dir und euch alles Gute!

Hallo Eno,
herzlichen Dank für deine umfangreiche Antwort!

Da sind viele Aspekte, die ich mir nochmal ansehen werde.

Vor allem die Idee mit der Selbsthilfegruppe oder ein paar Stunden Paartherapie finde ich gut.
Vermutlich wird eine Selbsthilfegruppe ihn erstmal eher ansprechen.
Aber wer weiß?

Ich mache es mir sehr bewusst, wo meine Grenzen liegen und versuche auch immer wieder, mich auf mich zu konzentrieren.

Wir sind dadurch, dass wir ja selbst noch nicht lange zusammen sind dabei, herauszufinden, wie der/die Andere tickt. Umso schwerer in so einer Situation.
Aber ich hab die Hoffnung, dass sich eine Menge Gutes tut, weil wir beide wohlwollend und gesprächsbereit sind.

Auch dir alles Gute!

Das liest sich gleich noch viel lockerer. Austausch ist wichtig und du solltest da nicht seine
alleinige Hauptansprechpartnerin sein.

https://www.trauercafe.de/

Zu deinen Grenzen: Gut! Und ganz wichtig, es nicht nur zu versuchen. Machen. Unbedingt und immer wieder.


Wohlwollend und gesprächsbereit ist eine tolle Basis. Ich finde, das ist so eine Situation, wo es ganz schnell mal eine ungesunde Dynamik bekommen kann. Daher ist es in meinen Augen umso wichtiger, wirklich streng zu sein und genau mit eigenen Standards und Dealbreakern. Dann kann man vieles meistern, sofern BEIDE aktiv und produktiv daran mitwirken.

Da hast du völlig Recht!
Danke für den link und beste Grüße!

Zitat von Stella8642:
Hallo an Euch, Ich bin noch nicht lange mit meinem Freund zusammen. Er hatte bis vor knapp zwei Jahren eine Beziehung zu einer Frau, die nach dreinmonatiger Beziehung zu ihm an Krebs erkrankt ist. Er pflegte sie drei Jahre bis zu ihrem Tod. Da sie zusätzlich auch eine schwere Angststörung hatte, war die Zeit bis zu ...

In der Palliativstation müsste er mit psychologischen Hilfsangeboten in Kontakt gekommen sein. Aber: du kannst seine Probleme nicht lösen. Du willst eine gute Beziehung und wenn es für dich keine ist, dann musst du dich trennen. Etwas anderes funktioniert nicht.

Auf der Palliativstation hatte er ne ganz andere Problematik und da war doch noch gar kein trauern und verarbeiten möglich.
Seltsame Ideen hast du.
Ich kenne niemanden, der vor dem Tod eines Angehörigen in eine Trauergruppe geht.
Auch schön ist es, einfach mal so schnell zu raten, trenn dich.
Davor gibt es noch viele andere Möglichkeiten und danach schau ich gerade.
Und mir ist völlig bewusst, dass er sich darum kümmern muss.
Dennoch ist dieses Forum ja dafür gedacht, sich auszutauschen

Zitat von Stella8642:
Auf der Palliativstation hatte er ne ganz andere Problematik und da war doch noch gar kein trauern und verarbeiten möglich. Seltsame Ideen hast du. Ich kenne niemanden, der vor dem Tod eines Angehörigen in eine Trauergruppe geht. Auch schön ist es, einfach mal so schnell zu raten, trenn dich. Davor gibt es noch ...

Du verwechselt Trauer mit dem an die Substanz gehenden Begleiten auf der Palliativstation. Schon dort ist es ganz wichtig, Unterstützung zu bekommen, um sich nicht zu sehr zu verausgaben. Diese Zeit geht in die sogenannte Trauer fließend über.

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Dr. Reinhard Pichler
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