Dann gelang es mir, durch ein Forum für Oralophobie, diese Angst komplett zu überwinden.
Wir haben dort gelernt, dass man bei extremer Angst dem Zahnarzt zuerst einen Brief schreibt, indem man offen die Ängste und Probleme schildert. Das habe ich getan. Daraus entstand ein wunderbares Vertrauensverhältnis und ich konnte regelmäßig zu meinem Zahnarzt gehen, hatte nie mehr Schmerzen oder Zahnarztangst und war stolz auf sehr schöne, gepflegte Zähne.
Nun hatte ich Mitte Januar einen schlimmen Unfall mit erheblichen Kopf und Nackenverletzungen.
Stark blutende Platzwunden am Kopf, beide Augen und Nase blau, alles geschwollen, von den weiteren Blessuren rede ich jetzt lieber nicht.
Exakt in dem Moment setzten heftige Zahnschmerzen am linken oberen Backenzahn ein, die Aufbeißen unmöglich machten, ich konnte nicht mehr richtig essen.
Und nun komme ich zum eigentlichen Thema:
1.Akt:
Ich komme mit dem total verschwollenen Gesicht zum Zahnarzt. Er ist sehr rücksichtsvoll und möchte eine weitere Behandlung aufgrund meines erbärmlichen Zustandes erst einmal aufschieben. Einen Zusammenhang mit dem Unfall schließt er aus. Zufall?
Allerdings fertigt er eine Röntgenaufnahme des betroffen Zahnes an.
Mit dem Ergebnis, dass zum Glück absolut keine krankhafte Veränderung zu sehen ist.
Ich selbst bin nicht ganz sicher, ob wirklich dieser Zahn die Schmerzen verursacht.
Da sich daneben aber nur eine Brücke befindet, sagt der Zahnarzt, wo kein Zahn ist, kann auch nichts wehtun.
Ich bin schon einmal froh, dass das Röntgen ohne Befund ist.
Sehr irritiert bin ich allerdings, dass er sagt, wenn der Schmerz in drei Wochen nicht verschwunden ist, wird eine Wurzelbehandlung notwendig.
Ich frage mich, aufgrund welcher Diagnose er das festmacht, bin aber zu geschwächt, um irgendwelche Fragen zu stellen.
2.Akt:
Drei Wochen später.
Zum Glück kann ich inzwischen wieder Autofahren und komme hoffnungsvoll in die Praxis.
Die Schmerzen sind unverändert.
Ich erleide regelmäßig abends stromschlagartige Schmerzen, die in Wellen verlaufen, es fühlt sich an, als würden glühende Nadeln hineingestochen.
An Essen war seit drei Wochen kaum zu denken, Pudding geht vielleicht noch.
Nun kommt der Hammer Nummer Eins.
Der Zahnarzt sagt: „Dann müssen wir doch einmal Röntgen.“
Ich erinnere ihn daran, dass dies bereits erfolgte, ohne Befund.
„Oh? Tatsächlich? Ach ja…“
Er schreitet zur Tat, genauer gesagt zur Wurzelbehandlung.
Nach einigen Spritzen zur Betäubung (müssen die eigentlich heute noch derart wehtun?)
beginnt er mit dem Aufbohren meiner teuren Keramikkrone.
Plötzlich stoppt er die Aktion.
„Der Zahn sieht viel zu gesund aus.“
Wundert mich nicht, da das Röntgenbild auch „gesund aussah“.
Er trägt ein Medikament auf, schließt das Loch, und sagt, er sei sehr zuversichtlich, dass es damit alles gut ist.
Ich selbst hoffe es inständig.
Ich soll in drei Wochen wiederkommen.
Der Schmerz bleibt unverändert.
Meine sozialen Kontakte leiden, da ich nicht mehr in Gesellschaft essen kann, weil ich teilweise vor Schmerz kurz aufschreie. Ich bin übrigens nicht zimperlich.
3.Akt:
29.3.23
Ich habe heute den nächsten Termin. Beim Zähneputzen bemerke ich, dass die Zahnseide unter der Brücke, wo ich den Schmerz zu spüren meinte, blutig ist. Dunkles, geronnenes Blut.
Ich spüle diese Stelle und kann den Schmerz damit richtig provozieren, aber in höchster Potenz.
Ich fahre also guten Mutes zum Zahnarzt, vielleicht muss mein Zahn nun doch nicht „getötet“ werden, vielleicht ist es nur das Zahnfleisch unter der Brücke, das meine Pein verursacht.
Zur Begrüßung giftet die Zahnarztfrau mich an, sie war immer schon ein kleiner Drachen.
Warum haben liebe Männer nur so oft so gallige Frauen?
Ich hatte mich, zugegeben im Termin vertan, aber sie war früher auch immer schnell reizbar und tendenziell unfreundlich.
Er bittet mich ins Sprechzimmer, ich versuche zu erklären, was ich festgestellt habe, die Zahnarztfrau fährt immer wieder aktenwedelnd und sichtbar gereizt dazwischen. Die Situation ist nicht konstruktiv.
Dann sitze ich auf dem Stuhl und er fragt, welcher Zahn denn wehtut. Wie bitte?
Er beginnt, sich um andere Zähne zu kümmern, die gar nicht betroffen sind.
Da mein Mund offen ist, komme ich nicht zu Wort.
Ich schaffe es aber, ihn auf den Zahn hinzuweisen, um den es geht.
„Ach, der tut weh? Ach, kuck an, da habe ich ja sogar schon dran gebohrt.“
Ich fühle mich zusehends unwohler, auch wenn eine Steigerung kaum möglich scheint.
Nun muss ich mir doch Gehör verschaffen.
Ich sage, dass ich eine Blutung unter der Brücke festgestellt habe. Und dass er bitte verstehen muss, dass ich aufgrund meiner statistischen Rest - Lebenserwartung noch einige Jahre mit einem wurzelbehandelten, sprich toten Zahn leben müsste und wenn das unnötig wäre, sei dieses wohl fatal.
„Ja, das blutet tatsächlich. Ich trage da jetzt ein Medikament mit Antibiose auf.“
„Kann der Schmerz auch durch das Zahnfleisch verursacht sein?“
„Ja, das ist möglich.“
„Kann es sein, dass es mit dem Unfall zusammenhängt?“
„Das kann ich nicht ausschließen.“
„Kann es sein, dass der andere Zahn gar nichts hat?“
„Das müssen wir abwarten, kommen sie nächste Woche wieder.“
Wieder in der Annahme habe ich das Vergnügen mit der dünnhäutigen, missgelaunten Zahnarztfrau, die ihre Ablehnung und unterschwellige Aggression mir gegenüber nur mühsam unterdrücken kann.
Es geht um die Terminvergabe und das Gespräch ist einfach nur herablassend und unerfreulich.
Ich meine, selbst wenn ein Patient Fehler macht, bleibt er ein zahlender Kunde und hat zumindest höflich behandelt zu werden.
Ich weiß nicht, ob ich dort jemals wieder hingehen möchte.
Nicht nur wegen der unprofessionellen Zahnarztfrau.
Aber mein Vertrauen in die medizinische Kompetenz ist zerstört.
Hätte ich nicht so eine Durchsetzungsstärke, hätte er einen Zahn abgetötet, der vielleicht gar nichts hat. Dass meine teure Krone nun ein Loch hat steht auf einem anderen Blatt.
Aber auch eine weitere Begegnung mit der unfreundlichen Frau ist mir unvorstellbar.
In eine Arztpraxis kommen Menschen mit Schmerzen und mit Angst!
Da erwarte ich einen professionellen und freundlichen Umgang, auch wenn man als Mitarbeiter nicht gut drauf ist oder der Patient einem nicht sympathisch ist.
Erwarte ich Zuviel?
Im übrigen bemerke ich, dass der ehemals wunderbare Zahnarzt sich sehr verändert hat.
Er wirkt fahrig, unkonzentriert und vor allem unvorbereitet.
Nicht ausgeschlossen, dass es mit der stressgeladenen, negativen Stimmung durch die Frau zusammenhängt.
Ich möchte dort also eher nicht mehr hingehen, mein Gefühl ist ganz, ganz schlecht.
Vor einem fremden Zahnarzt, den ich mir suchen müsste, habe ich natürlich wieder neue Angst.
Danke für das geduldige Lesen meines langen Dramas.
31.03.2023 10:07 • • 07.04.2023 x 6 #1