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Hallo und Guten Abend miteinander!

Nach ewiglicher Suche im Net bin ich nun auf dieses Forum gestoßen und ich freue mich schon über regen Austausch mit euch.
Ich bin 32, stehe mitten im Leben, habe zwei Kinder, bin verheiratet und ich bin mit meinem Leben zufrieden. Ich bin nicht unglücklich, sondern liebe mein Leben, meine Ehe, meine Kinder, meine Freunde, meinen Beruf. Es könnte doch alles perfekt sein...

Könnte... wäre da nicht...

Bis zum Jahr 2008 hatte ich ein turbulentes Leben, viele Auf und Ab`s. Doch alles im Vertrauen auf mich selbst, mein Umfeld irgendwie gut gemeistert. Ich habe mich viel mit Religion, mit Bewusstsein, mit Spiritualität beschäftigt und war lange überzeugt, dass es einen Gott gibt und wir alle nach unserem Tod irgendwo glücklich im Universum als reiner Gedanke und reines Bewusstsein herum cruisen, irgendwann mal wiedergeboren werden oder auch nicht, weil wir fertig sind mit all den Missionen und Erfahrungen und Aufgaben die es zu bewältigen gilt, Zeit dieses Lebens und auch der noch folgenden usw. usf.

Doch dann änderte sich an einem Tag plötzlich alles - und zwar ziemlich dramatisch.
Ich war kurz vor der Entbindung meiner 2. Tochter, bereits im Spital, lag seit einigen Stunden in den Wehen und war erschöpft und fertig. Die erste Geburt war eine spontane Geburt und es ging alles sehr rasch und wie es nun mal sein sollte bei einer Geburt. Doch diesmal wollte das kleine Mäuschen einfach nicht raus. Sie weigerte sich und ganz gleich, wie sehr sie im Spital versuchten die Geburt voran zu treiben, es klappte einfach nicht. Schließlich nach weiteren Stunden befanden sowohl meine kleine Tochter als auch ich mich in Lebensgefahr und man ordnete einen Kaiserschnitt an. Ich war völlig von der Rolle. Ich habe mich die ganzen 9 Monate in der Schwangerschaft niemals mit dem Gedanken auseinander gesetzt, mir könne ein Kaiserschnitt passieren. Ich war sogar so überheblich zu denken, sowas machen nur Stars, wenns grad in den Terminplan passt. Und ich sei jung, ein Kind kommt doch logisch da raus, wo es nun mal raus muss. Aber doch nicht durch die Bauchdecke.

Während ich also auf den Eingriff vorbereitet wurde (medizinisch) und mit Armen und Beinen an ein Bett gefesselt wurde und mein Unterleib plötzlich ab dem Bauch abwärts vollkommen von meinem restlichen Bewusstsein getrennt wurde, geschah etwas merkwürdiges. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Todesangst. Ich war bei Bewusstsein, denn der Kaiserschnitt wurde nur mit Kreuzstich durchgeführt und ich bekam alles mit. Wie Ärzte mein Kind rausfummelten, wie sie mich wieder zunähten, wie die Anästhesistin an meiner Kopfseite stand und überwachte ob ich wach bliebe oder das Bewusstsein verlor. Ich hatte Angst mich zu übergeben, die Narkose war irgendwie stark, doch ich versuchte mit allen Mitteln wach zu bleiben, bloß nicht einzuschlafen und in diesen seltsamen, traumartigen Zustand zu fallen.

Ich behielt immer eine Uhr im Auge, die an einer Wand vor mir angebracht war. Irgendwann nach zwei Stunden wurde ich endlich raus gerollt und auf eine Überwachungsstation geschoben. Dort verging eine weitere Stunde, bis man mir endlich mein Kind brachte. Ich hatte es zu dem Zeitpunkt nicht gesehen und nicht gehört. Ich war noch immer panisch, weil ich mich nun nicht mehr bewegen konnte, nicht aufstehen konnte und kaum eine Stimme hatte. Sondern nur flüstern konnte. ich drückte so oft den Rufknopf der Schwester, doch dreimal kam sie und sagte mir, sie sei allein auf der Station und es würde noch ein wenig dauern, bis man mir das ind brachte.

Als ich irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen war, wurde ich danach von meinem Mann geweckt. Er stand mit unserem Baby im Arm da und legte es mir auf die Brust. Ich empfand nichts. Da war nichts. Ich sah es an und fragte mich, ob dies mein (unser) Kind sei. Ich wunderte mich darüber, dass das Kind hässlich war. Ich fragte, ob sie es vertauscht hätten, ob er beobachtet hätte, ob dies unser Kind sei.
Ich konnte nichts mehr begreifen. Es waren keine Gefühle da, keine Endorphine die freigesetzt gewesen wären - da war nur Leere und Schmerz. Und die Angst einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen.

Das alles ist nun etwa 5 Jahre her. Ich habe mich lange mit diesem traumatischen Erlebnis auseinander gesetzt. Irgendwann bin ich dann natürlich ach zu dem Schluss gekommen, dass alles so kam, wie es kommen musste. Dass ich mein Kind natürlich trotzdem und aucch gerade deswegen sehr liebe und ich habe verziehen. Also mir verziehen. Mir meine Überheblichkeit verziehen und verstanden, dass es Dinge gibt, die sich meiner Kontrolle und meinem bewussten Willen einfach entziehen.

Letztlich ist die Angst vor dem Tod geblieben. Jeden Abend holt sie mich erneut ein. Es ist ein Gefühl der Ohnmacht, die einzige Angst, der man sich zu Lebzeiten wohl nicht stellen kann. Auch Berichte und Bücher über Nahtoderfahrungen haben nichts geändert, mich weder besänftigt noch entspannter gemacht. Im Gegenteil. Es ist wie ein schwerer Vorhang der dann fällt, wenn ich am Einschlafen bin, ich frage mich, was wohl danach kommt? Nach dem Leben? Kann Bewusstsein unabhängig vom Körper existieren? Oder kann Bewusstsein denn überhaupt je aufhören zu existieren? Ist man nach dem Tod alleine? Alleine im Universum? Fragen die sich jetzt eben nicht beantworten lassen. Vielleicht auch weil die Wissenschaft noch nicht weit genug ist um Antworten zu liefern..

Ich suche hier also in dem Forum nach Leuten, die ähnliche Gedanken haben, die sich gerne mit mir austauschen möchten. Vielleicht auch ein bisschen Verständnis haben für diese, meine Angst.

Mir helfen keine biblischen, religiösen Anischten. Es sagt nichts aus. Es tröstet nicht.
Natürlich hat sich zu meiner Sterbensangst auch noch so anderes dazu gesellt. Flugangst, Angst vor fremden Menschen, Angst vor Ärzten, Angst vor tiefen Gewässern, Angst vor Aufzügen,... alles das sich womöglich meiner Kontrollsucht (die ich stereotyp entwickelt habe) entzieht.

In diesem Sinne, freue ich mich euch bald kennen zu lernen.

LG Azrael

29.10.2012 19:05 • 31.10.2012 #1


3 Antworten ↓


Zitat von Azrael:
Das alles ist nun etwa 5 Jahre her. Ich habe mich lange mit diesem tramatischen Erlebnis auseinander gesetzt. Irgendwann bin ich dann natürlich ach zu dem Schluss gekommen, dass alles so kam, wie es kommen musste. Dass ich mein Kind natürlich trotzdem und aucch gerade deswegen sehr liebe und ich habe verziehen. Also mir verziehen. Mir meine Überheblichkeit verziehen und verstanden, dass es Dinge gibt, die sich meiner Kontrolle und meinem bewussten Willen einfach entziehen.


Du schreibst auseinandergesetzt.

Darf ich fragen, wie genau?

Für Dich selber oder mit Hilfe eines Therapeuten?

Denn wie Du schon schreibst, scheint es wohl ein Trauma zu sein, was da geblieben ist.

Zitat von Azrael:
Natürlich hat sich zu meiner Sterbensangst auch noch so anderes dazu gesellt. Flugangst, Angst vor fremden Menschen, Angst vor Ärzten, Angst vor tiefen Gewässern, Angst vor Aufzügen,... alles das sich womöglich meiner Kontrollsucht (die ich stereotyp entwickelt habe) entzieht.

Ok, dann mag die Geburt mit Kaiserschnitt vielleicht ein Auslöser gewesen sein, für Ängste, die sowieso schon länger in Dir schlummerten?

Ich finde Deine Geschichte relativ spannend. Verstehe mich richtig, mir ist klar, dass das für Dich schlimm ist, aber die Wahrnehmungen und was daraus entsteht bzw. entstanden ist, ist ja schon interessant.

Mich würde interessieren ob Du Gedanken wie ausgeliefert sein hattest während der OP? Ich versuche gerade mal nachzufühlen, wie es für mich wäre, wenn man mich an Beinen und Armen fesseln und aufschneiden würde. Natürlich ist das OP-Team da und kognitiv weiss man, dass das nur eine Geburt ist, aber was macht das Nervensystem und die Psyche daraus?

Das könnte schon in die Richtung lebensbedrohlich gehen.

A


Nach Kaiserschnitt Angst zu sterben

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Hallo Azrael,

ich habe deine Geschichte gelesen und habe Gänsehaut bekommen.

Es tut mir leid das du so eine traumatische Erfahrung hattest, ich denke ich kann ganz gut nachempfinden wie es dir geht.

Todesangst hatte ich auch, ebenfalls beim Kaiserschnitt, ich erzähle auch ein bisschen:

Es war der Geburt von meinem Sohn vor ziemlich genau 3 Jahren, nach 22 Stunden Wehen - der kleine wollte sich überhaupt nicht im Geburtskanal drehen, er ist dann steckengeblieben. Also Notkaiserschnitt. Ich war vollkommen erschöpft, und hatte mich schon während der Schwangerschaft mit dem Gedanken gespielt das evtl. ein Kaiserschnitt sein müsste (da meine Mutter mich und meine 3 Geschwister per Kaiserschnitt zur Welt bringen musste). Trotzdem hatte ich Angst wo es dann soweit war.
Naja - ich wurde ins OP Saal gerollt, und der Anastäsist kam, hat mir was vorgelesen von Komplikationen die auftreten könnten bla bla habe ich dann unterschrieben (hab nicht alles mitbekommen, hatte sehr starke wehen).
Dann kam die Spritze - die nur von der Hüfte runter betäuben sollte. Tja - wenn es so wäre. Der Anastäsist hat leider zu Tief gestochen und ins falsche Kanal gespritzt. Ziemlich schnell kribbelte bei mir alles, meine Beine wurden taub, dann war meine Brust komisch am kribbeln, und vom Kopf her fühle ich mich unglaublich komisch. Ich habe versucht die Leute im Saal zu erklären das etwas nicht stimmt, aber sie haben gesagt das es normal ist. Dann waren meine Arme taub, meine Brust war taub, ich konnte nicht mehr spüren ob ich atme oder nicht, es war alles komplett taub, ich habe glaube ich geschrien (versucht zumindest). Da meine Arme nirgens drangebunden waren (es war noch keiner bereit für den Kaiserschnitt - die Narkose sollte ja nicht so schnell wirken), fielen sie runter - ich habe dann nur noch versucht mich ans Atmen zu konzentrieren, obwohl ich keine ahnung hatte, ob ich eingeatmet habe oder aus - überhaupt keinen Gefühl fürs Atmen. Naja - dann haben sie wohl gemerkt das was nicht stimmt. Schnell ranten sie alle zu mir - eine Frau rief nur noch laut Wo ist der Kinderarzt - wir brauchen sofort den Kinderarzt! und ich merkte dann wie sie an meine Bauchdecke geschnitten haben. Kurz bevor ich das Bewusstsein komplett verloren habe, dachte ich wirklich das ich sterbe. Ich habe nur gedacht das ich mein Sohn (wenn er überhaupt überlebt) niemals kennenlernen würde. Und ich hoffte das mein Mann alles verkraften konnte. Ich habe das Bewusstsein verloren, in dem glauben das ich gerade gestorben war.

Ich bin kurz wach geworden wo sie mich vom OP Tisch zum Bett gewechselt haben. Ich habe die Leuten um mich herum gefragt ob ich lebe. Ich war auch sofort wieder weggetreten.

2 1/2 Stunden nachdem ich in den OP Saal gerollt wurde bin ich wieder im Kreissaal wach geworden, ich habe nach links geschaut und habe die Hebamme gesehen die am schreiben war am Tisch. Kein Baby? Wo war mein Sohn? Ich habe dann nach Rechts geschaut, und mein Mann stand neben meinem Bett, mit einem bündelchen in einem Handtuch aufm Arm. Dieser Moment war der schönste meines Lebens. Er hat mir dann meinem Sohn in die Arme gelegt - überall hingen kabelchen aus seinem kleinen Strampler. Ich habe die Hebamme gefragt was passiert ist, und die Narkose ist hochgestiegen. Der kleine hat die komplette Narkose mitbekommen. (Im nachhinein habe ich erfahren durch den OP Bericht, das er zur Welt gekommen ist mit Apgar Zahl 1 ) aber mein kleiner Kämpfer hat es geschafft.

Er war noch 3 Tage auf der Intensivstation (leider konnte ich ihn nicht oft besuchen, da ich vor lauter Kopfschmerzen noch nicht mal mein Kopf heben konnte).

Nach 1 1/2 Wochen wurde ich entlassen, und ich muss sagen das ich mich kaum noch an die ersten 3 - 4 Wochen erinnern kann.

Es ist schon 3 Jahre her, und die Tränen kullern mir die Wangen runter, und die Luft bleibt mir weg wenn ich daran denke.

Auf jedenfall bist nicht allein, ich habe jetzt auch schreckliche Angst vor dem Tod und leide nun an eine generalisierte Angststörung / Depression.

Wenn du magst kannst du mir gerne eine PN schreiben. Wir können uns gerne austauschen.

Ganz liebe Grüße,
Beena

Du hattest ein traumatisches Erlebnis welches du innerhalb der letzten 5 Jahre nicht alleine verarbeiten konntest. Jetzt solltest du dir Hilfe holen, damit diese Ängste nicht chronisch wird und du wieder befreiter leben kannst. Du kannst das mit Therapeut gut überwinden, oder mit Hilfe einer Selbsthilfegruppe. Es werden vermutlich nicht mal viele Stunden nötig sein, da ja alles gut ausgegangen ist.





Prof. Dr. Heuser-Collier
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