Zitat von CarpeDiem:Doch wenn es so einfach wäre einfach nicht darüber nachzudenken und Grübeln dann wären wohl die meisten augenblicklich geheilt
Genau darum geht es aber unterm Strich. Und nein: EINFACH ist es nicht. Im Gegenteil: Es ist viel mühsamer, Denkmuster zu verändern, als den gewohnten zu folgen. Je länger man ihnen nachgegeben hat, umso schwerer ist ist, weil das Gehirn ausgebaute Datenautobahnen liebt.
Zitat von CarpeDiem:Der Schlüssel um die Ängste zu besiegen ist die Akzeptanz des Restrisikos. Leider ist eben diese Akzeptanz gerade in den Situationen undenkbar. Denn dann würde man auch die Konsequenzen aus dem Restrisiko akzeptieren müssen und das ist bei den meisten der Tod und somit keine Option auf die man es ankommen lassen möchte.
Aber das muss man doch, solange man lebt. Der Tod steht mit dem Augenblick der Geburt fest. Es ist niemals die Frage, ob man das Sterben verhindern kann, weil das nicht möglich ist. In unserem Körper entarten jeden Tag Zellen, die in den meisten Fällen von der körpereigenen Abwehr repariert werden können. In manchen aber nicht und dann entwickeln wir Krebs.
Wie soll das durch Angst und Ärzteshopping zu kontrollieren sein? Zudem leben viele - wie auch ich - völlig schizophren, indem sie zwar eine irre Angst vor bestimmten Krankheiten und dem Tod entwickeln, aber gleichzeitig alles dafür tun, dass sich ihre Befürchtungen bewahrheiten:
Sich Übergewicht anfuttern, Müll essen und trinken, rauchen, Bewegung vermeiden, berauschende Substanzen konsumieren. Diese Dinge machen krank. Sie verursachen Herzkrankheiten, Herztod, Magen- und Darmprobleme, Dauerschwindel und Krebs. Nachgewiesenermaßen.
Erstaunlicherweise gelingt es den meisten aber, ihren eigenen Anteil elegant auszublenden. Da ist man dann großzügig bereit, das von einem selbst erzeugte tatsächliche Risiko zu ignorieren, weil es einem zu mühsam ist, sein Verhalten zu verändern. Und nicht nur das: Man schafft es sogar, diese Dinge als *Lebensqualität* zu deklarieren, die das einzige Gegengewicht zur Angst vor dem Tod sind.
Stattdessen rennt man lieber zum Arzt, lässt sich als organisch gesunder Mensch Medikamente verordnen, die für Kranke gedacht sind und konstruiert sich seine persönliche Scheinsicherheit zurecht, indem man sich dauernd beruhigen lässt.
Mit der Idee von gesund Werden hat das nichts zu tun. Nur mit der Idee von Kontrolle über etwas, was man nicht kontrollieren kann und an den Stellen, an denen man selbst echten Einfluss nehmen könnte, nicht will.
Das Leben besteht aus permanenten Herausforderungen. Man kann sich ihnen stellen oder vor ihnen wegrennen. Und wenn es einen Punkt gibt, an dem sich Wege unterschiedlich schwer gestalten, dann in den Voraussetzungen, die Menschen mitbringen, mit Herausforderungen zurechtzukommen. Deswegen geht es in der Angstbewältigung auch nie um Schuld oder Unschuld. Und deswegen ist auch Selbstmitleid nicht dienlich, denn der einzige Mensch, der einen retten kann, ist man selbst.
Die zum Teil abstrusen Beruhigungsversuche, die hier so beliebt sind und gerade von Hypochondern ständig eingefordert werden, sind objektiv betrachtet brandgefährlich. Kein Mensch kann beurteilen, ob die beschriebene Symptomatik nicht doch Anzeichen einer gefährlichen Situation sind.
Wir reden also immer nur von Wahrscheinlichkeiten und eigenen Erfahrungen. Erstaunlicherweise sind die meisten bereit, das nach wie vor unverändert bestehende *Restrisiko* dabei in Kauf zu nehmen. Wenn zwei medizinische Laien sagen *Das kenn ich, das ist harmlos* genügt das der Beruhigung.
Man konstruiert Scheinsicherheit. Und die dient kein bisschen der Heilung oder der Gesundheit oder dem Überleben. Sie erfüllt aber u.a. das Bedürfnis nach Zuwendung, Aufmerksamkeit und Verständnis. Und hilft der Angst beim Bleiben.