nach einer längeren Phase des Einbruchs habe ich mich nun dazu entschlossen, mich hier anzumelden und meine Geschichte loszuweden. Einfach als Ventil, um meinen aktuellen Zustand besser ertragen zu können. Ich werde vllt. etwas weiter ausholen, der Text wird daher womöglich etwas länger., vllt. ein kleiner Roman..danke schon mal an alle hier, die sich die Mühe machen und das lesen werden.
Aber vllt. gibt es ja auch einige unter euch, die das gerne als Abendlektüre lesen. Denen Wünsch ich viel Spass . Im Endeffekt ist es eig. auch gar nicht so wichtig, ob es jemand ließt, es reicht schon, mir das ganze einfach mal von der Brust schreiben zu können.
Nun gut, genug Vorgeplänkel, dann fang ich mal an.
Ich bin 22 (werde diesen Monat 23) Jahre alt, bin männlich und studiere Psychologie (jap, auch uns Psychologen kann es leider Gottes treffen ) und stehe kurz vor meinem Bachelorabschluss.
Bisher war ich eig. relativ glücklich mit meinem Leben (zumind. war ich bis zum Beginn meiner Misere der Meinung). Zumind. habe ich im Alltag funktioniert, war die meiste Zeit Energiegeladen und konnte meinen Pflichten gerecht werden. 8 Uhr aufstehen, bis 16Uhr Uni, dann von 17 bis 21 Uhr arbeiten und anschließen noch ins Fitnesstudio und trainieren gehen? Gar kein Problem, zumind. bis vor 3 Monaten.
Seit dem bin ich froh, wenn ich noch das Nötigste für die Uni auf die Reihe bekomme.
Wie schon zu Beginn erwähnt, fing alles vor 3 Monaten an (obwohl ich mir mittlerweile nicht mehr sicher bin, ob es nicht schon viel früher angefangen hat und ich es einfach viel zu lange ignoriert habe, weil es noch nicht so schlimm war). Ich war mitten in einer intensiven Prüfungsphase. Mein Alltag war wie oben beschrieben, nur dass ich mich Abends nach der Arbeit noch für 2-3 hinsetze und lernte und dann meistens noch 1-2 Stunden an meiner Playstation zockte (so bis 2-3 Uhr Nachts). Dem entsprechend war natürlich auch mein Schlaf unzureichend, wenn ich am nächsten morgen um 8 aufstehen musste. Naja, hab dann halt am nächsten Morgen mir eine ordentliche Tasse Saft mit Guarana (eine koffeinhaltige Pflanze wie Kaffee, nur deutlich potenter) reingehauen und hab weitergemacht. Ging ja bisher auch immer so. Bis es dann irgendwann halt nicht mehr.
Kurz vor dem eig. Prüfungstermin fing es dann an. Ich hatte immer wieder ein Benommenheitsgefühl, war total benebelt. Konnte nicht klar denken. Mein Konzentrationsvermögen war auf das eines 3 Jährigen zurückgegangen. Mein Gedächtnis hatte aussetzer (ich bin so schusselig geworden, vergaß meine Bank-pin, wo ich geparkt habe und vieles mehr). Einfache logische Aufgaben zu bewätigen, fühlte sich an wie die Relativitätstheorie zu verstehen. Meine Augen und mein Kopf standen permanent unter einem Druckgefühl. Meine Schulter, Nacken, Kiefer waren immens verspannt. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand die Energie aus dem Kopf gesaugt und die Lebensfreude genommen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mir nicht viel draus gemacht, dachte es würde schon wieder weggehen, vllt. am vielen Koffeeinkonsum und Schlafentzug liegen und hab weiter durchgepowered bis die Prüfung rum war.
Ich hatte darauf 3 Wochen Ferien von der Uni. Hatte nicht viel zutun (wovon ich eig. dachte, dass es mir gut tun würde) und bin dann aber in ein richtig tiefes Loch gefallen. Meine Beschwerden schienen sich weiter zu verschlimmer, ich lag teilweise wie ein Zombie auf der Couch und wollte nichts mehr tun. Nichts hat mir mehr Freude bereitet. Ich war emotional total verflacht (wozu man sagen muss, dass ich nie der emotionalste Mensch war). Alles fühlte sich schwer an, als würde die Schwerkraft 10x stark auf mich einwirken. Selbst mein Sport, der bisher immer Erleichterung und Entspannung verschaffte, erschöpfte mich nur noch mehr.
Ab da fing ich an intesiv Dr. Google nach möglichen Ursachen zu befragen. Was sich als dumme Idee herausstellte. Ab da fing die Krankheitsangst erst richtig an.
Von MS, über Morbus Wilson, Schizophrenie und diverse weitere psychische Erkrankungen, zu weiteren unheilbaren Hirnorganischen Störungen bis hin zu meiner aktuellen Krankheitsangst: ALS (dazu später mehr).
Ich saß stundenlang am Handy, PC und versuchte per Dr. Google herauszufinden, was mit mir nicht stimmte.
Ich fing natürlich an bei einigen Ärzten vorstellig zu werden. Aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass die Versorgungslage in unserem Gesundheitssystem echt mehr als ernüchternd ist. Die Ärzte, bei denen man schnell einen Termin bekommt, interessieren sich nicht/haben keine Ahnung und schicken einen nach 3 Minuten mit einer Kombination aus Gefühlt 10 Medikamenten wieder nachhause und bei den Anderen bekommt man Termine erst in 3-6! Monaten.
Da ich nebenberuflich in einem medizinischen Labor tätig bin, hatte ich praktischerweise Zugriff auf 90% der im 21. Jahundert möglichen Blutdiagnostik und konnte mir schon mal selbst einen Überblick verschaffen, was nicht stimmen könnte (durch Studium und Job kenne ich mich ein wenig damit aus). Bis auf einen Blutwert, der auf eine genetische Krankheit (Morbus Wilson) hindeutet, aber keine sichere Diagnose liefert (Ich bin zur Zeit bei einem Spezialisten,was diese Krankheit angeht, in der diagnostischen Abklärung. Er geht aber davon aus, dass ich die Krankheit nicht habe, sondern nur Genträger bin. Aber natürlich kann er das nicht mit 100%er Sicherheit sagen), war alles top. Keine Auffälligkeiten. Der Hausarzt meines Vertrauens konnte mir nicht weiterhelfen.
Ich ging zu einem Neurologen, der machte ein MRT vom Kopf, ohne Befund. EEG ohne Befund. Schickte mich ohne Diagnose nachhause mit der Empfehlung Psychotherapeutische Beratung in Anspruch zu nehmen.
Da mir keiner meiner bisherigen Ärzte auch nur einen Anhaltspunkt geben konnte, was nicht mit mir stimmt, fing mein Hirn an sich immer neue Geschichte auszudenken.
Was wenn es doch Krankheit XY ist, der Arzt es übersehen hat/ sich nicht damit auskennt. Es irgendeine seltene/unbekannte Krankheit ist, die zu meinen Symptomen führt und ich nie wieder gesund werde?Ich als psychisch Kranker abgestempelt werde, das Problem aber eig. irgendwo organisch sitzt und nicht gefunden wird.
Mein Schlafverhalten verschlechterte sich. Wenn ich nicht völlig erschöpft irgendwann mitten in der Nacht (meisten 3,4 oder 5 Uhr morgens) ins Bett fiel (was mir komischerweise einen einigermaßen guten Schlaf verschaffte), wachte ich Mitten in der Nacht völlig verwirrt und panisch auf (ich dachte ich werde verrückt, mein nacken schmerzte immens). Einschlafprobleme hatte/habe ich interessanterweise nie.
An den darauffolgenden Tagen war die Benommenheit besonders schlimm. Ich brauche nach dem aufwachen bestimmt noch einmal 1-2 Stunden, um überhaupt die Motivation zu finden aus dem Bett zu steigen. Permanent der Gedanke im Kopf: ich werde den ganze Tag sein wie ein Zombie, keine Freude, kein Spass, benebelt und muss das ertragen, lieber noch im Bett bleiben und schlafen, wo das ganz einigermaßen erträglich ist.
Ich machte eine Achterbahn fahrt aus mal besseren Tagen und mal schlechteren Tagen mit (weg waren die Probleme nie, aber zumind. nicht konstant unterirdisch).Für die Uni machte ich nur das nötigste, zum Sport ging ich bald gar nicht mehr, ich meide vieles was mir früher Spass gemacht hat aus der Angst, dass ich es nicht mehr kann - geistig zu dumm, körperlich zu schwach (so meine Überzeugung). Ich hatte das Vertrauen in mich selbst verloren und ich konnte den Gedanken, daran erinnert zu werden, nicht ertragen.
Zufällig stieß ich vor kurzem auf einen Bericht zu juveniler ALS. Für alle die nicht wissen was ALS ist und unter Krankheitsangst leiden, googlet es lieber nicht . Daraufhin bemerkte ich diverse Symptome, die auf diese Krankheit hindeuteten und steigerte mich so rein, dass sich mein angsterfülltes Gehirn schon selbst davon überzeugt hatte, dass ich ALS habe. Ich meine, ich bemerkte die Symptome, was konnte es auch anderes sein? und lebte tatsächlich eine Zeit lang mit der Einstellung ALS zu haben (ohne jegliche Diagnose eines Arztes). Das umreißt meine Geschichte der letzen 3 Monate ganz grob. Wahrscheinlich hab ich einiges vergessen. Aber der Text ist sowieso schon lang genug.
Nun zu meinem aktuellen Zustand:
Bestehen meine Probleme weiterhin? Ja, leider tun Sie das. Ich bin immer noch benebelt, bin kognitiv weit von dem entfernt, was ich vorher war. Emotional deutlich verflacht. Freunde empfinde ich praktisch gar nicht. Ich bin Emotional wie abgekopplet, nur hin und wieder drücken sich ein paar Tränen aus mir aus. Manchmal zu völlig unpassenden Zeitpunkten. Ich höre irgendeine emotionale Musik und mir fließen die Tränen. Aber wenn ich irgendein tragisches Schicksal aus meine Bekanntenkreis erfahre, rührt sich in mir nichts.
Allerdings habe ich mich aber ein bisschen besser damit arrangiert. Durch viel Selbstreflektion habe ich mir versucht eine (für mich) plausible Erklärung für meinen aktuellen Zustand zurecht zu legen (die keine seltene, unheilbare und lähmende Krankheit beinhaltet . Schließlich kann ich nicht jede seltene Krankheit auf einmal haben. ).
Die Erklärung sieht wie folgt aus: Durch den über Jahre anhaltenden permanenten Stress, verdrängte Zukunftsängste, Anfälligkeit für Krankheitsängste (ich hatte schon vor einigen Jahren, mehrmals, ohne es damals als Krankheitsangst zu bemerken, solche Ängste. Als ich 15 war, hatte ich Textbuch Panikattacken und Angst einen Herzinfarkt zu bekommen. Mit 20, als ich meine Arbeit im Labor begann, fing ich plötzlich an mir einzureden, dass ich mich nicht richtig desinfiziert hatte und war der felsenfesten Überzeugung mich mit HIV angesteckt zu haben. Kurz darauf fing ich natürlich an Symptome zu bemerken.), meinen übermäßigen Konsum von P.(ja richtig gelesen....P.! Bis vor kurzem hätte ich das niemals als Faktor in Betracht gezogen, allerdings habe ich vor kurzen eine sehr spannende Seite,yourbrainonporn.com, gefunden, wo die Auswirkungen von permanentem P. auf die Hirnchemie beschrieben werden. Darunter das unvermögen Freude zu empfinden. Praktisch keine Libido mehr, was bei mir leider auch der Fall ist und kein Interesse mehr an echten Frauen) gekoppelt mit weiteren ungünstigen biografischen (psychisch labile Mutter mit manisch-depressivem Freund) und Persönlichkeitsfaktoren (Emotionale Probleme, Introversion, Krankheitsängstlich etc.) dazu geführt hat, dass ich mir dermaßen meine Hirnchemie kaputt gemacht habe auf Dauer, dass ich mich jetzt eben in diesem Zustand (der Angst und Depression) befinde. Vllt. wird sich mein Hirn irgendwann wieder von alleine erholen, Vllt. kann mir ein Psychotherapeut helfen (Bei dem ich Anfang Juli einen Termin habe), Vllt. wird doch noch eine organische Krankheit gefunden (Ich habe noch weitere Arzttermine, um weitere Möglichkeiten auszuschließen), Vllt. wird nie etwas gefunden ich werde mit diesem Zustand leben müssen.
An manchen Tagen kann ich mich gut von meiner Erklärung überzeugen und mit diesen ganzen Unsicherheiten leben und mich ablenken. An manchen Tagen verfalle ich wieder in ein tiefes Loch aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung (aber diese Tage werden weniger!).
Ich fange an es besser zu akzeptieren. Das sind nunmal die Karten, die mir das Leben (und ich mir selbst) zugeteilt hat und ich muss das beste draus machen. Auch wenn es immens frustrierend ist, zu sehen, wie viele gleichaltrige vor Freunde, Energie und Spass am Leben trotzen und ich mit jedem Tag kämpfen muss, bin ich nicht gewillt aufzugeben.
Ich möchte weiterhin meine akademische Karriere verfolgen (vllt. nicht mehr so zielstrebig wie bisher), ich möchte wieder meinen Sport machen und wieder Freunde im Leben finden. Auch wenn es immens anstregend ist, alleine diese Zuverischt aufrecht zu erhalten und es mir an manchen Tagen nicht gelingen mag. Wie sagte Friedrisch Schiller: Wer nichts waget, der darf nichts hoffen!
Das einzig Gute an dem ganze schlamassel ist, dass ich endlich mal Anfange über meinen bisherigen Lebensstil zu reflektieren. Vllt. war einiges doch nicht so gesund und normal , wie ich es bisher gedacht habe. Vllt. schaff ich es doch mal meine Probleme aufzuarbeiten.
So, das wars erstmal soweit von mir. An alle, die es bis ganz nach unten geschafft haben...ein großes Lob und Danke.
Es ist einfach immer hilfreich seine Gedanken einfach mal in Schriftform niederzurbringen. Und vllt. finde ich ja noch ein paar Gleichgesinnte oder eher Gleichgeplagte .
Falls ihr Meinungen, Anregungen, Idee oder sonst irgendwas zu meinem Beitrag zu sagen habt, gerne raus damit. Ich bin über jede Konversation dankbar.
Ich wünsche euch einen schönen und hoffentlich erfüllten Tag!
PS: Bitte seht mir Rechtschreibfehler nach.
12.06.2018 17:46 • • 13.06.2018 #1