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hallo!

ich komme aus einem nicht ganz so angenehmen familiären umfeld, und habe im moment das gefühl, dass ich eine verhaltensweise gelernt habe, bei der ich mir nicht sicher bin, wie ich damit umgehen soll. um die sache ein wenig klarer darzustellen, meine mutter hat eine chronische weitgehend unbehandelte und sehr ausgeprägte bipolare störung, schon seit ich denken kann. ich wurde so oft mit totalen zerstörungsanfällen, wenn man das so sagen kann, schreiereien, verzeiflung und noch vielem mehr konfrontiert. nur war es so, dass mein vater irgendwie resignierte und keinerlei reaktion mehr zeigte, wenn es wieder eimal so weit war... ich hab dieses verhalten übernommen. ich kann in manchen situationen, nicht beabsichtigt (es passiert einfach), meine gefühle ausschalten. ich werde zu einem eisklotz, obwohl ich eigentlich eine total feinfühlige und herzensgute person bin. wenn mir jemand emotional begegnet, ich meine negativ emotional (total verzeifelt, wütend, zürnend, schreiend...), empfinde ich nichts mehr dabei. es ist mir passiert das eine person, die mir sehr viel bedeutet in tränen aufgelöst zu mir sprach, und ich war einfach nur kalt, ich gab mich nicht einfach so, sonder fühlte mich überhaupt nicht berührt. wobei ich zugleich wusste, dass mein gefühl total asozial und egoistisch ist.

irgendwie kompliziert das alles in so eine nachricht zu schreiben. meine frage ist jetzt, mir geht es mit diesem mechanismus gut, nur fürchte ich damit menschen richtig verletzen zu können. es ist bisher erst bei drei personen (darunter auch meine mutter) so gewesen, dass dieser mechanismus richtig stark und ausgeprägt zur geltung kam. ich kenne mich einfach so nicht wieder, und fühle mich in einem moment gleichzeitig stark, unverletzlich, herzlos und verletzend. vielleicht können sie mir ja dazu sagen was sie davon denken. ich will nicht, wie meine mutter, über solche dinge hinwegsehen. ich bin mir im moment einfach nicht ganz sicher was in solchen momenten in mir geschieht.

lg, und danke fürs lesen, dreamcatcher

26.04.2008 14:44 • 28.04.2008 #1


1 Antwort ↓

Hallo dream8catcher,

dass Du ein feinfühliger Mensch bist, merkt man schon daran, wie Du schreibst. Das ehrt Dich und hat meine ganze Anerkennung.

Kinder von Müttern mit schweren psychischen Erkrankungen sind in einer schwierigen Situation aufgewachsen, waren häufig damit überfordert und kaum einer hatte die Kraft, sich auch um sie und ihre kleine Seele zu kümmern. Dazu konnte meist niemand etwas - also keine Schuld - aber es hatte Auswirkungen. Besonders schwierig ist es für Kinder in solchen Situationen, eine sichere Bindung zu ihren wichtigsten Bezugspersonen aufzubauen. Oft entsteht ein unsicher - vermeidendes Bindungsmuster - aus Schutz vor seelischen Verletzungen ! D.h. in Stresssituationen, bei Angriffen in Beziehungen u.ä. zieht man sich auch später noch in seine Kapsel zurück, um weitere Verletzungen zu vermeiden.

Das war sicherlich auch bei Dir sinnvoll und wichtig. Jetzt merkst Du allerdings, dass Du solche Mechanismen automatisch auch anwendest, wo es vielleicht gar nicht mehr nötig ist - weil Du sie automatisiert hast. Das ist eine hilfreiche Einsicht und eröffnet Dir neue Möglichkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Du kannst Deine Möglichkeiten im Umgang mit anderen Menschen erweitern.

In solchen Situationen, wenn Du merkst, wie Du Dich wieder verkapselst, kann es hilfreich sein - sofern Du das dann willst - den anderen zu fragen, wie er Dich jetzt erlebt und was er sich von Dir wünscht. Du kannst erklären, dass Du ihn nicht verletzen wolltest, sondern dass dies Dein eigener Schutz vor Verletzung ist. Und ihr könnt vielleicht klären, wie ihr vielleicht miteinander umgehen könntet, ohne diese Schutzmechanismen zu bemühen. Also im Grundsatz - gehe möglichst offen damit um, experimentiere in kleinen Schritten damit, was passiert, wenn Du nicht gleich in Dein Konkon verschwindest und Deine Gefühle ein kleines Stück mehr zulässt. Und wenn es Dir mal zu gefährlich wird, kannst Du immer noch entscheiden, Deinen sicheren Hafen aufzusuchen - so lange Du es für nötig hältst. Denn eins ist wichtig: ganz aufgeben würde ich etwas, was Dir das seelische Überleben gesichert hat, auf keinen Fall. Flexibler werden darf aber schon sein.

Ich wünsche Dir viele überraschende Erfahrungen und dass Du Deinen eigenen Weg für Dich findest. Die Möglichkeiten dazu trägst Du in Dir.

Herzlichen Gruß

Bernd Remelius




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