Hallo!
Also zuerstmal verstehe ich deine Gedanken total. Ich kenne sie auch und habe mich schon sehr sehr viel mit dem Thema beschäftigt. Mit den Phasen einer Beziehung, Hormonen und auch mit dem unterschiedlichen Bindungsverhalten von Mann und Frau. Natürlich gibts auch immer Abweichungen davon, ich will hier keine Klischees dreschen, aber so tendentiell funktionieren Menschen eben doch oft sehr ähnlich.
Dein Problem ist schon fast ein Klassiker! Einer entfernt sich, der andere ist dadurch verunsichert und fühlt sich abgestoßen. Er sucht nach Gründen und kommt immer zum Schluss, dass es jawohl nur nachlassende Gefühle sein können. Derjenige wird dann sauer oder traurig, auf jeden Fall unsicher. In der Folge klammert man noch mehr und fordert wieder so viel Zuneihung wie vorher ein. Als Beweis, das alles ok ist. Für denjenigen, der aber doch eigentlich etwas mehr Freiraum wollte, ist das genau das Falsche. Er zieht sich noch mehr zurück. Als anhänglicherer Part hat man also nix erreicht, sondern nur schlimmer gemacht. Jetzt Forderungen und Vorwürfe zu machen, bringt ihm nichts, dir nichts und euch als Paar nichts!
Wenn (an dem Punkt seid ihr noch lange nicht!) er dauerhaft so viel Abstand braucht, dass es dir zu wenig ist, dann passt ihr vielleicht nicht zusammen. Sollte es so sein, finde ich aber, dass man es dann ohne Vorwürfe beenden sollte. Weder dein Nähebedürfnis ist falsch, noch ist sein Distanzbedürfnis falsch. Du bist keine doofe Klette, er ist kein ignorantes A.! Ihr seid höchstens nicht komptatibel zueinander. Aaaaber:
Hast du dich mal gefragt, warum genau dich seine Distanzierung stört? Fehlt dir wirklich eine Nachricht mit dem x-ten Guten Morgen? Oder fehlt dir eher die Routine und somit SICHERHEIT, die die Nachricht dir vermittelt hat?
Theoretisches Gedankenexperiment: Stell dir vor, du hättest eine Glaskugel und wüsstest sicher, dass er nur an dich denkt, dir am liebsten permanent schreiben würde, nur leider sein Handy kaputt ist und sein Chef ihm verbietet zu telefonieren ;-D Oder irgendwas. Das würde dir doch reichen, oder? Weil du wüsstes, dass der Grund für seine Distanz höhere Macht ist, nicht nachlassendes Interesse an dir und du dir seiner sicher sein könntest.
Wie sieht es bei euch mit Freunden und Hobbys aus? Derjenie, der eh mehr introvertiert ist, klammert meistens auch mehr, als der Part, der viele Leute kennt und Hobbys hat.
Tatsache ist: Die erste Verliebtheitsphase wird nie und bei niemandem lebenlang genau so intensiv sein. Das geht auch hormonell gar nicht anders. Die Stoffe, die bei uns ganz oben sind, wenn wir verrückt nach jemandem sind, kann kein Organismus dauerhaft hoch halten.
Hinzu kommt, dass jeder Mensch anders ist, was das Nähe/Distanzbedürfnis betrifft. Auch braucht jeder unterschiedlich viel Sicherheit und Bestätigung. Viele wollen auch einfach mal bewusst den anderen vermissen und was zu erzählen haben. Das kann aber nicht passieren, wenn man in Dauerkontakt steht. Mein Freund genießt es z.B. total, was mit Freunden zu unternehmen und dann abends völlig aufgedreht heimzukommen, um mir dann gemütlich im Bett zum Abend zu erzählen. Das würde nicht passieren, wenn ich verlangen würde, dass er mir ständig von unterwegs schreibt oder gleich seine Zeit für mich reserviert.
Manche Menschen leben 50 Jahre zufrieden in ihrem 2er-Paar-Trott, für andere wäre das der totale Albtraum. Unterschiede gilt es erstmal ohne Wertung zu akzeptieren.
Ich weiß, dass man sich denkt Pah, eine Nachricht dauert höchstens 30 Sekunden, soviel Zeit wird der jawohl haben!. Und das ist ja auch so. Aber... Ich kenne das auch aus meiner Sicht. Manchmal habe ich einfach keine Lust was zu tippen. Kein Hab dich lieb, kein ich vermiss dich, kein Guten Morgen. Es heißt NULL, dass ich es nicht fühle!
Mein Freund ist genau so ein Distanzler. Er kann sehr sehr interessiert und liebevoll sein und seinen kompletten Alltag mit mir bequatschen. Aber irgendwann ist es damit auch mal wieder gut. Dann trifft er mehr Freunde oder genießt es auch einfach mal, in Ruhe vor dem Fernseher einzupennen, ohne dass ich ihn zuquatsche oder er ständig am Handy sein muss, um mir zu schreiben. Druck und Erwartungshaltung kann frische Gefühle ziemlich vergiften... Bringen tut es eh nichts. Wenn er wirklich nicht will, will er nicht. Da ändern Fragen und Forderungen auch nichts.
Mich hat das am Anfang sehr verunsichert, genauso wie dich. Ich war sauer. Irgendwann habe ich dann aber mal mein Ego ausgeschaltet und eingesehen, dass er eben auch mal 2 Tage Ruhe, fast schon Isolation, braucht. Manchmal auch mehr. Er kam immer wieder auf mich zu und alles war super, ich war froh, es nicht zu früh beleidigt weggeworfen zu haben. Ich habe auch viele Menschen kennengelernt, die auch so sind. Ich kann es jetzt verstehen und habe für mich auch Vorteile daran entdeckt, mich mal nicht melden zu müssen. Trotzdem liebe ich ihn.
Bitte fühl dich nicht unverstanden. Ich sehe das bei mir auch oft nicht so klar. Bzw. wenn ich gerade einen Anfall von Verlustangst habe, ist es schwer für mich, entsprechend zu reagieren, wie mein Kopf es mir sagt. Ich weiß es dann auch besser, aber frag ihn, ob alles ok ist. Und wenn ich zu oft frage, nervt ihn das. Und ich? Genau, ich denke dann Mimimi, wenn er mich lieben würde, dann würde er mich liebevoll beruhigen, statt sich von meinen Fragen belästigt zu fühlen! - so ist es aber nicht.
15.06.2019 19:02 •
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