@Huhu1980
Ich fühle das zu 100% was du da beschreibst. Sowas wie Angststörungen/Angstzustände können fast nur andere Analfissur-Patienten nachvollziehen. Ich habe immer zu meiner Frau gesagt das kann nur jemand verstehen der das gleiche Problem hat oder hatte.
Gerade weil Ärzte sich bei dem Thema zum Teil gravierend unterschiedliche Meinungen haben, steigt schnell die Verunsicherung und ein Gefühl von Hilflosigkeit und Einsamkeit.
Gut, dann versuche ich dir mal aufgrund meiner Erfahrungen zu helfen.
Für ein besseres Verständnis möchte ich dir kurz meinen Krankheitsverlauf schildern:
Meine Analfissur Reise begann mit einem triple choclate cake, den ich fast im Alleingang verputzt habe. Nie werde ich den abendlichen Stuhlgang vergessen, an dem ich gedrückt und gedrückt habe, es aber einfach zu gross und zu voluminös war um es raus zu bekommen. Hilft ja nix, irgendwann habe ich es geschafft, eine Kloschüssel voller Blut ließ aber nicht gutes verheißen.
Die nächsten 2 Wochen war der blanke Horror. Schmerzen 10/10. Als die Schmerzen langsam nach ließen stand auch schon der nächste Toilettengang an, und das ganze spielchen ging wieder von vorne los. Ein Teufelskreis. Durch den Schmerz krampft der Anus, was ein abheilen der Wunde (Fissur) verhindert. Erst nachdem ich 2 Tage KOMPLETT auf Nahrung verzichtet habe und so 2 Tage Stuhlgang vermieden habe, verschwand der Schmerz. Glück gehabt... von wegen! Ungefähr 1 Monat später, bisschen dickerer Stuhlgang und der Schmerz war wieder da, dieses Mal aber so 8/10. Zumindest konnte ich mich mit Schmerzen bewegen. Die nächsten Monate waren ein auf und ab. Mal hatte ich gute Phasen wo ich keinerlei Schmerz verspürte, dann Phasen in denen ich teilweise nicht mal gehen konnte.
Irgendwann konnte ich es nicht mehr ignorieren und Termin beim Hausarzt gemacht. Dieser sagte mir sofort nichts machen! Versuchen in den Akutphasen mit Schmerzsalben zu behandeln. Der hatte früher im Krankenhaus gearbeitet und er meinte das Leute die sich dara operieren lassen haben, richtig am Ar. waren. Es ist nun mal eine ganz ganz sensible Stelle, wo eine Wundheilung extrem schwer ist, da es einfach unhygienisch ist und täglich was da durch muss.
Aber gut , hab ihm geglaubt und so weiter gemacht. 2 Jahre lang! Ein auf und ab. Immer wieder Phasen von Schmerzen in denen ich nicht zur Arbeit konnte, Freunden absagen musste usw. Nachdem ich dann einen Urlaub absagen musste hatte ich die schnauze voll, so konnte es nicht mehr weitergehen. Meine Lebensqualität war zum Teil extremst eingeschränkt. Also gegen die Empfehlung meines Hausarzt, habe ich mir trotzdem einen Termin bei einer Proktologin gemacht. Als Mann ein seltsames Gefühl auf einer Art Frauenarztstuhl zu sitzen. Naja, wie auch immer. Bei der Untersuchung wurden mir 3 verschiedene Untersuchungsinstrumente rektal eingeführt. Mit dem letzten wurde mein After etwas aufgepumpt, damit man sich die Sache besser anschauen kann. Hört sich evtl etwas angsteinflößend an, aber die ganze Untersuchung auf der Schmerzskala höchstens eine 3/10. Also kaum schmerzhaft, eher ungewohnt.
Jedenfalls wurde mir dort bestätigt was der Hausarzt bereits vermutete, Analfissur mit Bildung von Vorpostenfalte. Vorpostenfalte ist im Grunde vernabtes Gewebe um die fissur herum. Und dann klärte die Proktologin mich auf, woraus auch meine erster Tipp entsteht:
GEHT SOFORT ZUM PROKTOLOGEN! Sind wir mal ehrlich, niemand möchte davon erzählen das er was am After hat. Schon gar nicht möchte man das einem zeigen oder daran herumgedoktort bekommen. Deswegen rennen die meisten (wie ich auch) in die Apotheke und bekommen eine Schmerzsalbe wie zb Posterisan akut, und hoffen das die Sache sich erledigt. Ohne sofortige gezielte Behandlung, wird aber aus der akuten Fissur, eine chronische Fissur. Und wenn das der Fall wird, dann wird es problematisch. Die Proktologin sagte mir das man in den ersten 6 Wochen von einer akuten fissur spricht, in der man die größte Abheilungs-Chance hat. Danach wird es schwierig. Ich mit meinen 2-3 Jahren war da wohl schon in der chronischen Phase .
Trotz allem bestätigte die Proktologin die Aussagen meines Hausarztes und riet mir von einer OP ab. Ihr Wortlaut war: Die Hälfte der Leute die sie zur Operation schickt, sieht sie ohnehin wieder. Wieso dann den ganzen Schmerz einer Analfissur-Op auf sich nehmen, wenn man höchstwahrscheinlich wieder daran erkrankt.
Stattdessen verordnete sie mir eine 6-wöchige Analdehnungs-therapie. 6x am Tag, sollte ich mir einen Analdehner in der grösse groß aus der Apotheke, in den After einführen und für 5-7 Minuten drin lassen.
Noch am gleichen Abend lag ich in meinem Bett, rieb meinen Anus mit Posterisan protect salbe ein und versuchte mir einen Analdehner gross in den After einzuführen. Als Mann war das bis dato einer der seltsamsten Momente die ich je erlebt habe. An den ersten Tage habe ich den Analdehner maximal ein paar Zentimeter einführen können. Noch ein paar Tage später war die Scham fast komplett verflogen und der Analdehner ließ sich schon fast ganz einführen. In der Hälfte, also nach 3 Wochen etwa, flutscht er sofort rein und ich habe in der Zeit Farm heroes am handy gespielt. Hört sich verrückt an, aber man gewöhnt sich wirklich schnell daran und die Scham verfliegt auch schnell. Wenn man es gewohnt ist, Schmerzskala 0/10.
Nach 6 Wochen dann hoffnungsvoll zurück zur Proktologin, dort dann die Ernüchterung. Hat gar nichts gebracht.
Sie hat mir dann noch ein paar Tipps mitgegeben wie ich zukünftig damit bestmöglichst leben könnte. Dazu komme ich später. Aber soviel will ich schon mal verraten, sie sagte mir ich solle meine Lebenlang nun morgens und abends den Analdehner verwenden...
Mit diesen Tipps und anderen die ich im Laufe der Zeit recherchiert und getestet hatte, ging es dann die nächsten 4-5 Jahre einigermaßen gut. Es war immer noch ein auf und ab, aber durch die Tipps die ich in mein Leben integriert hatte, hatte ich längere schmerzfreie Phasen und wenn es mich dann doch erwischte, konnte ich den Teufelskreis aus Toilettengang und schmerzenden/krampfenden Anus schneller durchbrechen.
Nach ca. 7 Jahren, in denen ich bis dahin an der Analfissur litt, ging es dann plötzlich los. Nach einem eigentlich normalen Stuhlgang hatte ich so starke Schmerzen, daß ich 3 Wochen lang nicht mehr auf die Beine kam. Selbst der Analdehner zeigte keine Wirkung mehr. Nach 3 Woche ließen die Schmerzen nach. 2 Wochen ging es gut, dann das gleiche Spiel von vorne. Da die Geburt meiner Tochter bevor stande, hatte ich Angst die Geburt nicht miterleben zu können. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit und rechtzeitig zur Geburt war ich so gerade wieder auf den Beinen. Wir hatte für 4 Tage im krankenhaus ein familienzimmer reserviert und dort lag ich morgens und abends auf der Toilette auf dem Boden um mir den Analdehner einzuführen. Das sind einfach Momente in denen man denkt ob das alles noch normal ist. Auf der Krankenhaus Toilette auf dem Boden liegend mit einem Analdehner im Hintern ...
Da ich nun Papa war, hatte ich Angst gehabt in Zukunft schöne Dinge mit meiner Tochter nicht erleben zu können, wenn ich ständig vor Schmerzen flach liege. Das konnte ich einfach nicht akzeptieren. Und während ocj darüber nachdachte hatte es mich auch wieder erneut erwischt. Nach einem toilettengang Schmerzen 9/10. Bett, Feierabend. Die Zeit habe ich genutzt um nach Lösungen zu suchen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt wirklich ALLE konventionelle Mittel versucht:
Salben, Zäpchen, Analdehner, Analstift, Analreiniger, Sitzbäder, Auflagen, Einlagen usw...
Egal was, nichts hat geholfen und zusätzlich war ich nun an einem Punkt wo ich wirklich nicht mehr wirklich auf die Beine kam. Also ging ich eine Stufe weiter und habe mich nach einem Operateur umgesehen. Zu meinem riesen Glück hatte ich in der Nachbar Stadt einen operierenden Proktologen der sehr renommiert war. Für den Patienten aus ganz Deutschland anreisen. Termin gemacht und 1 Woche später konnte ich mich bereits vorstellen.
Und dort wurde ich dann das erste mal von einem Experten aufgeklärt.
In meiner ersten Sitzung habe ich eine Analvenenthrombse aufgeschnitten bekommen. In meiner zweiten Sitzung wurden 2 Hämorrhoiden mit Gummi ab geklemmt. Und dann, in der dritten Sitzung, konnte er sich erst die Fissur anschauen. Die Thrombose und die Hämorrhoiden sind Begleiterscheinungen der fissur gewesen.
Der Arzt klärte mich dann auf das eine chronische Fissur keinerlei Chance mehr besitzt auf konventionelle Art abzuheilen. Die Vorpostenfalte ist vernabtes Gewebe! Wie zum Teufel soll eine Salbe, zäpfchen, sitzbäder oder iwas anderes, vernabtes Gewebe beseitigen?! Ausserdem fördert eine Fissur die zusätzliche Bildung von Analfisteln. Und diese machen zusätzlich Beschwerden. Auch Thrombosen und Hämorrhoiden werden gefördert. Schmerzen entstehen bei hartem Stuhlgang, genau wie bei Durchfall. Man muss sich die Vorpostenfalte so vorstellen, daß sie ganz viele kleine Taschen besitzt. Bei Durchfall setzt sich Kot in den Taschen ab und es entsteht eine Entzündung. Bis dahin hatte ich mich nämlich immer gefragt Warum es mich nach Durchfall immer erwischte.
Als ich alles erklärt bekam war ich mir zu 100% sicher das ich einen operativen Eingriff möchte.
Einen Monat später, am 5.September 2022 hatte ich meinen OP Termin. Die OP findet ambulant statt. Morgens hin, mittags nachhause. OP in Vollnarkose. Der Arzt sagte mir im Anschluss das er 2 Fissuren und 2 fisteln operiert hatte. Da hatte sich in den 7 Jahren also einiges gebildet...
Ich will nicht lügen, die Wundheilung nach der OP ist kein Spaziergang. Die Schmerzen waren 12/10 trotz 3x diclofenac am Tag. Bei mir ist ausserdem aufgrund eines sehr starken muskeltonus, also mein Anus ist sehr fest, eine Wundheilungsstörung aufgetreten. Bis Juni 2023 hatte ich Post-OP Schmerzen. Doch der Arzt hat alles gemacht und ausgeschlossen bis er die Theorie der Muskel-tonus hatte, mir eine Anus entspannende Mixtur verschrieb, und siehe da, seit Juli 2023 komplett schmerzfrei. Nicht nur schmerzfrei, sondern wirklich nichts mehr! Kein zwicken, ziehen, jucken, reißen, brennen oder sonst was. Der Arzt hat auch in der letzten Untersuchung bestätigt das nun alles schön glatt ist und man keinerlei Narben oder sonstiges sieht.
Zusammenfassend kann ich also sagen das ich so gut wie alles mitgemacht habe, was eine Analfissur zu bieten hat. Und ich empfehle jedem sich einer OP zu unterziehen. Alles andere ist ein Spiel auf Zeit und nur Wunden *beep*. Heilung ist mit Salben etc. nicht mehr möglich.
Jetzt komme wir aber zum großen ABER! Mein Hausarzt und die Proktologin haben nicjt ganz Unrecht gehabt mit ihren anti-OP Empfehlungen. Wenn wir von einer OP sprechen wo geschnitten wird, dann möchte ich dazu ebenfalls keine Empfehlung aussprechen. Weil dabei besteht wirklich die Gefahr von dauerhafter Inkontinenz usw. Was ich gemacht habe ist minimal invasiv. Es wurde also gelasert. Dabei wird sie Vorpostenfalte Millimeter genau abgebrannt, also wirklich nur oberflächlich das allernötigste. Die anschließende Wunde wird dann kontrolliert, unter Aufsicht des Arztes, abgeheilt. Am Ende bleibt dann ein gesunder, glatter Anus zurück. Keine Fissur mehr! Keine Fistel mehr! Einfach nur gesund und schmerzfrei. Damit fällt eine so gewaltige Psychische Belastung von einem ab. Bei mir war das fast eine Art zweite Geburt.
So zum Abschluss möchte ich Meike besten Tipps noch teilen.
Tipp zur Heilung:Wie bereits erwähnt, definitiv eine OP.
Aber, minimal invasive, also lasern und nicht schneiden!
Tipps um damit zu leben:
Für alle die nicht operieren wollen, habe ich noch meine Tipps um bestmöglichst damit zu leben.
1. Analdehner. Das wollen viele wahrscheinlich nicjt hören, aber es gibt nichts besseres als ein trainierte, dehnbar Anus, um Schmerzen vorzubeugen. Auch während der Sxhnerzphase anwenden um den Teufelskreis aus Toilettengang und krampfen zu durchbrechen. Immer direkt vor dem Toilettengang und ca..1 Stunde danach.
2. KEIN Toilettenpapier mehr nutzen! Seid 7 Jahren spüle ich mich nach jedem Toilettengang da unten aus. Wenn ich zuhause bin dann unter der Dusche abbrausen..unterwegs gibt es analduschen wie den happy po die super diskret sind. Klopapier kann nie alles beseitigen, man schmiert damit nur Kot in die feinen Hautfalten am Anus. Diese fangen an zu jucken und sorgen bei fissuren zu Entzündungen.
3. Viel trinken! Mindestens 2,5 Liter pro Tag.
4. Ballaststoffreich. Ballaststoffe sorgen für einen weichen Stuhlgang. Achtung, viel trinken sonst tritt ein gegenteiliger Effekt auf.
5. Bewegung. Bewegung treibt den Darm an und verhindert Verstopfungen.
6. Kein Alk. und nichts scharfes essen. Beides sorgt dafür das die Schmerzphase beginnt.
Das sind so die wirkungsvollsten Tipps die ich herausgefunden habe. Diese haben wirklich den größten Effekt gezeigt und kombiniert habe ich damit lange gut gelebt. Auch wenn es kein Heilmittel ist, so kann man wenigstens am Leben teilnehmen.
Ich hoffe sehr das mein Roman dem ein oder anderen hilft sich nicht alleine zu fühlen. Das meine Tipps euch in der akuten Schmerzphase helfen und ihr auf die Beine kommt.
Und ich hoffe das mein OP Tipp mit Laser Methode euch auch so hilft wie mir.
Natürlich ist das nir mein Erfahrungsbericht und ersetzt keinen Gang zum Arzt. Bitte geht sofort zu einem Proktologen und lasst dabei schauen. Erst wenn er bestätigt das es sich um eine Fissur handelt, kann man die nächsten Schritte einleiten.
Okay, dann lasst euch noch gesagt sein das eine Analfissur keineswegs hoffnungslos ist! Ihr seid nicht alleine, so unfassbar viele Menschen leiden daran. Schaut der Sache positiv entgegen und erstellt euch euren Heilungsplan. Sollte jemand noch Fragen haben kann er sie gerne stellen und ich versuche aufgrund meiner Erfahrung zu helfen.
Ich wünsche allen nur das Beste und vor allem eine schöne schnelle Heilung.
Liebe grüsse
Christian